Erstellt am: 3. 7. 2013 - 14:25 Uhr
Bling Boom Bash
Das neue Interlude Festival im Wiener Akzent Theater:
Gestern mit Jamie Lidell und Koenig Leopold, heute mit Attwenger und Kreisky.
Der ausladende Kristallluster ist nahe am Zerbersten, wenn Koenig Leopold den Ghettoblaster aufdreht und seine megafetten Beats über das dunkelrot bestuhlte Akzent Theater stülpt. Böllerndes Gebelle, das Saxophon quietscht schmerzvoll, ein lebensgroßes Pikachu rappt - nehmt das, Bitches!
Richard Taylor
- Koenig Leopold bei der FM4 Studio 2 Session im Mai.
Einen Trash-Rausch und außerirdischen Ausbruch später, reicht Koenig Leopold die Krone feierlich an den nicht minder freaky Ehrengast des Abends weiter. Er soll alle ihre Juwelen zum Funkeln bringen - der Prinz des Maschinen-Soul, Mister Jamie Lidell.
Jamie Lidell
"Jamie Lidell" ist im Februar über Warp Records erschienen.
Es ist hedonistische Happyness, die einen beim neuen, selbstbetitelten Jamie Lidell Album blendet. Eine heftige, schillernde, hypermodern produzierte Eighties Up-Platte immer am Siedepunkt - "it’s all Lionel Richie and coconuts all night long", sagt der weirde britische Soul-Man selbst.
Wie Janet Jackson auf Rhythm Nation, wie Paula Abdul bei Opposites Attract wollte er arbeiten, hat reihenweise alte Linn Drums und Oberheim Synths in sein neues Anwesen in Nashville gekarrt und war ständig auf der Suche nach dem perfekten Prince-Kiss-Reverb. Was nach der noisigen Druckwelle bleibt, ist ein überwältigter, gleichzeitig angespannter Nachgeschmack, der unbefriedigte Wunsch nach etwas mehr unangestrengter Lässigkeit, wie sie eine Prince-Hommage bei aller Party-Laune nicht missen darf.
Jamie Lidell
richard taylor
Nach dieser Sexyness sehnt man sich nun nicht vergebens. Live geht der Lidell'sche Eighties Blast voll auf, ohne zu überborden. Ein Lidell in karierten MC Hammer Hosen macht einfach Spaß, wenn er auf der Bühne umher quirlt, allerlei elektronischen Schnick Schnack bearbeitet, Tasten, Knöpfe und Pads befingert und seinen Maschinen eine unverkennbare Seele einhaucht. "Can you feel it?!", fragt er das Publikum, das schon bei der ersten Nummer zuckend auf den Beinen ist. Tatsächlich, man fühlt es, for real.
Mit jedem Track transformiert sich das Akzent Theater zu einer Art Nobel-Club, in dem die digitalen Handclaps nur so von der Bühne regnen. Geschmeidige Soul Nummern von "Multiply", "Jim" und "Compass" werden im klassischen Warp Spirit verfremdet und auf den Dancefloor gedehnt, Call and Response und P-Funk verneigen sich vor Electro Boogie und New Jack Swing. Lidell improvisiert, programmiert und remixt seine eigenen Hits ins beinahe Unerkenntliche, singt in zwei Mikrofone auf einmal, loopt und spult sich in einen bunt blitzenden Nineties Techno Rave.
chilenaennuevayork.com
richard taylor
Es zappelt durch die Sitzreihen - mit "Any Kind of Pressure" eine pure Disco-Nummer, die Anfang des Jahres in der Kitsuné Maison Reihe erschienen ist. Das Düsseldorfer Electro-Funk-Kid Lorenz Rhode hat sie geschrieben - er thront auf einem Podest links neben Lidell an den Keys und der Talkbox. Zu Lidells Rechten glitzert ein silbernes Schlagzeug, bespielt von Brian Wilson (sic! Rein zufällige Namensgleichheit). "Yeah!", sagt der Showman in der Mitte, "this is our first gig as a trio! Until now I’ve only been doing solo shows this year" - bei denen hat er hinter einer speziell angefertigten Computer-Burg fast wie ein helmloser Daft Funker geleuchtet - "It feels good to have a band to make some noise!"
Und zwischen all dem exquisiten Klimbim liefert Lidell genau das, nach dem man beim Hören des neuen Albums lechzt: "It gets so loud, it gets so loud! Then you got to take it down." Momente zum Runterkommen, in denen sich der Groove entfalten und einen warm umarmen darf. Unter die Gesangslinie von "She Needs Me" gießt Rhode die Harmonien von Prince’ "Do Me, Baby", beim für Matthew Herbert gemachten "Music Will Not Last" hört man nur Lidells Finger schnipsen, bevor er die Motown Nummer in seinem Trademark-Stil mit unzähligen geloopten Stimmen und vibrierenden, gebeat-boxten Kreuz-Rhythmen auffettet. Nach einem minutenlangen One-Man-Jam endet sie mit einem gelösten Schnurren. Und dann, als letzte Zugabe, die große Erleichterung für alle the artist formely known as Jamie Lidell Freunde, "for the old school Lidell-fans", in fast gänzlich originaler feel-good Darbietung: "Multiply".
... er liebt sie in allen Größen und Ausformungen.
Jamie, we love you - like you love your drum machine!
Jamie Lidell
... P.S., speaking of love:
Gestern war einfach ein "sweet day - the 'Big Love' video has finally been released!" ...Brandneu: