Erstellt am: 23. 6. 2013 - 18:13 Uhr
Hits, Hits, Hitz!
Donauinselfest 2013 zum Nachhören und -lesen:
- Tag 1 The Heat Is On
- Tag 2 The Heat Goes On
- Tag 3 Hits, Hits, Hitz!
Die gesammelte FM4 Redaktion ist supergut ausgeschlafen und hat wild geträumt: Von einem akrobatisch-herumhüpfenden Herrn Maximo Park zum Beispiel. Ihr habt sicher gestern die Nacht zum Tag gemacht und trotzdem stehen schon wieder zahlreiche Leute vor der FM4/Planet Bühne. Hut ab vor dem Durchhaltevermögen!
Christian Stipkovits | FM4
Donauinselfest Tag 3
Aber es zahlt sich auch aus, denn der letzte Tag auf der Planet-FM4-Bühne hat es noch einmal in sich, hier das Line-Up. Kommen Sie näher, strömen Sie herbei! Wir warten und sind gespannt wie ein Pfitschipeil.
14:00-14:30 | Mind.In.A.Box (3rd ROCK THE ISLAND-Contest Alternative/Elektronik) |
14:40-15:10 | Die ANALphabeten (2nd PLANET FESTIVAL TOUR 2013) |
15:20-15:50 | Coffeeshock Company (Winner PLANET FESTIVAL TOUR 2013) |
16:00-16:30 | The Golden Rabbit (Winner ROCK THE ISLAND-Contest Alternative/Elektronik) |
16:45-17:35 | Mile Me Deaf |
17:55-18:55 | Dear Reader |
19:20-20:20 | Großstadtgeflüster |
20:45-21:55 | Clara Luzia |
22:30-23:45 | Chase & Status |
Daniela Derntl über Mile Me Deaf
Das Donauinselfest hat alle Vorzüge eines Festivals, glücklicherweise ohne Camping-Mühsal. Einfach rein in die U-Bahn oder Straßenbahn und schon ist man da! Einen längeren Anreiseweg als die Wiener und Wienerinnen haben heute die Garagen Rocker von Mile Me Deaf. Sie kommen direkt von der Musikmesse C/O Pop aus Köln. Die Band hat die Strapazen der nächtlichen Reise allerdings besser überstanden als ihr Equipment. Das wurde ordentlich durchgeschüttelt, als sie, vermutlich mit 200 Sachen auf der Autobahn gebrettert sind. Dementsprechend lädiert waren die Gitarren und Effekt-Geräte, was längere Umbaupausen beanspruchte, die von Bassist Flo mit viel Verve und Witz kurzweilig gestaltet wurden. Nicht nur seine weißblonde Haarfarbe ist neu, sondern auch einige Songs und Gitarristin Laura Landergott, die gestern schon mit Die Eternias auf der FM4-Bühne gestanden ist. Es ist ihr zehntes Konzert bei Mile Me Deaf, einer Band, von der sie selbst schon lange ein Fan ist.
Im Soundpark-Interview mit Kollegin Alexandra Augustin hat Wolfgang Möstl verraten, dass jeder große Mile-Me-Deaf-Fan mit musikalischen Ideen und Ambitionen bei der Band mitmachen kann. Vermutlich werden sie dann in ein paar Jahren mit einem Orchester auf der Bühne stehen. Jetzt sind sie „noch“ zu viert und sorgen für einen fabelhaft entspannten Einstieg in den letzten Tag beim Donauinselfest. Das Publikum liegt faul im sonnigen Gras und erfreut sich an hingebungsvoll lauten und melodieverliebten Gitarrengeschrammel. Das nächste Album wird noch diesen Sommer im Studio von Patrick Pulsinger aufgenommen. Bis dahin kann man mit der neuen EP „Brando“ Vorlieb nehmen. Der Titelsong ist ein Tribut an Marlon „Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann“ Brando. Privat war der angeblich ein nicht so toller Typ, aber dem Song merkt man das zum Glück nicht an.
Eva Umbauer über Dear Reader
"This Fire Of Autumn" von den Tindersticks läuft im Hintergrund als Dear Reader sich für ihren Auftritt bereit machen. Earl Harvin, der Schlagzeuger der Tindersticks, der auch am aktuellen Album von Dear Reader an den Drums sitzt, ist heute leider nicht hier. Der Amerikaner, der in Berlin lebt, ist gerade busy, mit den Tindersticks. Dabei sind Schlagzeug und Stimme so ein wenig das Rückgrat am neuen Dear-Reader-Album. Aber auch das Piano. Cheri MacNeil - schwarze Jeans, schwarzes Oberteil, dunkle Sonnenbrille - geht zu ihrem Keyboard. "Hallo! Ich glaub, euch ist auch so heiß wie uns", sagt Cheri MacNeil. So heiß wie in Südafrika ist es, sagt Cheri, die aus Johannesburg kommt, aber seit ein paar Jahren nun schon in Berlin lebt. "Rivonia", das neue Dear-Reader-Album ist ein Konzeptalbum, das Südafrika zum Thema hat - die Geschichte des Landes, die Apartheid, Nelson Mandela.
"Danke, dass ihr da seid", meint Cheri MacNeil, "nicht für uns, aber trotzdem." Laufkundschaft vor der Bühne mit Dear Reader? Nein, Cheri, nein, wir sind especially for you hier. Mit "Man Of The Book" vom "Rivonia"-Album beginnen Dear Reader, und weiter geht es mit "Took Them Away", einem gänsehauterzeugenden Song über einen Tag in den 60er Jahren als das Hauptquartier des African National Congress, kurz ANC, gestürmt wurde, in Rivonia, jenem Stadtteil von Johannesburg, in dem auch Cheri MacNeil aufwuchs. Das Stück grooved gut. Es kommt gut, vielleicht oder gerade wenn man den Text nicht so gut kennt. Die Südafrika-Songs vion Dear Reader haben eine gewisse Schwere, die on stage aber nicht da ist, sie haben auch eine gewisse Leichtigkeit, obwohl man Dear Reader, besonders mit "Rivonia" ja grundsätzlich eher als eine Band für schöne Konzerthallen wahrnehmen kann und nicht so sehr als frühabendliche Festival-Stimmungskanonen.
Next up: "Dearheart", vom ersten offiziellen Dear-Reader-Album, das eigentlich schon das zweite war. Damals lebte Cheri MacNeil noch in Johannesburg. Violine. Und wieder die Trompete - von Emma Davies. Sehr hübsch. "Thank you", sagt Cheri MacNeil, und "Wie gesagt, es geht um Südafrika." Im nächsten Stück geht es um Seefahrer in Seenot, um jene Südafrika-"Entdecker". "Sie haben ein schönes Land gefunden", meint Cheri, "ob das eigentlich gut war, weiß ich nicht. Aber ist passiert." Zwei Keyboards jetzt - Cheri und Emma, und ein Song über die ersten freien Wahlen in Südafrika: "26.4.1994". Powerful. Dann die erste Single vom aktuellen Album - "Down Under Mining", ein Song über die city of gold, Johannesburg, und die Ausbeutung der Minenarbeiter; wieder eines der Dear-Reader-Stücke, deren inhaltliche Schwere den Song hier aber nicht "umbringt". Applaus.
Cheri MacNeil hängt sich das Akkordeon um. Es fällt ihr beinahe auf die Zehen. Hahaha. Da ist er dieser typische Cheri-Mac-Neil-Lacher, der diese sensible Künstlerin jedes Mal richtig geerdet zeigt. "Whale" vom letzten Album ist dran, jenem Longplayer mit all den Tieren: "Idealistic Animals". Bohoo, boohoo singt Cheri. "Whale" bleibt heute das einzige Stück vom "Idealistic Animals"-Longplayer. Der elephant kommt diesmal nicht vor, obwohl eine junge Frau vor der Bühne ein Kleid, auf dem Elefanten zu sehen sind, trägt und tanzt. Sam von Dear Reader - an Keyboards, Akkordeon und Violine, meint, er hat heute ein neues Wort gelernt: Affenhitze. "Monkey" von "Idealistic Animals" täte jetzt passen, es kommt aber das herrlich hibbelige "Cruelty On Beauty On" vom "Rivonia"-Album.
Dankeschön, sagt Cheri und leitet zum nächsten Song hin: "Already Are". Das Stück ist auf "Rivonia" ein Duett mit Konstantin Gropper von Get Well Soon. Da dieser heute aber nicht hier ist, übernimmt Sam von Dear Reader den Gropper-Part in diesem Song über einen "disillusioned cowboy and his girlfriend". Sehr schön. Wieder Applaus.
Zwei Gitarren jetzt: Cheri und Emma und "Bend" vom "Replace Why With Funny"-Album von 2009. Ein perfekter Popsong. Dann sagt Cheri schon, "Ich hoffe, wir sehen uns wieder - an einem kühleren Ort. Thank you for listening to us." Dear Reader verneigen sich mit "Victory" vom neuen Album: vier Stimmen und der warcry einer tollen Band, die bevor sie bescheiden von der Bühne huscht ihr komplettes Potential heute nicht ganz gezeigt hat, im Rahmen des Möglichen aber gut war. Bis bald, Cheri!
Grossstadtgeflüster
"Gross-Staub-Geflüster" nennen wir die Band nun intern. Vor der Bühne sammeln sich während dem Set der Berliner Band die Tanzwütigen und der trockene Boden erhebt sich in die Lüfte und hüllt alle Anwesenden in euphorischen Staub. Grossstadtgeflüster sind eine Party-Band sondergleichen. Die Stimmung ist perfekt und als mit Konfetti gefüllte Luftballone ins Publikum geworfen werden, kriegen wir vor der Bühne uns kaum noch ein vor kindlicher Freude. "Uns scheint die Sonne aus dem Arsch, wir sind erleuchtet." - Wir jetzt auch! Danke Grossstadtgeflüster!
Eva Umbauer über Clara Luzia
Ist sie das schon? Steht Clara Luzia schon auf der Bühne? Ja. Schnell hinsausen. Ich hab Clara Luzia Humpel schon länger nicht mehr live gesehen. Clara Luzia ist scheinbar alterslos. Weißes Ruderleiberl, Chinos, ein verhuschtes Lächeln, die E-Gitarre umgeschnallt, oder die semiakustische. Dazu eine Schlagzeugerin und eine Cellistin, und zwei Männer: an den Keyboards der Clara-Luzia-Stamm-Keyboarder, und am Bass ein "geliehener" Mann, weil der Clara-Bassist auf einer anderen Donauinselfest-Bühne spielt, mit dem Nino aus Wien. Die Cellistin ist besonders interessant: Heidi Dokalik - wie sie das Instrument meist perkussiv einsetzt, sehr schön etwa bei "No One´s Watching" vom aktuellen Album.
"With Headlights On", das erste Stück am neuen Clara-Luzia-Album, ist der Opener. Ob uns die Gelsen schon recht heimsuchen, fragt Clara nach ein paar Songs. Ach was, Gelsen, doch nicht hier, sag ich mir, gerade vom Land kommend, aus einer richtigen Gelsenlandschaft. "Monster In You" - auch vom neuen Album - kommt gut, mit dieser Sebadoh-artigen Gitarre. Anspannung, Entspannung, Anspannung, Entspannung. Mitklatschen. Ein good time Abend? Werden die Feuerzeuge noch kommen?
Der Titelsong vom neuen Album von Clara Luzia ist dran: "We Are Fish". "The tide is rising", singt Clara Luzia, "and everybody is lonesome here, and we are fish." Die Folk-Kammerpopperin schraubt am Effektpedal. Ein wenig nachjustieren damit es richtig laut werden kann. Wieder der tolle Perkussions-Effekt vom Cello und Claras Stimme - mit der sie längere Zeit an Problemen laborierte - almost drowned in sound. Das kommt gut. Dankeschön, sagt Clara Luzia Humpel und wechselt zur semiakustischen Gitarre. "Falling Into Place", der Titelsong vom letzten Album, ist dran. Dann fordert Clara Luzia zum Tanzen auf. Müsste sie nicht. Plaudern mit den Menschen, die gerade begeistert ihrer Musik lauschen, müsste gar nicht sein. Nein, wir wären nicht böse, wenn Clara gar kein Wort an uns richten würde. Next up: "Sink Like A Stone" vom letzten Album, von "Falling Into Place". Clara singt "and sometimes it´s just metaphors." Ein perfekter Sonnenuntergangssong, aber mit dunklem Unterton. Luftballons fliegen. Wer einen erwischt, tippt ihn einfach an. A blissful evening? Schon irgendwie. "The Scale" folgt, ein Publikums-Liebling, mit Zeilen wie "always been a fighter" und "you ask for liberation, you´re the slave of condemnation". Das findet auch ein Radio-DJ bei BBC-6 in London gut. Nächste Woche fliegt Clara Luzia samt Band nach London, auf Einladung von Radio-6.
Zurück zur E-Gitarre und die Stimme wieder beinahe drowned in sound. Sehr schön. Clara Luzia spielt "Leave The Light On" vom neuen Album. Zwei Songs noch: "The Menace Is My Head", die Bedrohung ist mein Kopf, das letzte Stück vom neuen Album; und dann noch ein Pixies-Cover: das hymnische 90er-Jahre-Stück "Gigantic". Selbst die Cellistin legt ihr Instrument zur Seite, singt stattdessen mit und springt. Hüpfen, hüpfen. Der Song - das Original jedenfalls - ist älter als viele der jungen Frauen, die mit leuchtenden Augen auf Clara und Band blicken. Einmal noch einen Luftballon antippen, und weg ist sie, die unprätenziöse Clara Luzia. Doch ein happy, blissful Abend auf der Donauinsel. Fast. So will es die Clara schließlich auch. P.S.: Noch ein Cover war übrigens dabei: "It´s A Sin" von den Pet Shop Boys.
Zum Abschluss: Chase & Status
Wer kann sich noch erinnern? Vor drei Jahren hat die mittlerweile eingestellte Drum´n´Bass Combo Pendulum den Besucherrekord vor der FM4-Bühne aufgestellt. Heute Nacht machen sich ihre guten Freunde von Chase & Status daran, dieses Höchstmaß zu überbieten. Nach Clara Luzia verteilt sich das Publikum wieder über die ganze Insel und kehrt später, mindestens fünfmal multipliziert wieder vor die Bühne zurück. Chase & Status sind keine Unbekannten, vor zwei Jahren haben sie die Nightpark-Kaserne beim FM4 Frequency eindrucksvoll implodieren lassen. Auf der Donauinsel spielen sie, im Gegensatz zu damals, mit Band und verwandeln damit ihren poppigen Dubstep und Drum´n´Bass in ein Live-Ereignis. MC Rage heißt nicht umsonst so: er flankiert als vollgeladene ABC-Waffe das aufziehende Bass-Geschwader.
Chase & Status zählen zur Zeit zu den größten UK-Bass-Music-Exporteuren und sind somit für die Dubstep-Infiltrierung des Mainstream Pop mitverantwortlich: Sie produzieren Beats für Rihanna, Jay-Z, Pharell Williams und Drake. Auch his Snoopness, Snoop Dogg hat per Myspace-Message angefragt, ob er „Eastern Jam“ als Grundgerüst für seine Nummer „Millionaire“ verwenden kann. Natürlich konnte er! Die bezahlte Werbung durch die prominenten Kollaborationen ist mittlerweile ein Selbstläufer, den Chase & Status auch als Durchlauferhitzer und Startrampe für unbekannte britische SängerInnen und MCs nutzen. Saul Milton und Will Kennard ist die patriotische Nachwuchsförderung wichtig. Sie sind unglaublich stolz, sich in die lange und erfolgreiche Musik-Tradition Englands einreihen zu dürfen und wollen ihren Kollegen aus dem Londoner Underground eine ähnliche Beachtung verschaffen. Ihre neue Single „Lost And Not Found featuring Louis M^ttrs“ kommt nächste Woche offiziell heraus. Das Album soll Ende des Jahres folgen. Chase & Status spannen über das wabernde Dubstep und Drum´n´Bass-Konstrukt eingängige Melodiebögen mit souligen Vocal-Parts und Raps. Manche Nummern sind derart dicht und aufgebauscht, man könnte meinen, es sind zwei Songs in Einem.
Gegründet wurde Chase & Status 2003, Saul und Will haben sich beim Studium an der Uni in Manchester kennengelernt. Damals waren sie „nur“ DJs, die gemeinsam Drum´n´Bass Tracks produziert haben und weil ihre Nummern so gut angekommen sind, haben sie das Studium geschmissen und sich aufs professionelle Produzieren konzentriert. Jetzt, zehn Jahre später fahren sie die Lorbeeren für ihre Arbeit ein. Dieses Wochenende haben sie auch beim Southside und Hurricane Festival in Deutschland gespielt, nächstes Wochenende sind sie einer der Headliner in Glastonbury. Sie sind also an die Riesen-Festivals gewohnt und haben für die vergleichsweise kleine Bühne beim Donauinselfest nur einen von zwei Sattelschleppern ausgeräumt. Das Publikum geht beim Konzert von Null auf Hundert.
Auf Wiedersehen Insel!
Chase & Status haben heute nicht nur ihren Auftritt zusammen mit dem Publikum gefeiert, sondern auch den Geburtstag von Will oder Saul, so genau konnten wir das nicht eruieren. Wir haben auch Geburtstag gefeiert, aber nicht den von Chase oder Status, sondern den von Kollegin Nina Hofer. Nicht nur deswegen war es ein richtig guter Sonntag auf der Donauinsel.
Drei fantastische Tage haben wir hinter uns mit vielen großartigen Bands, ihren fulminanten Live-Sets und jeder Menge Sonne. Aber das Beste wart wie immer ihr! Deshalb auch hier dieses wunderschöne Foto von euch, dem feinsten Publikum der Welt.
Christian Stipkovits
Wir sehen uns am Donauinselfest 2014!