Erstellt am: 20. 6. 2013 - 18:51 Uhr
Rund um Europa nichts Neues
23.000 Menschen müssen jeden Tag ihr Zuhause verlassen. Ihre notwendigsten Sachen packen und flüchten.
23.000 Menschen, das die Einwohnerzahl von Amstetten. Ein ganze Österreichische Bezirkshauptstadt, jeden Tag. Im vergangenen Jahr hat die Anzahl der Flüchtlinge einen Rekordwert erreicht. Das UNHCR - die UNO-Organisation, die sich weltweit für Flüchtlinge einsetzt - spricht von 45,2 Millionen Menschen, die auf der Flucht sind. Die Gesamtzahl der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen ist demnach innerhalb eines Jahres von 42,5 auf 45,2 Millionen gestiegen, soviele wie seit 20 Jahren nicht.
Die Krisenherde sind Afghanistan, Somalia, Irak, Syrien und Sudan. Fast jeder zweite Flüchtling ist noch minderjährig. Wie in jeder Krise werden zuerst die Kinder weggeschickt, in eine ungewisse Zukunft. Im aktuellen Bürgerkrieg in Syrien ist das ebenfalls zu beobachten. In Lagern in Jordanien, dem Libanon, Irak und der Türkei warten sie auf ein Lebenszeichen von ihren Eltern.
Festung Europa
Die Hauptlast der großen Flüchtlingsströme tragen die Entwicklungsländer. Nach Europa schaffen es die wenigsten. Insgesamt erkannten die EU-Staaten im Jahr 2012 von 407.270 Antragstellern 77.295 Asylbewerber in erster Instanz als schutzberechtigt an. Und so leben 81 Prozent der Flüchtlinge weltweit in Entwicklungsländern. Vor einem Jahrzehnt waren es lediglich 70 Prozent. Ein gutes Beispiel ist hier der Libanon. Das Land in der Größe von Oberösterreich hat etwa 400.000 Flüchtlinge aufgenommen. Österreich hingegen will keine Flüchtlinge aus den Lagern rund um Syrien aufnehmen.
APA/Helmut Fohringer
Situation in Österreich
In Österreich hat es Ende 2012 laut Innenministerium 21.814 offene Asylverfahren gegeben. Diese Zahlen beruhen auf der Statistik des Bundesasylamts. Zu den offenen Asylverfahren sind im laufenden Jahr bis April 5.011 neue Asylanträge dazu gekommen. Die Menschen, die diese Verfahren angestrebt haben kommen aus 66 Staaten. Angeführt wird die Liste von AsylwerberInnen aus der russischen Föderation, in der Regel aus dem Kaukasus, zum Beispiel Tschetschenien. Weitere große Gruppen kommen aus Afghanistan, Syrien und Pakistan.
Den laufenden Verfahren stehen (zum Stichtag 30. April ) 5.215 Asylverfahrensentscheidungen gegenüber. Zwei Drittel dieser Entscheidungen waren negativ. Für 2.044 von ihnen in zweiter Instanz. Nach so einem negativen Entscheid beginnen in der Regel die Mühlen der Verwaltung und Fremdenpolizei zu laufen. Zunächst wird versucht auf eine freiwillige Rückkehr „hinzuwirken“ wie es im Jargon heißt, wenn das nicht hilft und kein subsidiärer Schutz gewährt wird, wird abgeschoben.
MUH
Pakistan: Sicher für wen?
Auch in Länder, die alles andere als sicher sind, wird abgeschoben, sagt Heinz Patzelt von Amnesty International.
Eines dieser umstrittenen Länder ist Pakistan. „Pakistan gilt in Österreich noch immer als unproblematisches Herkunftsland, wo man jederzeit Menschen zurückschicken kann, gleichzeitig gibt es eine Reisewarnung für ÖsterreicherInnen vom Außenministerium. Da sieht man wie mit doppeltem Maß gemessen wird."
Diese Reisewarnung findet man auf Internetseite des Außenministeriums. Dort steht, dass man nicht in die nördlichen Stammesgebiete und die Kashmir-Region fahren soll. Für den Rest des Landes bestünde eine hohe Sicherheitsgefährdung. Und: Die Sicherheitslage in Pakistan ist besorgniserregend. Warum gilt das für Österreicher aber nicht für Flüchtlinge? Heinz Patzelt: „Das ist absurd, bizarr und lächerlich. Natürlich kann man es erklären: das Außenministerium nimmt das sehr ernst, weiß auch gut über die Länder Bescheid durch die jeweiligen Konsularabteilungen und möchte keine Schwierigkeiten haben. Das Innenministerium sieht es ausschließlich aus der Perspektive: wie werden wir möglichst rasch, möglichst viele wieder los.“
Bei negativem Asylbescheid kann allerdings nur mit gültigen Reisezertifikaten aus Pakistan abgeschoben werden. Diese müssen von der Botschaft in Wien ausgestellt werden. Derzeit werden diese aber nur selten ausgestellt. Wenn die Menschen dann nicht freiwillig zurückkehren oder zurückkehren können sind sie auf sich alleine gestellt.
Dublin, Dublin, Dublin
Ein weiteres großes Problem sind die sogenannten Dublin Fälle. Dieses Abkommen der EU-Staaten sieht vor, dass Flüchtlinge in dem Land einen Asylantrag stellen müssen, in dem sie die EU zuerst betreten haben. Wird der Asylantrag woanders gestellt, dann kann das Land die AsylwerberInnen wieder dorthin - in einen sogenannten sicheren Drittstaat – abschieben. Das sind in Europa alle EU-Länder außer Griechenland, die Schweiz und Norwegen. Nach Griechenland wird nicht mehr abgeschoben, da Flüchtlinge dort nicht mehr ausreichend versorgt werden. Trotzdem sind die Standards an der EU-Außengrenze nicht zu vergleichen mit Österreich, sagt Irene Jantschi von Ärtze ohne Grenzen. „Die Menschen können sich nicht frei bewegen und leben in Internierungslagern“, sagt sie.
Viele NGOs kritisieren auch Dublin-Abschiebungen nach Ungarn. Dort kann über Flüchtlinge eine 12-monatige Verwaltungshaft verhängt werden. Teilweise in richtigen Gefängnissen oder Polizeieinrichtungen. Der worst-case in diesem Fall ist eine weitere Abschiebung nach Serbien, von dort nach Madzedonien und schließlich doch wieder nach Griechenland, teilweise ohne inhaltliche Prüfung der Fluchtgründe. Im Fall der Flüchtlingsproteste rund um die Votivkirche ist ein Fall bekannt geworden, wo einer der Protestierenden nach Ungarn abgeschoben wurde.
Ein Punkt hat sich allerdings verbessert: Mittlerweile muss vor einer Abschiebung nach Ungarn geprüft werden, ob das Ankunftsland in der EU Griechenland war. Dann darf das Asylverfahren in Österreich stattfinden.