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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

13. 6. 2013 - 21:39

Journal '13. Eintrag 14a.

Der Kampf um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk - im unerwartet schnellen Praxistest. Ein aktueller Nachtrag zu gestern.

Das ist das Journal '13, meine heuer (wegen Jungvater-Pflichten) im Gegensatz zu 2003, '05, '07, 2009 und 2011 nicht sehr regelmäßige oder gar tägliche Web-Äußerung in ungeraden Jahren.

Heute mit einem Nachtrag zum gestrigen Eintrag über den fatal-verlogenen Diskurs um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk - aktuell losgetreten durch die Situation in Griechenland.

Meistens ist die österreichische Praxis der Ignoranz und gezielt zur Schau gestellten Bewusstlosigkeit ein elender Nerv-Faktor. Manchmal leuchtet sie aber auch, ganz unabsichtlich und beispielgebend.

Ich habe gestern versucht, anhand der entweder inexistenten oder verlogen-verzerrten Debatte um Gegenwart und Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die strategischen Hintergründe dieses Handelns als bewusste, demokratiepolitische Destabilisierung auszuleuchten; Licht in diesen Wust aus Häme, Nicht-/Halbwissen, Missgunst und Handlangertum von Konzern-Interessen (also alles, was die österreichische Medienszene so in sich trägt) zu bringen - die Argumentation ist hier nachzulesen.

Neben beleidigten und zustimmenden Reaktionen gab es (wie immer in solchen Fällen) auch die der Beschwichtiger, die zuallererst die Frage nach Übertreibung stellen: wird schon nicht so schlimm sein; man muss doch nicht gleich überdramatisieren; so deppert wie du es darstellst ist doch in echt keiner etc.
Sollte man meinen.

Beispiel 1: Der Kurier-Chefredakteur

In einem noch gestern erschienenen Kommentar beschäftigt sich Helmut Brandstätter, Chefredakteur der mehrheitlich dem alle Lebensbereiche umspannenden, politisch vor allem in der ÖVP höchst einflussreichen und mächtig/sakrosankter Raiffeisen-Gruppe gehörenden Tageszeitung Kurier, nicht so sehr mit der (vorläufigen) Schließung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - sein Hauptthema ist, ob und wie sich die österreichischen Kollegen, im speziellen Generaldirektor bzw. Redakteursrat des ORF damit auseinandersetzen dürfen. Das ist, so Brandstätter, nur dann möglich, wenn sich Alexander Wrabetz einigen brandstätterschen Grundsätzen unterwirft - in diesem Zusamenhang ist es hilfreich zu wissen, dass der Kurier-CR sich schon als ORF-GD beworben hat. Auch für den Redakteursrat hat Brandstätter einen Hinweis: "Die ORF-Redakteure haben gegen die griechische Regierung protestiert. Mutiger und sinnvoller wäre es, an die eigene Führung zu appellieren, sich nicht noch mehr in die Hand der Politik zu begeben."

Nun ist es für jeden Österreicher durchaus legitim, nicht wissen zu müssen, dass sich der Redakteursrat/seine Sprecher nicht erst seit Armin Wolfs Hochner-Preisrede massiv für genau diese Entpolitisierung einsetzt, intern und öffentlich, und zuletzt einen Vorschlag zur Gesetzesreform präsentiert haben - einem Journalisten, noch dazu einem Chefredakteur steht diese Unwissenheit jedoch nicht zu.

Das ist genau das absichtliche Foulspiel von dem ich gestern gesprochen habe. Das bewusste, machtpolitisch motivierte Spiel mit Viertelwahrheiten.

Beispiel 2: Der Brand Eins-Gründer

Als gestern Kollege Dieter Bornemann mein Journal geretweetet hat, gab es eine besonders interessante Reaktion:

Wolf Lotter: @martinblumenau @DieterBornemann Das ist Selbstüberhöhung der Sonderklasse. Ihr gegen den (vorzugsweise "neoliberalen") Rest der Welt.

Wolf Lotter ist ein österreichischer Autor, den es nach Deutschland verschlagen hat, wo er das wirtschaftsliberale Magazin Brand eins mitgegründet hat, ein Wirtschaftsblatt neuer Prägung, schlau, forsch, nachhakend.
Brand eins bewegt sich, wie etwa auch das inhaltlich schwerfälligere Magazin Cicero, im Dunstkreis einschlägiger neoliberaler/neokonservativer Think Tanks, über deren Zwischenhändlerschaft wirtschafts- und definitionsmächtige Einflussnehmer ihre Interessen deponieren. Das ist - in Deutschland, der österreichische Markt ist zu klein für solch indirekte Konstruktionen, da geht es direkter zu Sache - ein gutgehendes journalistisches Geschäft. Gesellschaftspolitische Relevanz oder gar die Abbildung von Realität sind in dieser interessengesteuerten Medienwelt aber zuallermeist nur Zweiter.

Als ich in weiterer Folge die letzten Tweets Lotters scanne, finde ich diesen hier: "Das ständige Wiederholen, dass nur der staatliche Rundfunk Objektivität garantiere, ist eine brillante Selbstwiderlegung." Lotter meint damit, wohlgemerkt, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ganz konkret den ORF.

Auch hier gilt: Otto Normalverbraucher ist der Kindergartenfehler staatlichen mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk zu verwechseln gestattet. Journalisten nicht; schon gar nicht Brand eins-Essayisten oder Kurier-Chefredakteuren. Das ganz gezielt gesetzte und ganz bewusste "Durcheinanderbringen" dieser Begrifflichkeiten, das komischerweise just jene Kollegen mit Wirtschaftsinteresse-Hintergrund befällt, als wär's ein nichtwegzzukriegender Schnupfen, ist ein zum Erbrechen wiederholter Schmäh, der so nicht reingehen darf.

Der auch nicht reingeht, wenn man entsprechend reagiert.

Auf meinen Tweet @DieterBornemann kann oder will @wolflotter (Journalist, oder?) nicht zwischen staatlichem & öffentlich-rechtlichem Rundfunk unterscheiden? antwortet dann Kollege Armin Wolf in scharfen Worten: @martinblumenau @DieterBornemann @wolflotter Für Nichtkönnen ist er zu intelligent, für Nichtwollen zu vernagelt (his word).

Vom ertappten Lotter kommt danach nur noch Geplänkel, nichts Inhaltliches mehr.

Von Brandstätter war auf öffentliche Nachfrage, wie er zu seinem Schlusssatz komme, auch nichts mehr zu hören.

The line must be drawn here

Das ist meist so, wenn die interessensgetriebenen Verwechsler und Aussparer mit ihren Verhebern konfrontiert werden. Und genau das schließt wiederum den Kreis zum gestrigen Eingangs-Zitat, in dem der Medien-Professor dem ORF rät dem allzu parteilichen Diskurs der (so genannten) Qualitätsmedien nicht nobel zurückhaltend, sondern aktiv entgegenzuarbeiten.

Andernfalls bleibt nämlich bald wirklich kein Unterschied zwischen etwa dem syrischen Staats-Funk (der tatsächlich einer ist) und dem europäischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach dem Muster der BBC über; und man wird tatsächlich glauben, dass die ORF-Redakteure gar nichts gegen den Zugriff der Parteien unternehmen wollen.

Wer Schwachsinn nur lang genug behauptet wird damit im Denken der Menschen präsent sein. Wer zulässt dass diese Tools aus der (rechts)populistischen Trickkiste unwidersprochen bleiben, macht sich an der Demontage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mitschuldig.