Erstellt am: 30. 6. 2013 - 16:20 Uhr
Du liebst mich nicht
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Es ist einer der schönsten Songs aller Zeiten; ein Song, der nicht in komplizierter Verklausulierung ein Thema nur vage einkreist und diffus bleibt, sondern schlicht und klar sagt, worum es hier auf der Welt geht: Was bringt denn das ganze schöne schnöde Leben, wenn ich nicht Dich darin habe? Die Bee Gees hatten "To Love Somebody" 1967 ursprünglich als Auftragsarbeit für Otis Redding geschrieben, verwendeten das Stück, nachdem Redding im selben Jahr bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war, ohne den Song aufgenommen zu haben, aber schließlich selbst.
Mittlerweile ist "To Love Somebody" gefühlsmäßig jedoch kaum mehr an eine bestimmte einzelne Person zu koppeln. In unzähligen unterschiedlichen Interpretationen und Versionen ist das Stück zu einem universellen Popstandard mit Eigenleben geworden. Bonnie Tyler, Nina Simone und Leonard Cohen haben sich daran versucht, ebenso wie Joe Cocker, Billy Corgan oder die Black Crowes. In jüngerer Vergangenheit war "To Love Somebody" in einer Bearbeitung mit Reggea-Einschlag von Jimmy Somerville noch sehr erfolgreich, auch den Schmusebombast des mit aller Macht fühlen müssenden Michael Bolton hat das Lied ganz gut überstanden.
Scott Matthew live:
29.10. Graz ppc
30.10. Innsbruck Weekender
31.10. Linz Posthof/Ahoi Pop!
01.11. Wien Porgy & Bess
02.11. Salzburg Arge
Yasmina Haddad
Und was macht nun der geschätzte Rauschebart Scott Matthew auf seinem aktuellen Coverversionen-Album zwischen Neudeutungen von Neil Young, Whitney Houston, The Jesus and Mary Chain oder Joy Division mit dieser schon tausendfach durchlittenen Nummer? Das was er am besten kann und was auch speziell diesem Stück Musikgeschichte ideal zu Gesicht steht: Er strippt es runter auf die Essenz, er entschlackt es, legt sein Skelett frei und präsentiert so gleichzeitig korrespondierend mit dem Inhalt des Songs sein eigenes Herz auf den nach oben gedrehten Handflächen, für die ganze Welt zu sehen.
Im Original der Bee Gees singen in schönstem Schmelz die Streicher und es jubilieren beschwingt und fanfarengleich die üppigen Bläsersätze, es gibt eine Harfe. Bei Matthew dröhnt leise eine einsame Orgel, später dann zupft er die akustische Gitarre. Nun war es ursprünglich sicherlich ein Geniestreich, diesem Lied, das neben dem Ausdruck von höchster Liebe und ewigsüßer Wertschätzung, vor allen Dingen auch von unerwiderter Liebe, Zurückweisung, Selbstmitleid und Verzweiflung handelt, eine gut gelaunte überschwängliche Instrumentierung gegenüberzustellen.
Es funktioniert aber auch andersherum: Wenn die Musik, wie bei Matthew, dürr und grau bleibt, erlangt "To Love Somebody" eine neue Dimension. Wenn Matthew singt: "You Don’t Know What It’s Like, Baby, You Don’t Know What It’s Like / To Love Somebody", dann klingt das tatsächlich nach einem schweren Schmerz in stürmischer Seele, gleichzeitig wie ein selbstgerechter Vorwurf an ein Gegenüber - ein Vorwurf, der dann freilich in seiner Eitelkeit auf Matthew selbst zurückfällt.
Hier wird nicht bloß der vertraute Ton des verwundeten Schmerzensmannes bemüht, man bekommt hier den Eindruck vermittelt, dass Matthew weiß, dass mit seinem Leiden vielleicht etwas nicht ganz in Ordnung ist, dass es letztlich doch eine etwas egoistische Angelegenheit sein könnte. Im selben Atemzug vermittelt dieser zerkratzte, krächzende Mann aber genauso, dass er noch an die Liebe und den Sonnenstrahl glaubt. Es besteht Hoffnung.