Erstellt am: 21. 6. 2013 - 15:00 Uhr
Freestyle Forschung auf der Couch
Simon Schnetzer: Jede/r dritte Deutsche zwischen 18 und 34 ist arbeitslos oder prekär beschäftigt. So wächst eine Generation heran, die Entscheidungen wie Kinder kriegen und sesshaft werden auf die lange Bank schiebt und für die Rente das Prinzip Hoffnung anwendet. Ich finde, es fehlt die Vertretung unserer Interessen in gesellschaftlichen und politischen Prozessen.
Der gelernte Volkswirt, Social Entrepreneur und Aktionsjugendforscher macht sich also auf den Weg und startet ein Projekt, das sich mit der Lebenssituation junger Deutscher auseinandersetzt. Aber er will nicht einfach eine Umfrage machen, sondern den Menschen gegenübersitzen und stehen. Dort wo sie leben und arbeiten.
Simon: Meine Motivation, um jugendforscherisch aktiv zu werden, war und ist es immer noch, den Interessen junger Menschen eine Plattform zu geben, die junge Menschen befähigt politisch mitzureden, ohne erst in eine Partei eintreten zu müssen. Es soll um Themen, unsere Themen, gehen und nicht um politische Grabenkämpfe.
simon schnetzer
Am Anfang wollte ich mit einer Dokumentarfilmerin gleich international arbeiten - was aber nicht funktioniert hat. Erst mal auf nationaler Ebene ausprobieren, was man vorhat und ob das funktioniert ... dann weitersehen. Der Vorläufer von "junge Deutsche" ist das "What Will We Be - Project". Hier kannst du einen kurzen Trailer auf sehen: whatwillwebe.com/trailer.
Nachdem ich nun schon zwei Mal "junge Deutsche" in 2010/11 und 2012/13 durchgeführt habe, sind wir jetzt also bereit, international zu werden: next stop Young Europeans.
Was, wie und warum wollen junge ÖsterreicherInnen?
Simons erste Station in Österreich ist das FM4 Jugendzimmer. Dort erzählt er heute abend ab 19 Uhr von seinen Erfahrungen und sucht MitstreiterInnen und GastgeberInnen für eine Couchsurfingtour durch Österreich.
Simon: Es muss nicht gleich "junge Österreicher“ sein, vielleicht erstmal in Graz, Linz oder Dornbirn?
Die Methode: Forschungsstation Couch
Simon: Bei meiner ersten Tour war ich ganz allein und bin in zwei Monaten 3.000 km durch Deutschland geradelt und couchgesurft und habe für die Studie "junge Deutsche 2011" deutschlandweit alle Teilnehmer_innen der Studie in einen Topf geworfen und Zahlen herausgezogen.
Bei der zweiten Tour habe ich die Methodik weiterentwickelt, um die Anliegen junger Menschen lokal zu erfassen. Mit finanzieller Förderung von Jugend in Aktion und mit Unterstützung der Servicestelle Jugendbeteiligung konnte ich in Städten mit engagierten Jugendlichen Interviewer-Workshops durchführen und diese selbst zu Jugendforschern machen.
Für Beteiligung und Engagement bedarf es meiner Meinung nach eine gewisse Betroffenheit und den Glauben daran, dass es was bringt. Auf der lokalen Ebene ist es einfacher, um mit den Ergebnissen einer Studie Wirkung zu erzielen. Besonders spannend wird es natürlich, wenn viele Städte an der Studie teilnehmen, herausfinden wie lokal das Leben und Erwachsenwerden junger Menschen besser werden kann, und sich dann mit den anderen Städten über Lösungsmöglichkeiten und gemeinsame Strategien austauschen - dafür haben wir im März ein nationales Symposium in Berlin durchgeführt.
Von dem Symposium gibt es übrigens auch ein schönes Video (allerdings über 10 Minuten).
simon schnetzer
Simon: Dass das, was ich tue, alles andere als konventionell ist, war mir klar (eher so free-style-Forschungsansatz) - wird aber immer professioneller. Dass ich damit Geld verdienen könnte, wurde mir erst bewusst, als ich meine erste Studie veröffentlichte und mich eine Gewerkschaft, SOS-Kinderdörfer weltweit oder Google fragten, ob ich für sie nach einem ähnlichen Schema Studien durchführen kann.
Zentrales Anliegen bei allen Studien von Simon Schnetzer ist: die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aus der Sicht junger Menschen auf den Prüfstand zu stellen, Missstände in Zahlen und Geschichten darzustellen und Empfehlungen für konkrete Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Was würdest du vermissen, wenn es kein Internet mehr gäbe?
Eine aktuelle Studie, an der ihr teilnehmen könnt, betrifft die interessante Frage: Was würdest du am meisten vermissen, wenn es morgen kein Internet mehr gäbe?
Simon: Bei toleranzonline.de geht es darum, das Internet zu einem sicheren und toleranten Ort zu machen. Es ist so ein wichtiger "Sozialraum" für junge Menschen, aber durch die Möglichkeit, anonym anderen Respektlosigkeiten vor den Latz zu knallen, müssen wir sichere Rahmenbedingungen schaffen und für tolerante Umgangsformen werben. Wie das möglich ist entscheidet ihr mit. Und zusammengefasst in einer Zeile: Was ich mache macht Spaß, ich hoffe wir können das bald auch in Österreich machen.
Die Studie "Junge Deutsche" ist im Netz nachzulesen und übrigens teils über Crowdfunding finanziert jungedeutsche.de/junge-deutsche-2011.
Im FM4 Jugendzimmer
Simon war am 21. Juni bei Elisabeth Scharang im FM4 Jugendzimmer zu Gast. Hier bis 28. Juni zum Nachhören.