Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "No class, no sexism"

Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

8. 7. 2013 - 18:10

No class, no sexism

Hoffentlich löst Congo Nattys Album "Jungle Revolution" ein ordentliches Jungle-Revival aus.

Irgendwann Anfang der 1990er Jahre kamen britische Kids auf die brillante Idee, Breakbeats schneller abzuspielen und in jamaikanischer Tradition drüber zu toasten. Zwei Breaks waren zentral bei der Geburt von Jungle: das "Amen"-Break und das Break von "Apache" der Incredible Bongo Band.
Dem "Amen"-Break, dem wichtigsten Sechs-Sekunden Loop der Geschichte, wurden ganze Bücher und auch diese Audio-Installation "Can I get an Amen" des britischen Künstlers Nate Harrison gewidmet:

Jungle wurde die Musik der karibischen Diaspora, implizit politisch, im Sinne des „move your ass and your mind will follow.“ Die Genrebezeichnung selbst kommt auch aus Jamaika, aus Kingston, genauer aus Tivoli Gardens, dem unfreundlichsten Teil Kingstons. Diese Siedlung wurde an einem Ort der Stadt errichtet, wo zuvor die kulturell wichtige Rasta-Siedlung Back-O-Wall war. Die Bewohner wurden gewaltsam vertrieben und in den 1960er Jahren wurde Tivoli Gardens errichtet, das bis heute als ein Zentrum des Drogenhandels - aber auch als ein Ort des Widerstands gegen die korrupten Autoritäten gilt.
Die von den Kids in London für ihre Musik erwählte Bezeichnung Jungle, stammt wahrscheinlich, neben vielen anderen Konnotationen, auch aus Tivoli Gardens, wo sich Gang-Mitglieder als Jungelists bezeichneten.

Verbreitet wurde Jungle in den 1990ern über Piratenradios, die Platten wurden selbst gepresst - von kleinen, unabhängigen Labels. Die jamaikanische Dubplate Kultur, also, dass Artists, Nummern als spezielle Widmung für Djs und Soundsysteme aufnehmen, fand auch Eingang in diese Szene. Jungle war Underground und Jungle war Widerstand, wie Congo Natty aka Rebel MC betont, der seine Karriere in den frühen 1980ern als Teil der - die Charts stürmenden - Hip-Hop-Crew Double Trouble begann.

"Jungle was there from creation. Jungle was the Wailers. We were given it to be the final generation to have something of the slavery. Reggae music is the same. It came to Jamaica for a purpose. And the purspose was to save peoples souls. It saved my soul: I´m a son of Reggae and a son of Hip Hop. So Jungle was taking this journey but this time it´s from the UK."

Die Produktionsbedingungen wurden mit verfügbarer Technologie musikalisch reiner, druckvoller und klarer. Die karibischen Einflüsse verschwanden und Jungle morphte in den Händen von Producern wie Goldie, Mickey Finn, Zinc, der übrigens einer der wenigen ist der, bis heute die Jungle-Fahne hochält, zu Drum n Bass. Und auch mein kleines Herz, das ewig zu der rohen Energie von Junglebeats schlagen wird, zerbrach, als Drum n Bass die Herrschaft übernahm. was nicht heißt, dass ich nicht auf einer Million DnB Veranstaltungen herumgelungert bin und mir schneller abgespielte Amenbreaks statt Killer Basslines herbeigesehnt hätte.

big dada

Nein, ganz so schlimm ist es nicht. Ich war 2011 beim Outlook Festival in Kroatien und Congo Natty spielte auf der Hauptbühne. Mit Dreadlocks, Turban und Räucherstäbchen vertreibt der würdige, ältere Rasta auf der völlig erleuchteten Bühne seelenruhig minutenlang die Evil Spirits. Und als der erste Beat einsetzt, beginnen 10 000 Teenager, die nie und nimmer die 90er erlebt haben, gleichzeitig auf und ab zu hüpfen. Sehr ergreifender Moment: doch nicht alles vorbei und vergessen, vielleicht gibt es doch irgendwo eine hypothetische Chance, dass Babylon fällt. Ich habe mich sehr gefreut, als vor ein paar Wochen Congo Natty alias Rebel MC als Vorbote zu seinem Album mit einem Track aufgetaucht ist, der eine Hymne und Verbeugung an all die Artist und Jungle Crews ist, die ihre Mission seit den 90ern durchziehen.


"Jungle Revolution" von Congo Natty ist bei Big Dada erschienen und löst hoffentlich bitte bitte ein fettes Jungle Revial aus. Producer wie Machinedrum deren Soundästhetik sehr im Hier und Jetzt gründet, haben Remixe gemacht und hört man von Congo Natty, warum diese Jungle so klingt, wie sie klingt und was das Wesen dieser Kultur ist, die Abseits von Hype-Konjunkturen die letzten 20 Jahre überlebt hat, dann klingt das nach etwas, was wir im Moment dringend brauchen. „There is no class thing, there is no sexism. It´s just people and it´s the same for all musical revolutions: people get together and suddenly the gouvernments realize this is a threat. We gonna have to get rid of them. We gonna have to mash them down. So this is why they fight this music. It is anti gouvernment.“