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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

20. 6. 2013 - 04:58

James Gandolfini 1961 - 2013

Der Boss ist tot: James Gandolfini, Star der HBO-Mafia-Serie The Sopranos, ist am Mittwoch überraschend in Italien gestorben.

Alle lieben Tony: Über die Mutter des aktuellen TV-Wunders (Story aus 2006).

With All Due Respect

Die Nachricht vom Tod Gandolfinis war für mich ein richtiger Schock. Es ist fast so, als wäre der Sopranos-Star in meinem Wohnzimmer gestorben. Noch wenige Minuten vor der Todesmeldung um 11 Uhr Abends Eastern Time ist bei uns der Abspann der Sopranos-Episode „Sentimental Education“ (EP 06, Season 5) über den Bildschirm gelaufen. Und am Morgen hatte ich noch in Ehren der wunderbaren Anfangssequenz der zweiten Staffel den Frank Sinatra Song „It Was A Very Good Year“ auf Facebook gepostet. Der Klassiker untermalt die dort dargestellte Collage der wichtigsten Charaktere aus Season 1.

James Gandolfine - The Sopranos

jamesgandolfini.com

James Gandolfini 1961 - 2013

Erfolgreichste HBO-Serie

Ich habe letztens wieder viel Zeit mit Tony Soprano verbracht. Nach Jahren der Abstinenz bin ich vor einigen Wochen im Netz zufällig auf ein paar Ausschnitte der ersten Episode gestoßen (die Enten!). Obwohl der von Serienerfinder David Chase persönlich dirigierte Pilot mit dem schlichten Titel "The Sopranos" mittlerweile über 15 Jahre alt ist, war ich sofort wieder hooked, so magisch zeitgemäß wirkt die Serie in Aufmachung und inhaltlicher Tiefe und so gut war Gandolfini in der Rolle des schweren Jungen mit dem traurigen Blick.

Denn das viel beschworene "TV-Wunder" der letzten Jahre hat hier, in diesem bereits 1997 gedrehten und 1999 ausgestrahlten Erstling seinen Anfang genommen. Die cineastische Qualität der Bilder, das exzellente Script, die Charaktertiefe und epische Erzählform, die Verquickung von Mythen und Alltag, die opulente Ausstattung, der Mut zum Experiment und vor allem die Vermenschlichung von Genrefiguren, das alles gab es davor bloß im Autorenkino oder im Format der Miniserie.

Link zur Serie: The Sopranos

Hart und herzlich

Im Mittelpunkt der bis 2007 laufenden Show stand der Gangster Tony Soprano. Es war die Paraderolle Gandolfinis, der vorher als Schauspieler trotz brillanter (Neben)Rollen von einem breiteren Publikum kaum wahrgenommen wurde. Der von ihm verkörperte Mafiaboss hat nicht nur mit den genreüblichen Mobsterproblemen zu kämpfen. Auch die Aufmüpfigkeit seiner Teenage-Kids, die Boshaftigkeit seiner Mutter und plötzlich auftretende Panikattacken machten dem zweifach verpflichteten Family-Menschen zu schaffen. Serienformat sei Dank, auch den übrigen Rollen wurden mehrdimensionale und menschelnde Existenzen gegönnt. Und doch drehte sich alles um den Boss, der über die fortlaufenden Therapiesitzungen in der Serie und die dort breitgetretenen Motive, Ängste und persönlichen Geheimnisse zu unserem Intimus und Freund wurde.

Die Mafia/Familien-Saga spielte in Gandolfinis Home State New Jersey. Sie ist die bis heute erfolgreichste des amerikanischen Abo-Senders HBO (ja meine Lieben, noch vor Game Of Thrones). Erst unlängst wurde die Saga von der Writer's Guild Of America zur best gescripteten TV-Serie aller Zeiten gewählt.

Gandolfini verkörperte die gewichtige Rolle des kriselnden Mobsters und Familienvaters mit solcher Überzeugung, dass es bald massenhaft Kritikerlob, Fanliebe und Fernsehpreise hagelte. Nie zuvor war ein TV-Charakter so verabscheuungswürdig, liebenswert, hässlich, sexy, brutal, einfühlsam, borniert, clever, getrieben und berechnend in einer einzelnen Rolle vereint wie in "T", den Acting Boss der DiMeo Crime-Family.

James Gandolfini war einer der letzten Schwierigen der Schauspielbranche. Er gab kaum Interviews, reagierte harsch auf allzu aufdringliche Fans und Paparazzi und machte stets klar, dass er keinerlei Symphathien für den Charakter seiner Paraderolle hegt. Auch nach Ende der Sopranos zog es ihn nicht sehr oft nach Hollywood. Der bei öffentlichen Anlässen stets schüchtern und bescheiden Auftretende wohnte bis zuletzt in New Jersey, spielte lieber Theater und nahm - wenn schon - eher kleinere Filmrollen an (u.a. in "Where The Wild Things Are" und den unterschätzen "Not To Fade Away"). Gandolfini erhielt auch viel Lob für die von ihm produzierten HBO-Dokus über Kriegsveteranen. Ein Publikumsliebling blieb er bis zuletzt.

Am Mittwoch ist James Gandolfini in Italien vermutlich an Herzversagen gestorben. Er wurde 51 Jahre alt. Ich werde ihn und seine Hauptrolle sehr vermissen.