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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

30. 6. 2013 - 17:26

Münchner Medaillenregen

Die X-Games, von vielen als Olympische Spiele im Bereich Action Sport gesehen, gastieren mit viel Pomp und Getöse im Münchner Olympiapark. Spektakel garantiert.

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Krasse Tricks und hohe Kicker. Sport auf FM4: Alles außer Langlaufen.

Die Schlange bewegt sich, aber kürzer wird sie nicht. Immer mehr Leute strömen in die Eishalle im Olympiapark München, in die ein Skatepark hineingebaut wurde. Bereits bei der Qualifikation zum Skateboard Street Contest sind manche Zuschauerblocks schon so voll, dass die Ordner die BesucherInnen in andere Blocks umleiten müssen. Es hagelt Proteste, weil alle den besten Blick auf ihre Stars haben wollen, die die X-Games in die Stadt gebracht haben.

Halle

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Dem Ruf der X-Games kann sich keiner der Sportler entziehen. Die X-Games sind einer der größten Events im Bereich Action Sports, der von Skateboarden über BMX bis hin zu Freestyle-Motocross so ziemlich alles umfasst, was hohe Sprünge, fette Tricks und jugendlich-rebellisches Auftreten beinhaltet. Für die Szene sind sie so zentral, dass die Qualität der Rider in X-Games Medaillen angegeben werden.

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1995 ist die Veranstaltung vom US-Sportkanal ESPN ins Leben gerufen worden und seither schwimmt sie auf einer Welle des Erfolges. Heuer haben die Veranstalter begonnen groß zu expandieren und die X-Games zu einer Serie auszubauen. Zum traditionellen Sommer-Austragungsort Los Angeles sind 2013 Foz de Iguazu in Brasilien, Barcelona und eben München dazugekommen.

Globale Sportart, lokale Färbung

Hier in München versuchen die X-Games ein bisschen im Lokalkolorit zu leuchten, um den Fernsehzuschauern zu zeigen, dass man in Bayern ist. Die Eishalle wird optisch dominiert von einer alpin anmutenden Hausfassade. Aus ihr fahren die Skater raus und auf die Obstacles zu, die in Gartenzaungrün gehalten sind. Zwischen den Stufen, über die Paul Rodriguez etwa mit einem Switch-Kickflip hinunterspringt, sind Blumenbeete angelegt.

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Mit einer atemberaubenden Kulisse wie den Iguazu-Fällen in Foz kann München nicht dienen. Aber München habe andere Vorzüge, wie Ralph Huber, der Geschäftsführer des Olympiaparks betont. Die stabile wirtschaftliche Lage in Deutschland etwa, der große deutsche Markt, vor allem aber die Infrastruktur hier in München: Alle Veranstaltungsorte sind zu Fuß erreichbar, zwei Hallen, das Olympiastadion und noch dazu der Olympiaberg und alles im Zentrum Münchens. Drei Millionen Euro hätte sich die Stadt München diese Veranstaltung kosten lassen, die die nächsten drei Jahre hier stattfinden soll, der Beitrag von ESPN betrage ein Vielfaches davon.

Spektakel für die Jugend der Welt

Die X-Games sind die größte Veranstaltung im Olympiapark seit 1972, als die Anlage für die Olympischen Sommerspiele errichtet wurde. Damals für die Jugend der Welt, heute für die Jugend der Welt, sagt Ralph Huber stolz. Damals stand allerdings ein unabhängiger Sportverband dahinter, heute ist es ein globaler Medienkonzern. Die kommerzielle Ausrichtung bekommt man schnell mit, Werbung wird nicht nur über Banden, sondern vor allem auch über die großen Videoscreens und Lautsprecher kommuniziert. Das ist mittlerweile bei Olympischen Spielen aber wohl auch nicht anders.

Abschrecken lassen sich von Werbung ohnehin nur wenige. Tagestickets waren bereits im Vorhinein ausverkauft, die einzelnen Bewerbe sind auch gut gefüllt. Es scheint, als ob halb München sich aufgemacht hätte, um ein wenig vom zentralen Versprechen der X-Games zu sehen: Spektakel.
Am deutlichsten wird dieses Versprechen im Zentrum des Olympiaparks, wo eine gewaltige Anlage auf dem Olympiasee zu schwimmen scheint, die "Megaramp" für die Big Air-Bewerbe in BMX und Skateboard.

Megaramp

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Die "Megaramp" ist eine Mischung aus Schanze und Quarterpipe mit riesigen Dimensionen. Allein der Turm für die Anlauframpe ist 27 Meter hoch, 55 Grad steil geht es nach unten auf einen der drei Kicker zu, die Skateboarder und BMX-Fahrer über den zwölf Meter langen Gap bringen. Ihren Abschluss findet die Megaramp in einer sieben Meter hohen Quarterpipe, wo die Athleten noch mal hoch über das Coping segeln.

Megaramp für die Rekordjagd

Mit dem ursprünglichen Skateboarden in der Straße oder in der Halfpipe hat solch eine Megaramp nichts mehr zu tun, sondern ist wohl eher vom Snowboarden inspiriert. Der 16-jährige Skate-Jungstar Mitchie Brusco erzählt die Geschichte dahinter auch als ein Ausprobieren: Einer hätte eine Schanze angelegt, um den Weitenrekord mit dem Skateboard zu knacken, ein anderer die Quarterpipe, um den Höhenrekord anzugehen und ein Dritter habe schließlich die Idee gehabt, beide miteinander zu kombinieren.

Für Skateparks ist solch eine Rampe natürlich viel zu teuer, weshalb sie nur bei den X-Games zum Einsatz kommt. Bob Burnquist, legendärer Skate-Pro, ist der einzige, der sonst noch solch eine Megaramp besitzt. Das 280.000 Dollar-Ungetüm steht bei ihm im Backyard.

Am Freitag springen die BMX-Fahrer über die Rampe. Gleich der zweite Fahrer stürzt bei der Landung über die Quarterpipe und muss mit dem Rettungswagen abtransportiert werden. Die Show geht nach kurzer Unterbrechung weiter, Verletzungen sind ein Teil davon.

Quarterpipe

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Slopestyle-Premiere

Eine Veranstaltung, die den Anspruch hat, am Puls der Zeit zu sein, muss sich immer wieder verändern und neue Trends aufgreifen. Neben den zentralen X-Games-Sportarten Skateboarden, BMX und Motocross hat man immer wieder Neues ausprobiert, Inlineskaten etwa, das eine Zeit lang groß war, mittlerweile aber wieder in der Versenkung verschwunden ist, oder kuriose "Sportarten" wie Barfuß-Wasserski oder Bungee Jumpen. In München feiert heuer eine Sportart Premiere, die in den nächsten Jahren großes Potential hat, Mountainbike Slopestyle.

Der Sport scheint perfekt in das X-Games Portfolio zu passen und ist ähnlich spannend mitzuverfolgen wie die anderen Contests. Der Bergab-Parkour, den Mountainbike-Slopestyle benötigt, ist jedoch in den meisten Städten kaum aufzustellen. München hingegen hat seinen Olympiaberg, der nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Trümmern der zerstörten Stadt errichtet wurde. Von ihm schlängelt sich der Slopestyle-Kurs herunter, über Jumps, Steilrampen, Quarterpipes und sehr sehr hohe Drops.

Die Fahrer freuen sich, in der "X-Games Familie" angekommen zu sein. Die Fernsehzeiten und die Coverage sollen ihren Sport vorwärtsbringen und noch mehr Sponsorgeld anziehen. Mit dem nagelneuen Kurs sind sie allerdings nicht zufrieden. Die X-Games hätten mit ihrem Anspruch, alles immer größer aufzuziehen, den Kurs ruiniert. "They've certainly made the biggest course, but not the best", sagt Mountainbiker Sam Reynolds etwas enttäuscht. Der Flow im Run stimmt nicht, manche Obstacles funktionieren nicht und der letzte Drop wäre abartig hoch. Ein Spektakel für die Zuschauer, weniger gut für die Rider.

Wenn sich keiner der Fahrer verletzt, werden diese Aussagen schon bald wieder vergessen sein. 70.000 zahlende BesucherInnen haben dann ihr Spektakel erlebt, dazu kommen noch tausende Zaungäste und Spaziergänger, die im Olympiapark X-Games-Luft schnuppern wollten. Bekommen haben sie neben einer groß aufgezogenen Show auch ein bisschen internationales Flair, etwas was dem Klischee von München als größtem Dorf der Welt zuwiderläuft.