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Sammy Khamis

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2. 7. 2013 - 19:08

Hunger, Asyl und Politik

Zehn Tage lang versuchen Asylsuchende in München mit einem Hungerstreik auf ihre schwierige Situation aufmerksam zu machen. Dann kommt die Zwangsräumung. Die Politik gelobt nun eine Anpassung des Asylrechts.

Es ist Sonntag 5 Uhr morgens, als die Münchener Polizei 350 Beamte an den Rindermarkt schickt, um einen Hungerstreik zu beenden. Zehn Tage dauert der Hungerstreik da bereits. Sechs Tage haben die Protestierenden neben Nahrung auch Trinken verweigert. Als die Polizei das Lager räumt befinden sich noch 44 Menschen vor Ort. Alle sind Flüchtlinge. Sie kommen aus Afghanistan, Namibia oder Iran. Alle versuchen in Deutschland Asyl zu beantragen.

Die Polizei beendet am Rindermarkt eine Versammlung, weil die Teilnehmer des Hungerstreiks in Lebensgefahr schwebten. Nach einer Woche kann ein trockener Hungerstreik zum Tode führen. Aber die Forderungen der Demonstranten beziehen sich auch auf die allgemeine humanitäre Lage von Flüchtlingen weltweit.

Hungerstreikende

EPA

Forderungen und Verhandlungen

Der Räumung gingen Tage der Verhandlungen und Schuldzuweisungen voraus. Die Flüchtlinge in der Münchener Innenstadt forderten volles Asylrecht nach Artikel 16 des Grundgesetzes. Mit ihrem Hungerstreik wollten sie ihre Entschlossenheit und ihre Verzweiflung ausdrücken. Sie stellten sich u.a. in die Tradition des IRA-Mitglieds Bobby Sands, der sich in Nordirland zu Tode hungerte, und dem RAF Mitglied Holger Meins, der ebenfalls im Hungerstreik starb. Die Assoziation mit linksextremen Gruppen bot dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Steilvorlage den Sprecher der Flüchtlinge als "Rädelsführer" zu bezeichnen, der sich auf "eine Ebene mit Terroristen" stellt. Verhandlungen mit den Asylsuchenden waren also zumindest vorbelastet.

Hans-Jochen Vogel (ehemaliger Bürgermeister Münchens) und Alois Glück (Präsident des Zentralkomitees der Katholiken) haben versucht zu verhandeln und die Hungerstreikenden zum Abbruch ihrer Aktion zu überreden. Einen Kompromiss die Forderungen der Streikenden betreffend konnten sie jedoch nicht annähernd erreichen, und das obwohl die Asylsuchenden von ihrer Hauptforderungen (uneingeschränktes Asylrecht für alle Streikenden) zurückgetreten sind. Sie wollten nur noch eine "Aufenthaltsgewährung in Härtefällen", also eine erneute Prüfung des Asylstatus. Dafür haben sich auch andere Politiker ausgesprochen.

Das Problem: Die Verhandlungen von Glück, Vogel und Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatten keinerlei rechtliche Bindung. Ergebnisse haben sie keine geliefert.

Mittlerweile sind die meisten Asylsuchenden in verschiedenen Krankenhäusern der Stadt untergekommen. Ihr Gesundheitszustand hat sich mittlerweile stabilisiert.

Refugees in München

EPA

Status: alles beim Alten

Am Status der Asylsuchenden hat die Räumung des Lagers nichts geändert. Die Anträge einiger Flüchtlinge sind bereits abgelehnt, ihnen droht folglich die Abschiebung. Andere haben ihre Anfrage auf Asyl erst Anfang des Jahres gestellt. Die Koalition aus CSU und FDP in Bayern aber versucht (es ist Wahlkampf in Bayern) einige Regelungen im Asylrecht anzupassen. Die Residenzpflicht beispielsweise soll gelockert werden. Wer als Asylsuchender in Bayern verreisen möchte, um z.B. eine Demonstration gegen Abschiebung in Passau, Würzburg oder Nürnberg zu besuchen, der braucht für die Reise eine Sondergenehmigung des Freistaates, die oft verwehrt wird.

Hilfsorganisationen, wie dem Bayerischen Flüchtlingsrat, geht das nicht weit genug. Die Unterbringung der Flüchtlinge sei "hochgradig unmenschlich". Dafür muss man nur schauen, wo Flüchtlinge in München untergebracht werden: In alten Kasernen im Münchener Norden. Kriegsflüchtlingen aus Afghanistan etwa verbinden mit Militärbaracken nicht die besten Erinnerungen.

Polizei räumt Flüchtlingscamp

EPA

Neues Asylrecht? Neuer Streik

Das Asylrecht in Bayern wird sich nicht grundlegend ändern, das haben Innenminister Herrmann und die Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) klargemacht. Überfällige Reformen, wie die lange Dauer der Bearbeitung von Anträgen sollen in Angriff genommen werden. Die ermüdende Bürokratie, vor allem für nicht deutschsprachige Asylsuchende, oder aber eine Vereinfachung des Antragsverfahrens bleiben aus, so der Bayerische Flüchtlingsrat.

Aber etwas zeigt der Protest in München: Asylsuchende und Flüchtlinge in Bayern sind nicht mehr alleinig auf die Arbeit von Hilfsorganisationen angewiesen: Sie nehmen das Heft selbst in die Hand und artikulieren ihren Widerstand selbst