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Alexandra Augustin

West Coast, wahnwitzige Künste und berauschende Erlebnisse. Steht mit der FM4 Morningshow auf.

12. 7. 2013 - 10:46

Being Elfie Semotan

Wieso die Fotografin nicht einmal ein Restaurant drei Tage im Voraus reservieren kann und wieso man sich nie vornehmen sollte, das Foto seines Lebens zu machen. Ein Interview mit der wohl berühmtesten Fotografin der Welt.

Elfie Semotan ist die entspannteste Person auf der ganzen Welt. Und die interessanteste. Jeden gesprochenen Satz möchte man einrahmen. Weisheiten zum Leben, langsam und bedacht erzählt. Kein Wort umsonst.

Elfie Semotan - "Selbstporträt"

Elfie Semotan

Elfie Semotan, Selbstporträt

Am Weg zum Interview werde ich nervös. Diese Frau hat alles erlebt und gesehen. Sie zählt zu den berühmtesten FotografInnen der Welt, sie war mit dem enfant terrible der Künste, mit Martin Kippenberger verheiratet und davor mit dem Maler Kurt Kocherscheidt. Beide sind mehr oder weniger überraschend früh verstorben. Sie hat die größten Stars fotografiert, ist bff mit Helmut Lang. Momentan pendelt sie zwischen New York, Wien und Jennersdorf hin- und her. Zwei Söhne hat sie außerdem auch großgezogen.

Dass Elfie Semotan demnächst 72 wird, sieht man ihr nicht einmal ansatzweise an. Mit Elfie Semotan zu sprechen hat fast etwas heiliges und die gesamte FM4 Redaktion ist ehrfürchtig verstummt, als sie bei der Studiotüre hereingekommen ist. Für mich eines der interessantesten Gespräche, das ich je führen durfte.

Zur Person
Starfotografin Elfie Semotan wurde 1941 in Wels geboren. Zweimal war sie verheiratet: Der Maler Kurt Kocherscheidt, Vater ihrer beiden erwachsenen Söhne, starb 1992. 1996 heiratete sie den deutschen Künstler Martin Kippenberger. Er starb 1997. In den 70er-Jahren gelang ihr mit ihren Modefotografien der internationale Durchbruch.

Elfie Semotan, Sie haben eine Ausbildung zur Modedesignerin absolviert, als Model gearbeitet. In der Glitzerwelt zwischen NYC, Paris und New York gelebt. Ihre Modefotografien sind in internationalen Magazinen wie Vogue und Vanity Fair erschienen. Welcher Wunsch ist bis heute unerfüllt geblieben?

Also diese Art von Wünschen habe ich nicht. Ich wünsche mir nicht, eine besonders bekannte oder wichtige Person in einer besonders schönen Stadt zu fotografieren. Aber ich würde zum Beispiel gerne Japan und China besuchen. Dort war ich nämlich noch nie.

Dort waren Sie noch nicht? Das überrascht mich jetzt.

Nein (lacht)! Ich hatte es zwar öfters vor, aber es ist mir noch nicht gelungen. Ich finde die Mode von Rei Kawakubo (Comme des Garçons) sehr schön und sie ist eine sehr geheimnisvolle, zurückgezogene Person. Es würde mich freuen, sie kennenzulernen und zu fotografieren. Aber das ist jetzt nicht ein Wunsch, der ständig in meinem Kopf herumspukt.

Wenn Sie sagen, diese Art zu Wünschen haben sie nicht, wie drücken sich Wünsche dann bei ihnen aus?

Das sind eher Dinge, die sich im Laufe der Zeit herauskristallisieren. Vielleicht wehre ich mich auch einfach nur dagegen, irgendwelche Wünsche offen preiszugeben. Weil ich, so glaube ich, anders funktioniere. Bei mir ergibt sich ein Ding nach dem anderen und aus meiner täglichen oder Lebens- und Arbeitssituation heraus.

Was ja sehr ungewöhnlich ist! Gerade in unserem Zeitalter, wo alle sagen, dass man sehr zielorientiert denken muss. Ich denke da an die Unart vieler Menschen, einen 5-Jahres-Plan zu schmieden. Wie schafft man es ohne all den Wahnsinn, eine Weltkarriere hinzulegen?

Ja, ich kann ja nicht einmal ein Restaurant drei Tage im Voraus reservieren, weil ich nicht weiß, ob ich in drei Tagen dort noch hingehen möchte (lacht). Es ist schon so, dass ich eine bestimmte Sicht auf das Leben habe, auf die Arbeit oder wie ich etwas gerne haben möchte. Aber das beinhaltet nicht irgendwelche Wünsche, sondern eine Art, eine Möglichkeit zu arbeiten. Wenn ich zum Beispiel eine Modeserie fotografiere: Da bin ich sehr genau, bereite alles vor, habe ganz viele Wünsche, die ich mir erfüllen möchte. Aber nicht so Dinge à la, "den möchte ich unbedingt fotografieren" oder "darauf arbeite ich hin".

Elfie Semotan, Martin Kippenberger, aus der Serie „Flowers“ für "View on Colour", Wien 1996

Elfie Semotan

Elfie Semotan, Martin Kippenberger, Wien 1996

Sie wurden für viele Fotoserien weltberühmt. Hierzulande etwa für Palmers und Römerquelle. Alle Menschen loben immer ihren ganz besonderen Stil. Wie Sie mit Licht arbeiten, wie Sie mit Menschen arbeiten. Was ist der "eigene Stil" und wie entwickelt man ihn?

Ausstellung!

Elfie Semotan
Kunsthalle Krems

14/07 - 06/10/2013
Opening:
13/07/2013, 18:00

Der eigene Stil entwickelt sich von selbst, wenn man arbeitet. Der eigene Stil ist das Ergebnis dessen, was man weiß, was man berücksichtigt und dann als wichtig empfindet. Das hat immer mit dem zu tun, wie man lebt, wie man die Menschen sieht, was man mit ihnen anstellen möchte. Bei mir hat sich das sicher daraus entwickelt, dass ich früher gemodelt habe. Und dass ich die Position vor der Kamera als oft als sehr quälend empfunden habe, weil man der Person, die die Fotos macht, ausgeliefert ist.

Ich finde es ist ganz wichtig, dass man eine Beziehung zu der Person hat, die man fotografiert. Dass man helfend eingreifen kann, wenn es gewünscht wird. Oder sich zumindest gut aufgehoben weiß.

In der heutigen Zeit kann mittlerweile jeder schnell Fotos machen. Dank der digitalen Fotografie kann jeder und jede diesen Beruf mehr oder weniger ausüben. Begrüßen Sie das?

Im Prinzip begrüße ich das auf jeden Fall. Weil es eine große Freiheit bedeutet. Ich glaube aber, dass wir viel zu viele Bilder produzieren. Die kann niemand mehr verdauen. Aber junge Menschen machen sehr interessante Fotos, auch, wenn sie ununterbrochen fotografieren. Das hat man früher nicht gemacht, da hat man ganz spezielle Situationen gesucht und inszeniert. Man muss halt aufpassen, dass nicht alles zu beiläufig wird.

Ich glaube, das ist jetzt ein Stadium wo sich alle freuen, dass sie ganz einfach fotografieren können. Und irgendwann werden die Leute sagen, "was mach ich denn mit diesem Wust an Dingen?" Dann werden sie sich wieder verlangsamen. Aber es gab ja auch die Bewegung der street photography, wo man einfach auf die Straße ging und nicht mehr durch den Viewfinder geschaut hat, sondern einfach abgedrückt hat. Das hat die Sichtweise sehr verändert, weil man da Dinge fotografiert hat, die man sonst nicht fotografiert hätte. Ich finde, es haben viele Dinge einen Reiz, wenn man beschließt, sich mit ihnen zu beschäftigen.

Elfie Semotan Louise Bourgeois New York

Elfie Semotan

Elfie Semotan, Louise Bourgeois, New York 1998

Was würden Sie jungen Menschen raten, die diesen Beruf ausüben wollen?

Dass sie sich mit Licht beschäftigen sollen. Und dass sie nicht zu viel fotografieren sollen und das, was sie fotografieren, auch wirklich gut anschauen. Ich muss ehrlich sagen, es ist ganz schwierig für mich, Ratschläge zu geben. Ich finde, dass Ratschläge immer einengend sind. Ich möchte nichts sagen, was jemanden einengt, etwas zu sehen oder etwas gut zu finden. Weil mir Fehler auch sehr gut gefallen. Wenn sie etwas machen, dann sollen sie es ernsthaft machen und sich auch wirklich anschauen, was sie machen. Und dann werden sie schon entdecken, ob da etwas interessantes dabei ist.

Das erinnert mich an etwas, das Sie einmal gesagt haben: man darf sich gar nicht vornehmen, das Bild seines Lebens zu machen, sondern einfach nur gute Qualität liefern.

Ja, denn sich vorzunehmen, das Foto seines Lebens zu machen, ist oft ein großes Hindernis, weil man ängstlich wird. Weil man die Spontanität einschränkt. Das Foto seines Lebens will man machen, wenn man irgendeine bekannte Persönlichkeiten fotografiert. Die haben natürlich wenig Zeit. Man kann eben nur alles herrichten – ob das nun eine Lichtidee ist oder was anderes – und dann kann man warten und sagen „ok, was immer es wird, it’s just fine“! Und wenn er oder sie sich anders verhält als ich das dachte, dann wird es anders sein. Man muss total entspannt sein. Das beste Foto seines Lebens wird man unter diesen Umständen nämlich nicht machen. Vielleicht doch. Aber eher nicht (lacht).

Gibt es einen Menschen, wo Sie so richtig in einen Fotografierausch hineingeraten sind, wo sie gar nicht mehr aufhören wollten?

Ja. Zum Beispiel Benicio del Toro. Er war eine große Ausnahme unter den Stars. Er kam alleine, hatte irgendein Gewand mitgenommen und war vollkommen entspannt. Er hat sich den ganzen Nachmittag Zeit genommen, das erlebt man heute kaum noch. Aber das ist auch nicht so ein eitler Mensch. Das war großartig, weil er natürlich eine sehr starke Ausstrahlung hat und einfach toll zu fotografieren ist.

Elfie Semotan Franz West Wien 1990

Elfie Semotan

Elfie Semotan, Franz West, Wien 1990

Manchmal ist Fotografie wie eine Psychoanalyse. Weil man viele Dinge sieht. Und wenn man mehrere Menschen durch die Kamera sieht, erkennt man auch, wer welche Position hat oder wie die Positionen zueinander sind.

Wie sieht denn ein Tag im Leben von Elfie Semotan aus?

Die Tage sind total verschieden, weil ich ja gerade eine Ausstellung vorbereite (Telefon klingelt).

Da läutet auch gleich das Telefon, passend zum Stichwort!

(Lacht und dreht ihr Handy ab). Die Tage sind total verschieden. Ich könnte auch gerade am Land sein, unter einem Baum sitzen und ein Buch lesen. Aber ich arbeite eigentlich immer, jeden Tag.

Das klingt nach einem schönen Leben. Hätte man Sie mit einem nine-to-five Job locken können?

Auf gar keinen Fall. Ich habe das einmal gemacht, ich habe mit 20 neun Monate bei Gertrud Höchsmann gearbeitet. Das war ein Haute Couture Salon in Wien. Ich habe Frau Höchsmann sehr geliebt und respektiert und sie hat mir ganz viele Dinge nahegebracht. Es war nicht so, dass ich diese Arbeit gehasst hätte. Aber ich bin um acht da hin und dann um sechs weg. Und ich war total verzweifelt, habe oft irgendeine langweilige Arbeit gemacht, die ich nicht machen wollte. Das passiert mir jetzt kaum. Wenn ich eine langweilige Arbeit mache, dann ist es trotzdem eine Arbeit, die wichtig ist.

Wie haben sie sich denn da damals durchgesetzt, dass sie den Beruf an den Nagel hängen konnten? Das war doch noch damals noch ein richtiges No-Go, den Job hinzuschmeißen!

Ich habe mich durchgesetzt, weil mich niemand zu etwas zwingen konnte. Weil niemand für mich verantwortlich war. Meine Mutter ist aus Wien weggezogen und hat mir die Wohnung hinterlassen. Ich musste mir mein Geld selbst verdienen. Und so konnte mir niemand etwas vorschreiben und ich habe gemacht, was ich machen wollte. Ich wollte mich auf keinen Fall meinem Schicksal ergeben.

Was war in ihrem Leben bisher die größte Herausforderung?

Es positiv anzunehmen, dass man im Leben auf sich allein gestellt ist. Das fand ich damals schwer. Dass jede Entscheidung Auswirkungen auf das ganze weitere Leben und auf jede Beziehung, die man eingeht, hat. Das man darauf besteht, dass man für sich selbst verantwortlich ist. Selbst, wenn man gemeinsam ein Leben aufbaut.

Alle Interviews zum Nachhören gibt es hier:
FM4 zum Nachhören

Der Interview Podcast mit Elfie Semotan

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