Erstellt am: 1. 1. 2014 - 12:01 Uhr
Die Freude ist groß
Am 1.1. 2014 wird von 11-12 Uhr die FM4 Radio Session mit CocoRosie und dem RSO als Neujahrskonzert ausgestrahlt. Und online gibts es das Konzert für 7 Tage als Videostream on demand.
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CocoRosie | Afterlife |
CocoRosie | Roots of My Hair |
CocoRosie | Japan |
CocoRosie | Bloody Twins |
CocoRosie | Far Away |
CocoRosie | End Of Time |
CocoRosie | Harmless Monsters |
CocoRosie | Teen Angel |
Einen detailgetreuen, nüchternen Ablauf der FM4 Radio Session mit CocoRosie wiederzugeben, dazu sehe ich mich nicht in der Lage. Ich bin dafür sogar die unpassendste Kreatur des Universums. CocoRosie residieren bei mir in einer Sphäre jenseits von Mögen oder Gut-Finden. Sie "wirken" - das, was sie machen, diese völlig einzigartigen, von niemand anderen reproduzierbaren Klänge, nisten sich in meinem Kopf ein, in meinem Herzen und falls auch ich so was haben sollte, auch in meiner Seele. CocoRosie erzeugen Klänge und Bilder, die ich nicht verstehe, aber deren Poesie eine tiefe psychische und physische Resonanz auslöst. Ich kippe bei den Klängen und Sounds völlig hinüber. Aber wohin eigentlich? Am ehesten in mich selbst, Implosion.
Zu sagen, ich mag CocoRosie, wäre falsch, sie erschüttern, rühren, verunsichern mich und noch vieles mehr. Ihr Werk hat die Qualität eines Spiegels, in dem man sich in Fraktale zerschmettert wiedererkennt.
CocoRosies Werk ist ganz und gar nicht manieristisch, weil sie eine Welt gebaut haben, ein kompaktes Universum, das von mutierenden und wiederkehrenden Figuren bevölkert wird, die eine Reihe von Bedeutungen und Geschichten mit sich tragen.
Es gibt verschiedene weibliche Charaktere, die zu verschiedenen Zeitpunkten ihres Lebens darüber sprechen, was ihnen und den Kreaturen um ihnen herum angetan wurde. Welch monströsen destruktiven Kräften sie ausgesetzt waren und werden. Ich freue mich schon darauf, wenn "Girls Against Gods" so richtig in Aktion treten werden, eine Plattform, die CocoRosie mitgegründet haben, um die Gesellschaft zu befreien und den zersetzenden Effekten patriarchaler Glaubenssysteme entgegen zu wirken.
Aber zurück zu gestern Abend.
Welcome to the Afterlife
"After the Afterlife" ist der erste Song auf ihrem neuen Album "Tales of a Grasswidow" und es war auch das Intro zu dieser Radio Session. Der Abend wurde noch ohne Orchester, nur mit ihrer Band, einem Beatboxer, Bassisten und einem Herren im Kimono, der allerlei Sounderzeugendes bespielte eröffnet. Sierra Casady, eine der Schwestern, ist Opernsängerin und sitzt hinter zwei Harfen auf der linken Seite der Bühne. Zu Beginn ist sie noch relativ statisch, aber als sie zu singen beginnt, übernimmt die Stimme völlig die Dramaturgie der Körper.
christian stipkovic
Die Dynamik der zwei Welten, die in CocoRosie verschmelzen, hat mich entrückt: Der Pop/Performance- Teil konstituiert durch die Stimmen, die teilweise durch Effektgeräte laufen, etwas sehr Artifizielles und kombiniert das mit dem Überwältigenden, das von der klassischen Opernstimme und dem Symphonieorchester kommt.
Ich war hin und weg, wie gut das alles geklungen hat, wie klar und brillant man jede Nuance der Stimmen und jede Temperierung des Orchesters gehört hat.
So sehr ich mich auch bemühe oder vielleicht in nicht enden wollender pubertärer Rotzigkeit bemüht habe, meinen Musikgeschmack meiner politischen Agenda zu unterstellen - ein Symphonieorchester wirkt und ich verstehe seit gestern Abend die Herstory meiner Uroma viel besser: Sie hat sich ihren späteren Ehemann verliebt, weil er sie beim ersten Date zu einer Wagner-Inszenierung führte. Sollte es also jemals geschehen, dass ich für meine Wochenendausklänge irgendwann die Staatsoper dem Berghain vorziehe: Blame CocoRosie and the RSO.
Nach knapp einer Stunde und einer Version von "Tears for Animals", die mir um ein Haar die Tränen über die Bäckchen kullern ließ, wurden wir zur Sammlung in die Pause geschickt.
FM4 Radio Sessions
Exklusive Konzerte aus dem Großen Sendesaal des ORF Funkhauses
christian stipkovic
Der zweite Teil war ein CocoRosie-Konzert mit Visuals, Miniharfe und verstärktem Einsatz von Elektronik, mit Effektgeräten und ohne Radio-Symphonieorchester.
Der Größe, Tiefe und Entrücktheit der Sphären tut dies keinen Abbruch. Sierra und Bianca Casady haben etwas zu sagen und zu vermitteln, das Sinn macht und das wichtig ist: Future Feminists, Girls against God, eine andere neue Art des Sprechens über weibliche Biographien - und das wird immer funktionieren, egal welchen Weg der Umsetzung sie wählen.
christian stipkovic