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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

14. 6. 2013 - 12:47

EU-Höchstgericht entscheidet über Vorratsdaten

Der EuGH hat die Verhandlung über mehrere Klagen gegen die EU-Richtlinie aus Österreich bereits für 9. Juli angesetzt. Die Kläger waren von einem Termin 2014 ausgegangen.

Der Europäische Gerichtshof hat für den 9. Juli in Luxemburg eine Verhandlung über ein "Ersuchen um Vorabentscheidung" des österreichischen Verfassungsgerichtshofs festgelegt. Dieser Termin kam für alle Beteiligten überraschend, denn der VfGH hatte den Europäischen Gerichtshof erst im November 2012 ersucht, die Verträglichkeit der Vorratsdatenspeicherung mit der EU-Grundrechtecharta zu klären.

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Erich Möchel

Die durchschnittliche Verfahrensdauer von Klagen vor dem EuGH aber beträgt 23 Monate. Deshalb war man bis jetzt davon ausgegangen, dass dieses Verfahren erst 2014 verhandelt werden würde.

Das Verfahren geht auf eine Reihe von Klagen aus Österreich gegen die Vorratsdatenspeicherung sowie eine Klage aus Irland zurück, die vom EuGH zusammengelegt wurden. Bei den österreichischen Klägern handelt es sich um die Bürgerinitiative Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, die über 11.000 österreichische Mitkläger vertritt. Dazu kommen eine Einzelklage eines IT-Managers aus Österreich sowie eine der Kärnter Landesregierung.

Mündliche Verhandlung

Den Anwälten dieser drei Beteiligten wird in der mündlichen Verhandlung 15 Minuten Redezeit eingeräumt, ebenso der österreichischen Datenschutzkommission. Weiters zu Wort kommen die Anwälte der Bürgerrechtsorganisation Digital Rights Ireland, deren Klage vor dem irischen Verfassungsgericht im Juni 2012 an den EuGH ergangen war. Anders als die österreichischen hatten die irischen Verfassungsrichter zwei Jahre gebraucht, um das entsprechende Verfahren vor dem EuGH einzuleiten.

Nach Stellungnahmen mehrerer EU-Mitgliedsstaaten, von Vertretern von EU-Kommission und Ministerrat, hat Peter Hustinx, der EU-Beauftragte für Datenschutz, das letzte Wort.

Erste Reaktionen aus Österreich

Der Wiener Rechtsanwalt Ewald Scheucher, der die 11.139 Mitkläger des AK Vorratsdatenspeicheriung vertritt zeigte sich positiv überrascht, dass nun so rasch eine Verhandlung angesetzt wurde.

"Wir befinden uns bereits am hintersten Ende der rechtsstaatlichen Verteidigungslinien und erwarten uns vom EuGH die Klärung der Frage, wie viel die Freiheit der BürgerInnen Europas noch wert ist" sagte Scheucher zu ORF.at. Christof Tschohl, Co-Autor der österreichischen Verfassungsklage erwartet vor allem eine Klarstellung, "dass die Vorschrift der Richtlinie zur präventiven und verdachtsunabhängigen Sammlung aller Kommunikationsverbindungen in der EU selbst bei der vorsichtigsten nationalen Umsetzung unverhältnismäßig in die Grundrechte der Menschen eingreift".

Am 12. April 2013 hatte der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung eine vom EuGh verlangte Stellungnahme eingereicht.

Die Fragen des EuGH

Der EuGH hat sich offenbar bereits sehr eingehend mit den Klagfällen beschäftigt, denn das Schreiben an die Anwälte umfasst 14 Seiten und enthält einen sehr präzise formulierten Fragenkatalog.

"Da der Gerichtshof von den im schriftlichen Verfahren eingereichten Unterlagen bereits Kenntnis hat, dienen die mündlichen Ausführungen dazu, Gesichtspunkte hervorzuheben oder zu vertiefen, die nach Ansicht des Vortragenden von besonderer Bedeutung für die Entscheidung des Gerichtshofs sind", heißt es im Schreiben des EU-Höchstgerichts.

Ganz oben auf der Liste der zu klärenden Fragen ist jene, ob die Richtlinie der Verfolgung von schweren Straftaten dienen könne und welche "Auswirkungen es hat, dass zahlreiche Möglichkeiten zur anonymen Nutzung der elektronischen Kommunikation bestehen" (II, 1).

Die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verletze die Grundrechte seines Mandanten, insbesondere nach Artikel 7, 8, 11, 20 der EU-Grundrechtecharta, heißt es in der Klageschrift von Seitlingers Anwalt.

"Anonyme Nutzung verwehrt"

Diese Frage bezieht sich direkt auf die Argumentation des Individualklägers Michael Seitlinger, eines IT-Managers aus Österreich. Während allen anderen Staatsbürgern, aber auch allen Kriminellen Möglichkeiten offen stehen, ihre Kommunikation im Internet und der Telefonie vor Überwachung zu schützen, seien seinem Mandaten all diese Möglichkeiten verwehrt, schreibt Seitlingers Anwalt Gerald Otto.

Wie alle Angestellten aus dem IT- und Telekombereich könne Seitlinger keine Verträge zur Nutzung von Wertkartenhandys oder Internettelefonie, für E-Mailservices oder gar den kompletten Internetanschluss mit Konkurrenzfirmen abschließen.

Das könnte unschwer als Misstrauensvotum gegen die eigene Firma interpretiert werden, da diese ja selbst Telefonie und Internetdienste anbiete, aber gesetzlich verpflichtet ist, "auf Vorrat" zu speichern und diese Daten so gut wie möglich zu sichern. Das ist das Kernargument der Klage Seitlingers.

Verteilung der eigenen Daten auf mehrere Anbieter und gezielter Wechsel der Kommunikationskanäle machen die Analyse von Verkehrsdaten schwierig bis unmöglich. Kriminelle wissen das längst, Normalbürger in der Regel nicht.

Fehlende Statistiken

Auf die Beantwortung der anderen Fragen darf man ebenso gespannt sein, weil sie an die Verfechter der Vorratsdatenspeicherung gestellt werden. "Gibt es Statistiken, die darauf schließen lassen, dass sich die Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten seit dem Erlass der Richtlinie 2006/24 verbessert hat?"

Solche Statistiken gibt es nach allem Anschein nicht, denn nach fast zwei Jahren Evaluierung konnte die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström keine einzige Statistik aus irgendeinem EU-Mitgliedsstaat präsentieren, die das untermauert hätte.