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25. 6. 2013 - 16:51

Streit um den "Jugendbeauftragten"

In Wiener Neustadt wird parteipolitisches Hickhack auf dem Rücken junger Menschen ausgetragen.

Im roten Wiener Neustadt fordert der schwarze Vizebürgermeister die Abschaffung der beiden "Jugendbeauftragten". Dieser Posten wurde vor vier Jahren von der SPÖ eingeführt, um jungen Menschen mehr Partizipation zu ermöglichen. Die Sozialdemokraten halten die jetzigen Forderung für eine „Retourkutschn“, weil eine VP-Gemeinderätin nicht an einer Diskussionsveranstaltung für Jugendliche teilnehmen durfte.

Am 7. Mai wollte Annegret Zwickl, Gemeinderats-Abgeordnete der ÖVP, das "Jugendforum" im SUB besuchen. Der Abend war für junge Menschen im Alter von 15 bis 25 gedacht. Die Politikerin aber wurde des Lokals verwiesen – mit der Begründung, dass das Jugendforum einen „geschützten Raum“ für die jungen Teilnehmer bieten solle. Vizebürgermeister Christian Stocker von der ÖVP ist empört: „Unsere Jugendgemeinderätin ist 29 Jahre alt. Warum gilt man mit 29 quasi als Erwachsener? Diese willkürliche Altersgrenze ist für mich nicht nachvollziehbar“.

Christoph Gausch

Christoph Gausch

Christoph Gausch

Einer der Veranstalter des Jugendforums ist Christoph Gausch. Er ist auch gleichzeitig einer der jetzt umstrittenen Jugendbeauftragten von Wiener Neustadt. Gausch sagt, er habe die Altergrenze so gewählt, weil auch die UNO Jugendliche als Personen von 15 bis 25 definiere. „Ich glaube, dass Jugendliche einen so geschützten Raum sehr schätzen, weil sie dann unter sich sind und nicht Angst zu haben brauchen, dass es lehrer- oder elternmäßig abläuft – dass also irgendwann einmal jemand einfach reinspringt und meint, das ist ja alles ganz anders und ihr habt ja alle keine Ahnung.“

"ÖVP-Gemeinderätin Annegret Zwickl erzählt 'fantastische' Dinge über uns, die jedoch in keiner Weise der Wahrheit entsprechen", schreiben die Sozialarbeiter. Hier gibt es die vollständige Stellungnahme der Jugendbeauftragten.

Für die ÖVP ist der Vorfall rund um das Jugendforum nur Spitze des Eisberges – die Schwarzen sind insgesamt mit der Arbeit der beiden Jugendbeauftragten unzufrieden. Jene 70.000 Euro, die der Personalposten pro Jahr kostet, sollten laut ÖVP besser an Jugendorganisationen direkt verteilt werden. Vizebürgermeister Stocker: „Wir haben jede Menge an Initiativen im Jugendbereich. Das beginnt bei den Pfadfindern, geht über die Kirchen bis zu den Studenten, den Arbeitern, den Lehrlingen. Es gibt Kulturvereine, Vereine die Jugendliche betreuen, auch der Sport darf hier nicht vergessen werden“.

Die vom Jugendforum ausgeschlossene VP-Abgeordnete Annegret Zwickl vermutet: „Offensichtlich haben die verantwortlichen Herren etwas zu verbergen und fürchten sich vor der Öffentlichkeit.“ Hier gibt es die Stellungnahme der JVP zu lesen.

Jugendbeauftragter Christoph Gausch hingegen verweist auf eine zwölf Seiten umfassende Liste der Projekte seit 2009: Skatehalle, Filmfestivals, Workshops, Open-Air-Festivals, Bälle oder das Medienprojekt „Megafon TV“. Gausch sieht sich außerdem als Ansprechpartner für jene Jugendlichen, die keiner bestehenden Organisation angehören. Denn auch in einer Stadt mit 44.000 Einwohnern gebe es viele Subkulturen: „Es ist ja nicht so, dass man als Jugendkultur-Verein oder als Gruppe von fünf Jugendlichen einfach ins Rathaus spaziert und sagt: ‚Wir hätten jetzt gern‘, und dann kommt jemand der sagt: ‚Ahja wirklich? Das machen wir sofort!‘ Sondern da braucht es jemanden, der sich dafür einsetzt.“ Darüberhinaus würden die Jugendbeauftragten Partizipation auch in Bereichen jenseits von Jugendkultur ermöglichen: „Wenn es zum Beispiel um den öffentlichen Verkehr geht, dann wird sich kaum eine Pfadfindergruppe dafür einsetzen, dass die Bustaktung an die Bahntaktung angepasst wird“.

Mittlerweile gibt es auch eine Petition zum Erhalt der Jugendbeauftragten.

Vizebürgermeister Stocker sagt, dass auch nach Abschaffung des Jugendbeauftragten die Vielfalt der Jugendkultur in Wiener Neustadt erhalten bliebe. Jugendpolitik hätte dort ja auch nicht erst vor vier Jahren begonnen, als die Funktion des Jugendbeauftragten eingeführt wurde, und sie würde nicht enden, wenn die Funktion abgeschafft werde. „Es geht um die Umschichtung von Mitteln für Personalkosten zu direkter Unterstützung der Initiativen“.

Die Gefahr, dass Jugendliche dann weniger Partizipationsmöglichkeiten hätten, sieht Christian Stocker nicht: „Vieles was hier gemacht wurde, wie zum Beispiel der Fun Park, der gerade im Stadtpark entsteht, braucht nicht unbedingt notwendig einen Jugendbeauftragten. Das kann man auch so organisieren“.

Über Jugendkultur, Partizipation und das Budget dafür wird morgen Mittwoch im Wiener Neustädter Gemeinderat weiterdiskutiert. Dann nämlich wird bereits über den Antrag der ÖVP zur Abschaffung der Jugendbeauftragten abgestimmt.

Nachtrag: Die Abstimmung im Gemeinderat ging 22 zu 18 gegen die Abschaffung der Jugendbeauftragten aus.