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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

12. 6. 2013 - 13:13

My Best Friend's Wedding

Mein bester Freund Chicky hat geheiratet. Irgendwie ist damit meine Kindheit jetzt vorbei. Für Chicky ist auch einiges anders geworden. Er wundert sich nicht mehr darüber, wie viele verschiedene Menschen hier leben.

„Egal wie gut ein Mensch lebt, am Ende heiratet er“, sagt eine alte bulgarische Weisheit. Auch wenn es im 21. Jahrhundert immer weniger Leute gibt, die dazu bereit sind, finden sich doch immer wieder einige Mutige, die einander ewige Treue schwören. Letzten Samstag hat es mein Freund Chicky getan. Für mich repräsentiert dieser tätowierte, starke Mann Sofia selbst. Er ist groß und unbeweglich wie die Stadt.

Ich erinnere mich daran, wie Chicky zum ersten Mal in seinem Leben Bulgarien verlassen hat, um mich und meinen Bruder in Wien zu besuchen. Wir gingen auf eine Silvesterparty und Chicky konnte nicht aufhören, sich zu wundern, wie viele Leute aus allen Ecken der Welt zusammen feierten. Am Höhepunkt der Party fand ich ihn allein und nachdenklich vor der Toilette. „Was machst du da, mein Freund?“, fragte ich. „Alter, in diesem Klo kackt gerade eine Chinesin!“, erwiderte Chicky. Die Erkenntnis, dass Leute vom anderen Ende der Welt auch auf die Toilette müssen, hatte ihn wie der Blitz getroffen.

Braut

http://www.flickr.com/photos/sigmadp2j/

Bald darauf machte er sich auf den Weg nach Deutschland. Sein Wunsch, Teil dieser multikulturellen Gesellschaft zu werden, ließ ihn sein natürliches Umfeld in Sofia verlassen. Chicky ist jetzt Schweißer, er hat eine eigene Firma und arbeitet wie verrückt. „Alter, ich werde heiraten“, schrieb mir Chicky vor einigen Monaten auf Skype. Mein Bruder und ich freuten uns sehr, dass er die Liebe seines Lebens gefunden hatte. Andererseits waren wir traurig. Mit Chickys Hochzeit schien unsere Kindheit endgültig vorbei zu sein.
Die Hochzeit war wie alle Hochzeiten - drei Tage Essen, Trinken und Feiern. Alles begann in einem schicken Hotel in Sofia und endete in einer Plattenbauwohnung in einem Randviertel. Wir erwachten mit schweren Köpfen voll mit den Bildern des Festes: der Trauzeuge, der den traditionellen bulgarischen Tanz „Horo“ mit der Grazie eines Grizzlybären tanzte, wie ich meine liebe M. durch die Lüfte warf, mich für Gene Kelly haltend, wie der Vater des Bräutigams mit allen Hochzeitgästen Armdrücken machte, um zu zeigen dass er es noch drauf hat…

Die Jungverheirateten fuhren auf Hochzeitreise nach Barcelona. Die Hochzeitsreise wird leider nur drei Tage dauern, weil Chicky zurück nach Deutschland muss. Dort erwarten ihn Bestellungen von Deutschen, Holländern, Amerikanern und sogar Chinesen. Er wundert sich nicht mehr, wie viele verschiedene Menschen in Europa leben. Alle brauchen einen Schweißer. Und Chicky ist ein sehr guter Schweißer. Und ja, die Braut war sehr schön und alle waren neidisch auf meinen Freund. Herzlichen Glückwunsch!