Erstellt am: 21. 6. 2013 - 19:07 Uhr
The Heat Is On
Donauinselfest 2013 zum Nachhören und -lesen:
- Tag 1 The Heat Is On
- Tag 2 The Heat Goes On
- Tag 3 Hits, Hits, Hitz!
"The Heat is on." Ich hatte ja gehofft, dass dieser Satz heute nur für die Donauinsel zutrifft, wo die Sonne erbarmungslos auf das Publikum runterknallt. Doch dafür hätten die NBA Finals gestern anders ausgehen müssen, die San Antonio Spurs hätten sich nicht drei Turnovers in den letzten zwei Minuten leisten dürfen und LeBron James wäre seine MVP-Auszeichnung los gewesen. So haben die Miami Heat ihren Titel verteidigt, ihr Franchise-Slogan schallt durch sämtliche Social-Media Kanäle und auch auf der Donauinsel tragen einige stolz das Miami-Dress spazieren.
FM4 / Simon Welebil
Vor unserem Redaktionscontainer hingegen dominieren andere Farben und auch über "alle außer Heat" ist man sich schnell einig. Aber Schluss jetzt mit dem Rant, auf der Bühne spielt es die interessanteren Stücke.
FM4
Basketball ist die eine meiner alten Lieben, die andere ist HipHop und nirgendwo kann man besser eine alte Liebschaft wieder aufwärmen als am Freitag beim Donauinselfest. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass der Anteil an heimischer Musik am HipHop-Tag jemals so hoch war wie heute: Sechs österreichische Acts stehen auf der Bühne, selbst Fivas Phantomorchester wird von heimischen Musikern infiltriert. Bizarre Ride II the Pharcyde bringen dann noch die internationale Note, die den Abend abrunden soll. Apropos rund: Das Donauinselfest feiert ein 30-Jahr Jubiläum, die Donauinsel selbst 25 Jahre Fertigstellung und Texta sind 2013 seit 20 Jahren eine Band.
Hier das gesamte LineUp im Überblick.
17:00-17:30 | Diese Gute (Winner ROCK THE ISLAND-Contest Hip-Hop) |
17:40-18:05 | T-Ser |
18:15-18:40 | Andi & Alex |
18:50-19:20 | Monobrother & Die Bagage |
19:30-20:05 | AGeh wirklich? |
20:30-21:15 | Fiva & Das Phantom Orchester |
21:35-22:25 | Bizarre Ride II the Pharcyde |
22:45-00:00 | 20 Jahre Texta feat. SK Ambassadors |
T-Ser
Der junge Salzburger T-Ser hat letztes Jahr seine erste Platte "Austrophobie" herausgebracht, auf der er smart über die Fremdenfeindlichkeit in Österreich rappt. Hier fällt ihm die Aufgabe zu, das Publikum gedanklich aus dem Freibad in Kopfnick-Modus bringen, unterstützt wird er dabei von Demolux. Sein extrem kurzer Slot wird zusätzlich noch von einer Video-Grußbotschaft des Wiener Bürgermeisters unterbrochen, weshalb T-Ser sich die Bühnenansagen spart, um mehr Tracks bringen zu können.
Andi & Alex
Nachdem ihre Kochshow höchstwahrscheinlich abgesagt wird ist es gut, dass Andi & Alex mit HipHop noch ein zweites Standbein haben (der musste jetzt sein). Auch auf ihrem zweiten Album, dem noch ganz frischen "Blues", lassen die Linzer Brüder mit ihren Lebensbeobachtungen aufhorchen. In der FM4-Morningshow hat Alex heute schon angekündigt, dass sie ihr Liveset extra für das Donauinselfest verändert haben. Statt nur mit DJ treten sie mit vierköpfiger Band auf, was ihrem Sound noch das gewisse Extra gibt.
Dass der Trompeter dann vor lauter Springen sein Mundstück verliert zeigt von seinem Einsatz und die Gitarrenriffs bei "Grauer Star" bringen das Publikum erstmals zum Hüpfen. In erster Reihe steht der Support aus Linz, der dann vor allem abgeht, als Huckey und Laima von Texta zur Unterstüzung auf die Bühne kommen. "The Big L", die Linzer Anti-Hymne bringt auch die Wiener zum Schmunzeln.
Monobrother
Der erste Wiener auf der Bühne kann schon ein größeres Publikum begrüßen. Auch die Lautstärke geht einiges rauf, die Bässe bringen den Redaktionscontainer zum ersten Mal zum Erzittern. Monobrother glänzt mit ausgereifter Raptechnik, die er auch in seinem aktuellen Album "Modernisierungsverwirrter" ausstellt. Auf der Bühne hat sich der grantige Precario Support von der Wiener Crew Wienzeile geholt, gemeinsam sind sie die Generation "Iwaasimmanoned". Die Zugabe beginnt mit einem STS-Sample: "heit muas I mir's wieda gebn".
AGeh wirklich?
AGeh wirklich? und seine Havara kehren dann wirklich die "originalen" Wiener raus, sollte es die überhaupt (noch) geben. Im breitesten Dialekt geht es ihnen vor allem darum "Wuchteln" zu droppen, eingängig und lustig. So wird auch der alte Krocha-Slogan "Bam Oida, fix" in Reimen verarbeitet. Während die Sonne sich rot verfärbt und am Horizont verschwindet wird noch mal der "Supasumma" mit seinem geilen Summawetta besungen, das allerdings von der massiven Wolkenfront, die aufzieht, langsam in Frage gestellt wird. Aber "samma uns ehrlich", mit einem Gewitter muss man beim Donauinselfest fast immer rechnen.
Fiva & Das Phantom Orchester
Wenn ich bis jetzt darauf aus war, möglichst viel Neues kennenzulernen, ändert sich mit dem Auftritt von Fiva alles. Die einzige Frau, die heute auf der Bühne ist, ist mein erstes Highlight des Abends, und nicht nur meines, wie es scheint. Der Platz vor der Bühne ist voll, so voll, dass sich mittlerweile auch die bewährten "Ich-sag-ihr-sagt-Spiele" ausgehen. Fiva beginnt vom ersten Moment an die Kommunikation mit ihrem Publikum. Sie erzählt von ihren U-Bahn-Fahrten in den letzten Tagen, in der ihr die Jammerei über die Hitze nicht entgangen ist. Wie kann man sich nur über Gutes Wetter aufregen, wundert sie sich und schmettert "Komm mal klar" ins Publikum. Das Echo kommt brav zurück.
Fiva bringt Storytelling-HipHop vom Feinsten. Mit viel Humor erzählt sie Geschichten über die Kleinkünstler Hackbrett Schorsch und Melody-Mandy und webt immer wieder aktuelle Begebenheiten ein. Bei "Frühling" beginnt sie plötzlich zu freestylen. Ausnahmslos alle scheinen sich bei Fivas Konzert wohlzufühlen. Stephan Kondert hat seinen ersten Auftritt des Abends am Kontrabass und DJ Phekt, der bei zwei Tracks an den Turntables steht, wird von ihr aufgezogen: "Legst du mir Musik auf, bitte?"
"Fiva gibt einem das Gefühl, dass man gerade das wichtigste Publikum auf der Welt ist", meint Kollegin Kathi Seidler neben mir. "Sie ist so charmant zu den Leuten." Der Charme, der ihre Radiosendung Fivas Ponyhof auszeichnet, schlägt auch beim Publikum durch. "Gehört die Stadt wieder mir?" schreit sie fragend ins Publikum, bevor sie ihren Hit spielt. Als Antwort darauf flippt das Publikum zum ersten Mal aus. Die Stadt gehört ihr, definitiv.
Bizarre Ride II the Pharcyde
Wenn man sich wo nicht auskennt, dann soll man das zugeben, heißt es immer, und im Fall von The Pharcyde muss ich mich als Laie bekennen, der allerdings auf ein Briefing des Kollegen Trishes zurückgreifen kann. The Pharcyde von der US-Westküste waren in den fürhen 90ern riesig groß, erzählt er mir, bis sie sich zerstritten und getrennt haben. Jetzt gehen beide Teile wieder auf Tour, einer unter dem Originalnamen The Pharcyde, der andere Teil ist hier. Da sie nicht über die Namensrechte verfügen treten sie auf der Donauinsel unter dem Titel ihres ersten Albums auf "Bizarre Ride II the Pharcyde".
Der Name ist gleichzeitig Programm, denn sie spielen das Pharcyde-Debütalbum von hinten bis vorne durch. Das Setup erscheint zwischen zwei Acts mit Band sehr old-school, drei MCs und ein DJ, passt aber natürlich zum Album. Teile der Original-Videos erscheinen auf den Visuals von Zden, die jetzt bei Dunkelheit ihre volle Wirkung entfalten.
Mitten im Konzert klettern ein paar Breakdancer aus dem Publikum auf die Bühne und die MCs machen Platz für deren Perfomance, die sie mit High-Fives abfeiern. Beim Finale sind sie überflüssig, denn bei "Runnin" braucht die Crowd keine Ablenkung mehr. Alle Hände sind in der Luft.
Texta
Nach der großen Unbekannten The Pharcyde fühle ich mich bei Texta geradezu wohl. Keine Band habe ich öfter gesehen als die Linzer Crew, keine hat mich länger begleitet. 1993 hat sich die Band gegründet, 1995 ihre erste EP "Geschmeidig" veröffentlicht. Als sie zwei Jahre später "Gediegen" veröffentlicht haben, sind sie zum ersten Mal auf meinem Radar erschienen und bei einem Konzert in einem winzigen Club in der Tiroler Wildschönau habe ich sie zum ersten Mal live gesehen. Aber ihre Geschichte sollen Texta lieber selbst erzählen.
Video von Katharina Seidler
Seither sind an die zwanzig weitere Konzerte von Texta oder den Soloprojekten der Jungs dazugekommen und seit sie live oft auch mit den SK Invitationals, bzw. hier in der kleinen Besetzung SK Ambassadors zusammenarbeiten, sehe ich sie umso lieber. Nicht nur wegen Lylits Bühnenpräsenz (die übrigens neben Fiva die einzige Frau auf der Bühne ist), sondern weil die Live-Musik die Tracks einfach ungemein aufwertet. Bandleader Stephan Kondert springt an der Bassgitarre nicht nur wie ein Gummiball, sondern bringt auch einen Drive rein, der alle reinzieht.
Mit "Text vs. Autor vs. Hörer" betreten Texte die Bühne und sofort springt der Funke aufs Publikum über. In der 20-jährigen Bandgeschichte hat sich ein riesiger Trackfundus angesammelt, aus dem sich die Linzer bedienen können. "Laimas Dimension" wird etwa ausgegraben, genauso wie "Neinsager" und mit "Koida Kaffee" rufen sie nochmal ihre Verdienste für den Mundart-HipHop in Erinnerung.
"So schnö kaust gor net schaun", wie die Zeit vergeht. Texta bedanken sich für 20 Jahre HipHop in Österreich und verlassen die Bühne. "Vielleicht in 20 Jahren wieder", meinen sie. Doch kein Headliner kommt ohne Zugabe aus, auch wenn die Uhr schon die Zwölfe überschritten hat. Als Mitternachtseinlage folgt noch ihr Bandbeziehungsdrama "You're driving me wild", dessen Video übrigens eines ihrer schönsten ist, und als krönender Abschluss ihr vielleicht erfolgreichster Song - und für mich ihr bester - "Sprachbarrieren": "Wir wollen nix von eich, nur vastonden wean" - eine Textzeile zum Unterschreiben.
Simon Welebil