Erstellt am: 25. 6. 2013 - 17:48 Uhr
Lieber quer denken als bequem liegen
Die Situation ist vertrackt. Man hat in Berlin ein großes Haus und einen ebensolchen Garten und kann beides doch kaum nützen. Weil man ständig unterwegs ist. Unterwegs sein muss, kann man in Berlin als Künstler ja kaum Geld verdienen, das aber wiederum für Haus und Garten dringend gebraucht wird.
Sicherheit, Besitz und Anerkennung begrenzen ein Leben, aus dem Danielle de Picciotto und ihr Mann Alex Hacke ausbrechen wollen. Dafür erstellen sie einen einfachen aber umso mutigeren Plan.
Danielle de Picciotto
Voller Euphorie treffen die Multimediakünstlerin und der Musiker in ihrem ersten Ziel ein – in Wien. Danielle schwärmt von den Lebensmitteln, die besser und günstiger als in Berlin sind, ebenso wie der öffentliche Verkehr und die Freibäder. Und trotzdem sei die Stadt nicht arm, wundert sie sich. Dass sie noch dazu Wiens kulturelles Angebot verglichen mit Berlin vielseitiger und auch günstiger empfindet, sei speziell allen Ewigraunzern gesagt.
Nach etlichen Stationen in Europa und Übersee verbringen die beiden auch einige Tage in Klagenfurt.
Danielle de Picciotto
Das Paar ist abwechselnd mit den Einstürzenden Neubauten und auch allein, als "Hitman's Heel" oder mit Lesungen, unterwegs. Mit ersteren steigen sie in den besten Hotels ab – privat haben sie kaum Kohle und müssen bei Freunden auf der Wohnzimmercouch übernachten. Der Unterschied könnte deutlicher nicht sein. Aber die beiden Nonkonformisten denken und leben lieber quer, als dass sie bequem liegen. Sehr sympathisch.
Danielle de Picciotto
Als Großstadtnomande sieht sich Danielle aber keineswegs: "Großstadtnomade ist ein moderner Begriff geworden, der mir aber zu modisch ist. Damit verbinde ich einen fünfundzwanzigjährigen Hipster mit Dreitagebart und einem interessanten Start-Up-Unternehmen."
Vielmehr sehen sich die beiden als Gypsies. Nicht zuletzt, weil die Frauen dort auch eine starke Rolle inne haben.
Danielle de Picciotto
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In dieser Mischung aus Tagebuch und Skizzenbuch erzählt Danielle von nervigen Situationen beim Reisen wie Übernachten auf dem Flughafen, grantigen Zollbeamten oder tropfenden Busdächern ebenso wie von ihrem Alltag.
Sehr schön, wenn Alex Hacke mit dem Slayer-T-Shirt Yoga am Strand macht.
Danielle de Picciotto
Danielle de Picciotto
Die Zeichnungen sind durchwegs Schwarz-Weiß. Mitunter wirken sie wie die Skizzen eines verträumten Teenagers. Schnörkel, Muster und Blumen umranden die meisten Seiten. Blumen liebt sie besonders - Danielle hat übrigens die Loveparade in Berlin mitbegründet…
Vom Mystischen wird sie denn auch immer wieder angezogen. Verträumt, verspielt, verzückt zeichnet sie und macht sich Gedanken über den Umgang mit Zeit, das richtige Reisen und das Gefühl des "Zuhause seins". Gerade sie als gebürtige Amerikanerin hat ihr Zuhause unzählige Male gewechselt und die Heimat von Alex - Westberlin - gibt es so nicht mehr.
Dass sie dieses Gefühl am richtigen Ort finden ist den beiden zu wünschen.