Erstellt am: 8. 6. 2013 - 16:48 Uhr
Der Monat der Feste
Theaterfeste, Musikfeste, Volksfeste, Straßenfeste und Kulturfeste werden an allen Ecken und Enden der Stadt gefeiert. Es gibt Feste im Freien, auf allen Plätzen, man spielt Theater in den Parks und gibt Konzerte in öffentlichen Verkehrsmitteln. Im Juni beginnt in Lissabon der Theater-Sommer, Festival-Sommer, Fado-Sommer.
Christiane Rösinger
Die Stadt gedenkt mit Straßenfesten und Umzügen ihrer Schutzheiligen, am wichtigsten sind die Feierlichkeiten zu Ehren des heiligen Antonius, der 1195 in Lissabon geboren wurde. Als Schutzheiliger der Armen, Vergesslichen und der Partnervermittlung ist er für das Zusammenführen Liebender, aber auch für verlorene und verlegte Schlüssel und andere verschwundene Dinge zuständig. Zu Lebzeiten hat er bereits mehrere Wunder vollbracht, so predigte er zu den Fischen, die ihm andächtig zuhörten und dabei ihre Köpfe aus dem Wasser streckten.
Sein Leben verbrachte der Franziskanermönch zwar in Frankreich und Italien und da er 1231 in Padua gestorben ist, wird er von der katholischen Welt, sehr zum Verdruss der Lissabonner, als Heiliger Antonius von Padua angebetet. Dabei ist er ein Lissabonner, in der Altstadt Alfama geboren.
Schon seit Tagen bereitet man sich in Alfama und dem Viertel Barrio Alto auf den großen Antonius-Tag am 13. Juni vor. Es werden bunte Girlanden und Lämpchenketten über die Straßen von Haus zu Haus gespannt, gehängt, Bühnen für Tanzkapellen und Bands werden aufgebaut. Jeder Hausbesitzer wird in diesen Tagen zum Wirt und stellt vor seinem Haus Tische und Stühle und einen Grill auf, traditionell gibt es auf den Straßenfesten im Juni gebratene Sardinen und Wein.
Christiane Rösinger
Johannes Paul II. hatte die Portugiesen einst anlässlich eines Besuchs im portugiesischen Wallfahrtsort Fatima als das religiöseste Volk der Erde bezeichnet, und wenn auch die meisten jungen Portugiesen diese Einschätzung weit von sich weisen würden, so sind doch auch heute noch 90 Prozent aller Portugiesen römisch-katholisch getauft. Brasilianische und angolanische Einwanderer erweitern den katholischen Glauben durch ihre mitgebrachten eklektischen Bräuche.
Noch stärker als der Katholizismus ist aber der Fatalismus in Portugal vertreten. Vielleicht als eine Spätfolge des großen Erdbebens von 1755?
Wenn damals die ganze Welt in ihrem Aufklärungsoptimismus erschüttert wurde, die Menschen ihren Glauben verloren, die Philosophen sich den Kopf zerbrachen und an der besten aller möglichen Welten zweifelten, warum sollten da nicht die Lissabonner selbst einen großen Knacks für alle nachfolgenden Generationen bekommen haben? Bei allem Fatalismus baut man aber trotzdem auf die Heiligen und ihre Wunder. Das lässt sich auch heute noch an einer Statue im Stadtteil Santana, ganz in der Nähe des Goethe Instituts, besichtigen.
Hunderte Steintafeln, Kerzen und Blumensträuße umlagern die Statue des bekannten portugiesischen Arztes José Tomás de Sousa Martins. Der im 1843 nördlich von Lissabon geborene Arzt hatte sich dem Studium der Tuberkulose verschrieben und kümmerte sich vor allem um die Armen: Er behandelte sie umsonst und gab ihnen sogar Geld für die nötigen Medikamente.
Christiane Rösinger
Nach seinem Tod wurde er zu einem Volksheiligen. Umso verwunderlicher, als Dr. Sousa Martins selbst Atheist war und bei der Heilung von Krankheiten nicht auf Wunder sondern die Wissenschaft setzte. Seine Patienten und Verehrer sehen das bis heute anders, sie machten aus dem Wissenschaftler einen Heiligen und Wunderheiler. Als Dank für erfolgte Wundertaten an kranken Knien, chronischen Kopfschmerzen oder kaputten Nieren legen sie dann eine steinerne Votivtafel an der Statue ab, auch einige mit der Jahreszahl 2013 sind zu sehen. Die Statue ist zur Pilgerstätte samt windgeschütztem Kerzenschrein geworden.
Die hartnäckige Wundergläubigkeit der Portugiesen hat auch die Historiker beschäftigt:Antonio José Saraviva schrieb, die Portugiesen seien davon überzeugt, „dass sich Probleme nicht durch menschliche oder logische Mittel lösen lassen, weil es in den Dingen keine Vernunft gibt, sondern nur Zufälle und Wunder“.
Eine recht prosaische Erklärung gab mir ein befragter Lissabonner Journalist: Wer je in einem portugiesischen Krankenhaus war, wird schnell verstehen, warum die Leute hier lieber zu Fatima oder Dr. Sousa Martins pilgern. Man wartet lieber auf ein Wunder, als dass man auf dem Krankenhausflur stirbt.