Erstellt am: 13. 6. 2013 - 19:46 Uhr
Täglich eine Milliarde Datensätze an die NSA
Der US-Telekomkonzern Verizon, einer der weltgrößten Anbieter von Telefonie- und Datenverbindungen, war das erste Unternehmen, dessen Verwicklung in den NSA-Spionageskandal bekannt geworden war. Das erste, durch die Enthüllungen von Edward Snowden bekannt gewordene Dokument war ein an Verizon Business Networks adressierter, sogenannter "National Security Letter".
Das ist ein Durchsuchungsbefehl des geheimen Gerichtshofs "Foreign Intelligence Surveillance Court", dessen Urteil ebenso wie seine personelle Zusammensetzung der Öffentlichkeit nicht bekannt sind. Die betroffenen Unternehmen sind dabei ebenfalls zum Stillschweigen verpflichtet.
Der Inhalt dieser Verordnung zur Übermittlung von Kommunikationsdaten ist ein schlagendes Beispiel dafür, wie technische Sachverhalte im "Prism"-Skandal sowohl von der US-Regierung als auch der mitverwickelten Firmen manipuliert und heruntergespielt werden.
150 Millionen Kunden
Inhaltlich heißt es in der Geheimverfügung nur, Verizon müsse sämtliche Verbindungsdaten aller Telefonate aus dem Ausland in die USA und umgekehrt, sowie die Verbindungsdaten aller Inlandsgespräche auf "täglicher Basis" bereitstellen .
Die laufenden Datenabgriffe bei Verizon betreffen sowohl die Überwachung auf der Transportebene, als auch im Carrierbereich. Ein anderer Teil des als "Prism" bekannt gewordenen NSA-Programms betrifft die Daten von Facebook und Co., die von den Sozialen Netzen selbst an die NSA geliefert werden.
Hier geht es also nicht um irgendwelche Listen vo Verbindungen, denn der Verizon-Konzern hat weltweit 150 Millionen eigene Kunden. Als einer der weltgrößten Datentransporteure bietet Verizon auch sogenannte Carrierservices für eine Unzahl anderer Telekomunternehmen an. Diese Gespräche sind in der folgenden Rechnung überhaupt nicht enthalten.
Allein bei der Annahme von gerade einmal zehn Anrufen pro Anschluss und Tag, kommt man auf wenigstens 1,5 Milliarden Verkehrsdatensätze , die täglich an die NSA übermittelt werden. Die tatsächliche Zahl ist mit einiger Sicherheit viel höher, es wurde hier nur die konservativste aller Annahmen gewählt.
Drei Monate, 100 Milliarden Datensätze
Für die vom Gericht angeordneten drei Monate Laufzeit dieses Programms sind das weit über 100 Milliarden Datensätze, die von der NSA mit anderen Daten zu Kommunikations- und Bewegungsprofilen verarbeitet werden. Verizon hat allein in den USA 100 Millionen Kunden nur im Mobilfunkbereich.
Diese Datenmengen liefert eine einzige von mehreren großen US-Telekoms und Datennetzbetreibern und das ist nur ein Teilsegment eines weit größeren Masterplans zur Überwachung der Weltkommunikation. Wie erwähnt betrifft das alles nur die Endkunden von Verizon.
Im Verizon betreffenden "National Security Letter" gibt es einen Hinweis, dass die drei Monate gültige Anordnung nur eine aus einer ganzen Serie ist. Verizon wird da "on behalf of MCI Communication Services" genannt. Der US-Telekomkonzern MCI war bereits 2005 von Verizon übernommen worden, es ist daher davon auszugehen, dass diese zeitliche Beschränkung reine Formsache ist.
Das Carriergeschäft
Verizon ist einer der größten Carrier weltweit und betreibt ein rund um den Globus reichendes Netz aus Glasfaserleitungen und Datenzentren. Man ist auch im "Großhandel" tätig, neben den eigenen transportiert man auch Telefonate und Daten für Geschäftskunden.
Die reichen vom Großkonzern, der seine Niederlassungen in Fernost mit der Zentrale in Europa vernetzt, bis zum Callcenter oder Internetprovider in Indien, der monatlich ein bestimmtes Datenvolumen über Leitungen von Verizon gebucht hat.
Terabytes und Glasfasern
Ebenso konservativ angenommen - nämlich ein Kilobyte pro erfassten Datensatz - kommt man auf mehr als ein Terabyte an Daten. Um solche Datenmengen zu übertragen, braucht es eine dedizierte Glasfaserleitung, die direkt bei der NSA endet.
Diese Glasfaser-Direktverbindung gibt es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits seit 2003, bekannt geworden war sie durch eine eidesstattliche Erklärung des Verizon-Technikers Babak Pasdar im Jahr 2008. Im Rahmen der Umstellung des gesamten Firewallystems von Verizon war dieser Sicherheitstechniker auf eine Maschine völlig ohne Firewall und ohne interne Seriennummer gestoßen.
Die "Quantico-Connection", AT&T
Die Aussagen des ehemaligen Verizon-Technikers kamen im Rahmen mehrerer Prozesse von US-Bürgerrechtsorganisationen 2008 ans Tageslicht.
Sämtliche Prozesse gegen die US-Telekoms sind im Sand verlaufen, weil die Regierung George W. Bush ein bis zum heutigen Tag gültiges Gesetz verabschiedet hat, das den Telekoms rückwirkend rechtliche Immunität zuspricht.
Auch das vorgeschriebene, interne Logging des Datenverkehrs war deaktiviert. Der Rechner war nach Pasdars Beschreibung direkt mit allen wichtigen Datenbanken des Betreibers vernetzt und hing an einer Glasfaserleitung, die mit 45 GBit/s nach draußen führte.
Bei Verizon wurde das intern "Quantico Connection" genannt, denn seit spätestens 2003 führte diese Leitung in die Militärbasis von Quantico, Virginia. Die Aussage von Pasdar geht auf eine Prozessreihe zurück, die von einem Techniker des Telekomunternehmens AT&T ausgelöst worden war.
Mark Klein hatte Ende 2005 aufgedeckt, dass die NSA mit eigenen Glasfaserleitungen an die Hochgeschwindigkeits-Switchingzentren des größten US-Telekomanbieters AT&T angebunden ist. Wie alle anderen gegen US-Telekoms angestrengte Sammelklagen verlief auch dieser Gerichtsprozess im Sand.
"Verizon dient der 'Intelligence Community' "
Der eingangs zitierte "National Security Letter" war an Verizon Business Networks gerichtet, die Großkunden von Verizon, zu denen auch staatliche Behörden gehören.
Allein 2012 hatte Verizon Aufträge aus dem Pentagon in dreistelliger Millionenhöhe und einer Laufzeit von zwei Jahren erhalten. Das "Programm zur Modernisierung der Hochgeschwindigkeitsrechner im Telekombereich" ist 40 Millionen schwer, für andere Services im Bereich Telefonie fielen im Rahmen eines Sammelauftrags etwa 250 Millionen Dollar für Verizon an.
Auf der Website von Verizon Business, dem neuerdings "Verizon Enterprise" genannten Segment des Telekomkonzerns Verizon werden die Geheimdienste auch direkt angesprochen und zwar so: