Erstellt am: 24. 6. 2013 - 07:07 Uhr
Yeezusmarandjosef!!!
Kanye West ist gerade FM4 Artist of the Week!
Von den ersten Tönen an ist klar: Yeezus wird kein ruhiger Limousinen-Ausflug auf der Autobahn, sondern es wird hier die kommenden 40 Minuten rumpeln wie auf jamaikanischen Landstraßen. Der Opener On Sight versammelt scheinbar all den akustischen Schmutz und die Kanten, den Daft Punk ihrem eigenen Album abgeschliffen haben: Verzerrte Synthesizer und alte Drumcomputer bilden die Unterlage für Kanye-isms am laufenden Band, rotzige Reime übers Keinen-Fick-geben, und darüber, wie er den anderen Typen die Ehefrauen ausspannt. Dann abrupter Zapp auf einen süßlichen Gospelkanal - und wieder zurück.
Kanye West
Der HipHop-Lesekreis hat auch über New Slaves diskutiert!
Das ist in mehrerlei Hinsicht symptomatisch für dieses Album: Konzentration ist nämlich nicht seine Stärke, weder musikalisch, noch inhaltlich. Auch New Slaves, einer der ersten Songs, die wir zu hören bekamen, leidet unter dieser Art von Aufmerksamkeitsdefizit. Kanye bringt mit Aussagen über Rassismus oder die mit der privatisierten Gefängnisindustrie verbandelte Drogenpolizei sehr wichtige Punkte an, bevor er zu verbalen Attacken auf Paparazzi, die High Society in den Hamptons und andere imaginäre Feinde abdriftet. Tiefpunkt ist der Refrain mit der Zeile: I'd rather be a dick than a swallower.
Wenn man nachliest, was Produzenten-Guru (und nur er wird diesem viel zu häufig verliehenen Prädikat wirklich gerecht) Rick Rubin über die letzten drei Wochen der Arbeiten an Yeezus erzählt, wird auch klar, warum die Lyrics oft so banal ausgefallen sind: Zwischen baby shower und einem Flug nach Mailand mussten da schon mal drei Songtexte geschrieben und ein paar mehr aufgenommen werden. Und bei Songs, die vermeintlich große Themen behandeln, wird Kanyes sonst oft durchaus sympathische impulsive und wenig durchdachte Art zu rappen, plötzlich zur Schwäche.
Die Entscheidung, für Blood On The Leaves den tragischen Billie Holiday Song "Strange Fruit" (in der Version von Nina Simone) über die Lynchjustiz an Afroamerikanern zu samplen, um dann in den Raps mit diversen Liebschaften und Groupies abzurechnen, fällt definitiv in die Kategorie 'geschmacklos'. Und auch musikalisch will die Kombination von melancholischen Pianos, Autotune-Gesang und TNGHTs hektischen Rave-Fanfaren nicht so ganz aufgehen.
Kanye West
Wie an dieser Stelle schon mehrmals ausgeführt, gibt es bei Kanye West leider meistens einen entscheidenden Unterschied zwischen Vision bzw. (Über-)Ambition und Endresultat. Das Konzept, unter Rick Rubins entschlackender Hand und mit Co-Produzenten wie Daft Punk, Hudson Mohawke, Bon Iver oder S1 ein reduziert-übersteuertes und wütendes Industrial-Rap-Monster mit jamaikanischer Schlagseite zu schaffen, klingt auf dem Papier nach einer überaus interessanten Idee. Auf Tonträger krankt Yeezus aber leider am Zu-viel-wollen (Musik) und Sich-zu-wenig-bemühen (Text).
Das ist so schade, wie es irgendwie auch zu erwarten war. Man kann Kanye West seine Trendsetting-Fähigkeiten (es gibt mittlerweile ganze R&B/Rap-Subgenres, die im Grunde noch immer 808s & Heartbreaks nacheifern) positiv anrechnen und sich auch berechtigt darüber freuen, dass er mit jedem seiner Projekte hoch hinaus will und sich musikalisch selten wiederholt. Fakt ist aber auch, dass seine letzten 3-4 Alben maximal eine Handvoll Songs hervorgebracht haben, die über den ersten Hype hinaus Bestand hatten. Wir können also gespannt sein, was vom Yeezus bleibt...