Erstellt am: 13. 6. 2013 - 18:58 Uhr
Neues von der Netzneutralität
Es ist im Prinzip die alte Debatte um das richtige Verhältnis zwischen Staat und Privat. Das Internet hat seinen Ursprung als weitgehend unreguliertes, dezentrales Netzwerk, das US-amerikanischer Militärforschung entsprang und dann zu einem Experimentierfeld diverser Elite-Universitäten wurde. Seit den Neunziger Jahren ist - vor allem wegen des Einzug des World Wide Web - das Netz aber auch ein Markt. Sein freies Wesen, also die diversen offenen Protokolle und eben auch die Netzneutralität, bestehen jedoch bis heute. Netzneutralität besagt, dass alle Dienste im Internet stets technisch gleichwertig behandelt und angeboten werden sollen. Ist das Internet also nun ein öffentliches Gut oder ein kommerzieller Dienst?
Schwelende Debatte
Programmtipp:
FM4 Jugendzimmer am 14. Juni zum Thema Netzneutralität (19-20h30).
Thomas Lohninger von unsernetz.at ist zu Gast bei Claus Pirschner und beantwortet Hörer/innen-Fragen.
Vor ziemlich genau zwei Jahren haben wir uns auf FM4 mit dem Thema Netzneutralität bereits ausführlich auseinandergesetzt. Damals ging die Sorge um eine mögliche Aufweichung derselben vor allem von Telekom-Unternehmen aus, die zwar auch Internet-Zugang anbieten, es aber natürlich nicht gerne sehen, wenn ihr ureigenster Markt, die mobile Telefonie, durch Internet-Dienste wie Skype und Co. angeknabbert wird.
Seither findet ein mal leiser, mal lauter ablaufender Kampf zwischen Netzanbieterfirmen und Netzpolitik-Aktivist/innen statt. Die Anbieterseite will den Zugang zum Netz zunehmend zerstückeln und in unterschiedlich bepreiste Pakete teilen. Die Initiativen fürchten wiederum das langsame Aushebeln dessen, was mittlerweile zu einer Art menschlichen Grundrecht gehören würde: der freie Zugang zu (digital verfügbarer) Information und Kommunikation.
"Drosselkom"
Ende April dieses Jahres hat das Thema Netzneutralität wieder an Fahrt gewonnen, als bekannt wurde, dass die Deutsche Telekom ab 2016 ihre kabelgebundenen Netzzugänge nicht mehr uneingeschränkt anbieten möchte. Ab einem gewissen Datenvolumen soll der Zugang gedrosselt werden - außer, man zahlt mehr oder kauft sich diverse Zusatzpakete. Schnell war dafür der Begriff "Drosselkom" auch außerhalb einschlägiger IT-News-Kreise bekannt und hat die schwelende Debatte über Sinn und Wesen von Netzneutralität erneut entfacht.
Das schon vor zwei Jahren gerne gebrachte Argument, dass man gegen Power-User eine Lösung finden müsse, die das nicht ausreichend ausgebaute Netz überlasten würden, ist aber nicht mehr zulässig. So sagt Maximilian Schubert, Generalsekretär der Internet Service Provider Austria (ISPA) im Interview mit ORF-Redakteurin Sarah Kriesche: "Die österreichischen Anbieter haben, wo immer möglich, in eigene Infrastruktur investiert. Der Datenzuwachs der letzten Jahre ist dabei berücksichtigt worden."
hilf-telekom.de
Dienste und Inhalte
Es ist ein schwieriger Balanceact in unserer Welt der sozialen Marktwirtschaft, bei der Frage der Netzneutralität ein quasi-öffentliches Gut wie die Internet-Anbindung für alle gleich zugänglich zu halten und gleichzeitig den Unternehmen dabei nicht zu viele Hürden aufzuerlegen. Sowohl die EU-Kommission als auch die österreichische Rundfunk- und Telekomregulierungs-GmbH (RTR) befürworten Netzneutralität zwar, zögern jedoch, sie uneingeschränkt festzuschreiben. Was klar eingefordert wird, ist Transparenz, also ausführliche Begründungen der Internet-Anbieter, warum dieses oder jenes Paket so oder so angeboten wird. Das soll allzu frechen Vorstößen Einhalt gebieten. Ob das genügt? Eine gesetzliche Verankerung von Netzneutralität ist jedenfalls möglich, das haben Chile, die Niederlande und Slowenien bereits beweisen.
Die Aktivist/innen, die gegen eine Aufweichung der Netzneutralität sind, warnen vor einem Paradigmenwechsel, der im sogenannten "Doppelten Markt" begründet liegt. Gemeint ist damit, dass die Internet Service Provider, die grundsätzlich nur für den Zugang zum Internet zuständig sind, nicht aber für die darin verfügbaren Inhalte und Dienste, künftig auch zu Anbietern von Inhalt werden könnten. Der Provider würde dann also einerseits von den Usern für den Zugang Geld bekommen, aber auch von potenten IT-Konzernen à la Facebook, Google oder Microsoft, die lukrative Deals mit den Providern abschließen würden um in diversen Zusatzpaketen vorzukommen. Würde das Schule machen, wäre die Netzneutralität ein aussterbendes Prinzip. Die User hätten nicht länger die Möglichkeit, das Netz als weißes Blatt Papier so für sich zu nützen, wie es ihnen beliebt.