Erstellt am: 1. 7. 2013 - 14:09 Uhr
Fußball-Journal '13. Eintrag 27.
Das ist das Journal '13, meine heuer (wegen Jungvater-Pflichten) im Gegensatz zu 2003, '05, '07, 2009 und 2011 nicht sehr regelmäßige oder gar tägliche Web-Äußerung in ungeraden Jahren.
Heute wieder mit einem Eintrag ins Fußball-Journal 13 und zwar neuen Eindrücken und Analysen vom neunten Confederations-Cup in Brasilien.
Hier Teil 1 der sich hauptsächlich mit dem brasilianischen Team beschäftigt. DaTeil 2 der, neben Umfeld und Systemik, auch die in der Gruppenphase ausge-schiedenen Mannschaften beleuchtet. Heute geht es um die Top 4.
Hier übrigens das Fazit von ballverliebt.eu
Brasilien ist ebenso groß und überschäumend wie sein sich in Emphase spielendes Nationalteam. Das hat eine stolze spanische Serie beendet und vorgezeigt, nein, demonstriert, wie man die rote Furie bändigen kann.
Mir kommt allerdings vor, dass die Selecao in diesem Vorbereitungs-Turnier bereits ihr gesamtes Spielglück für die nächsten 2 Jahre aufgebraucht hat. Klar ist auch Können im Spiel; vor allem, wenn man einen Könner wie Neymar, der jetzt schon einen Funken besser ist als Cristiano Ronaldo, in seinen Reihen hat. Aber eine solche Dependenz ist brüchig. Was, wenn Neymar - und nach einem Jahr Europa ist das nicht abwegig, im Gegenteil - in Jahresfrist einiges von seinem frischen Zauber eingebüßt hat und ihm just die entscheidenden Prozente fehlen, die beim Confed Cup für haufenweise frühe Tore, göttliche Standards und Weitschüsse sowie Assists gesorgt haben? Ohne Neymar hätte Brasilien gerade einmal die Gruppenphase überstanden.
Hat Brasilien all sein Glück bereits aufgebraucht?
So super das jetzt alles aussieht: bei Brasilien 2014, dem von Scolari und Parreira auf Nummer Sicher gebauten Titel-Team hakt es. Die offensive Dreierreihe mit Oscar-Neymar-Hulk greift viel zu wenig oft ineinander, man ist nicht nur nicht eingespielt - die (Spiel-)Charaktere passen nicht so recht zusammen. Zu viele Aktionen kamen durch schieres Ballglück zustande oder wurden durch Defensiv-Spieler wie den herausragenden Marcelo eingeleitet. Das Doppelpass-Tor Neymar-Oscar im Finale war das einzige wirklich herauskombinierte - der Rest fiel aus Standards, Weitschüssen, aus Abstaubern oder durch zufällig vor die Füße gefallene Bälle.
Nicht mich falsch verstehen: Auch das ist okay und sogar würdig, vor allem für ein spielerisch glänzendes Team wie Brasilien, vor allem dann, wenn es sich nicht für scharfes hohes Pressing, irre Tempogegenstöße, immense Laufarbeit und disziplinierte Defensiv-Leistungen zu schade ist. Verdienter Lohn.
Nur: Wer so viel an Glück schon bei der Generalprobe verbraucht, wird bei der Premiere womöglich tief plumpsen.
So gesehen gehört der nächstjährige Titel Italien
Nach dieser Logik ist Italien der nächste Titelträger.
Die Azzurri hatten sowohl Spanien als auch Brasilien an der Kippe und dabei durchaus noch Luft nach oben. Cesare Prandelli war bei diesem Turnier der einzige Coach, der durch strategische Maßnahmen etwas bewegen konnte. Während Scolari bei Brasilien immer am 4-2-3-1 festhielt und Del Bosque sich für spanische Verhältnisse kaum bewegte, war Italien in jedem Match ganz genau auf seinen jeweiligen Gegner eingestellt. Das sah vor allem im Match gegen Spanien im Semifinale extrem gut aus: ein 3-4-2-1 mit schiefstehendem Außenspiel brachte die intellektuell so überlegene spanische Maschine gehörig ins Wanken - so wie bei der EM im Gruppenspiel fand man kein Mittel. Mit dieser feinen Leistung hat sich Italien für die dann bittere Euro-Finalniederlage ordentlich rehabilitiert.
Brasilien stellte Prandelli im letzten Gruppenspiel ein 4-5-1 ohne echten defensiven Mittelfeldspieler entgegen, ein wagemutiges Va Banque-Spiel, das fast aufging.
Im Gegensatz zu Brasilien, das sich - auch aufgrund der großen Abhängigkeit von Neymar - personell kaum noch verbessern kann, besteht bei Italien da durchaus noch Entwicklungs-Potential, vor allem im Angriff.
Die spanische Vorherrschaft: massiv angenagt
Zu behaupten dass Spanien seinen Zenit überschritten hat, wäre gewagt. Ich denke eher, dass sich nach Jahren der Hoffnungslosigkeit mittlerweile bereits einige Mannschaften schon sehr gut auf die rote Furie einstellen können. Letztlich waren alle Gegner beim Confed-Cup gewappnet. Nur Uruguay traute sich in Spiel 1 erst ab der 70. Minute eine sinnvolle Taktik anzuwenden - und brachte den Favoriten noch in Bedrängnis. Nigeria zeigte ein praktikables Rezept, war aber zu grün um das schon umzusetzen. Italien und schließlich auch Brasilien brachen dann die Welt-Vorherrschaft der Spanier.
Allen Strategien gemein ist ein unerhörtes und frühes Pressing, der Willen die Ballhoheit zu brechen und mit spielerischen Mitteln dagegenzuhalten - die eigene Kombinatorik als Waffe gegen das spanische Überkombinieren.
Die Spiele des Confed-Cup werden allen Coaches weltweit als weiterer Anschauungs-Unterricht, wie man Spanien beikommen kann, dienen - insofern ist Del Bosque jetzt zu ein, zwei frischen Überlegungen gezwungen. Vielleicht hat er sie deshalb noch nicht hergezeigt. Immerhin: die Variante Javi Martinez im Halbfinale als falschen Neuner einzusetzen, zeugt von Grenzgängertum höchster Ordnung.
Und dann noch: Außenseiter und Abwesende
Uruguay hat sich, sofern man sich doch noch für die WM qualifiziert (der Confed-Cup sollte entsprechendes Grundvertrauen gegeben haben) wohl der Tatsache versichert, dass es doch nicht ohne den Dreiersturm mit Forlan und die absichtlich windschiefe Abwehr-Variante geht. Wenn sich Tabarez dazu durchringen kann, ein leicht kreativeres Mittelfeld (wie etwa mit Lodeiro, der massiv aufgezeigt hat) einzusetzen, dann ist nächstes Jahr wieder was möglich beim Nachbarn.
Als durchaus witzig empfinde ich Reaktionen der deutschen Nachbarn, die sich als abwesender Sieger des Confed-Cup betrachten. Champions-League-Finalsteller hin oder her - weder die Leistung des zweiten Anzugs in den USA noch die der U21 und auch nicht die des A-Teams in der WM-Quali lassen aktuell solche Rückschlüsse zu. Taktisch etwa ist man z.B. Italien noch sehr sehr deutlich unterlegen.
Und in einem Raumklima, in dem nicht ausschließlich auf Tempo und Körperlichkeit gesetzt werden kann, wird sich eine Konzentration auf die Kopfarbeit durchaus lohnen. Diesbezüglich sieht aktuell eigentlich kein Halbfinal-Platz für Team Deutschland heraus.