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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

6. 6. 2013 - 15:24

Fußball-Journal '13. Eintrag 21.

Die Fabel vom Erfahrungs-Vorsprung; und Andreas Herzogs peinlich-offensichtliches Kalkül. Geschichten aus dem ÖFB vor dem Schweden-Match, Teil 3.

Das ist das Journal '13, meine regelmäßige Web-Äußerung in ungeraden Jahren. Im Gegensatz zu 2003, '05, '07, 2009 und 2011 heuer nicht täglich.

Heute wieder mit einem Eintrag ins Fußball-Journal 13: Teil 3 der Geschichten zum bevorstehenden Schweden-Länderspiel.

Teil 1: Gewiefter Taktiker, zu durchsichtig?

Teil 2: No risk, no fun. Kein Mut für Moritz Leitner. - im übrigen bestätigte der ÖFB nach dieser Geschichte dass (guter) Kontakt mit Leitner bestehen würde.

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Schwedens Kader für den bereits gespielten Test gegen Mazedonien und die WM-Qualifikations-Matches gegen Österreich (7. Juni in Wien ) und Färöer (11. Juni in Solna):

Tor: Andreas Isaksson (Kasimpasa/TUR), Kristoffer Nordfeldt (Heerenveen/NED), Johan Wiland (FC Kopenhagen/ DEN) verletzte sich; der nachnomierte Pär Hansson (Helsingsborg) kriegt ein Kind, weshalb jetzt David Mitov Nilsson (Norrköping) als 3er-Goalie nachrückt.

Abwehr: Mikael Lustig (Celtic/SCO), Per Nilsson (Nürnberg/D), Rasmus Bengtsson (Twente/NED), Andreas Granqvist (Genoa/ITA), Jonas Olsson (WestBrom/ENG), Nils-Eric Johansson (AIK Solna), Oscar Wendt (Gladbach/ D). Verletzt hat sich Links-verteidiger Behrang Safari (Anderlecht/BEL), ebenso wie Pierre Bengtsson (FC Kopenhagen). Gar nicht erst berufen wurde der verletzte Mikael Antonsson (Bologna/ITA).

Mittelfeld: Anders Svens-son (Elfsborg), Pontus Wernbloom, Rasmus Elm (CSKA Moskau/RUS), Kim Källström (Spartak Moskau/ RUS), Jimmy Durmaz (Genclerbirligi/TUR), Alexander Kacaniklic (Fulham/ENG), Sebastian Larsson (Sunderland/ ENG), Erkan Zengin (Eskisehirspor/TUR). Nachnominiert wurde Albin Ekdal (Cagliari/ITA), weil sich Tobias Hysen (IFK Göteborg) verletzt hat und Samuel Holmen (Istanbul BB/TUR) absagen musste.

Sturm: Ola Toivonen (PSV Eindhoven/NED), Johan Elmander (Galatasaray/ TUR), Zlatan Ibrahimovic (Paris Saint-Germain/FRA).

Nach der EM zurück-getreten sind Olof Mellberg und Christian Wilhelmsson.

Nicht berücksichtigt wurden: Johan Dahlin (Malmö); Adam Johansson (Göteborg), Frederik Sten-man, Michael Almebäck (Brügge/BEL), Daniel Majstorovic (AIK Solna), Martin Olsson, Marcus Olsson (Blackburn/ENG), Joel Ekstrand (Watford/ ENG); Emir Bajrami (Monaco/FRA), Viktor Elm (Alkmaar/NED), Alexander Farnerud (Young Boys/ SUI), Jiloan Hamad (Malmö), Oscar Hiljemark (PSV Eindhoven/NED); Markus Berg (HSV/D), John Guidetti (Man City/ ENG), Mathias Ranegie (Udinese/ ITA), Tobias Sana (Ajax/ NED), Markus Rosenberg (WestBrom/ ENG), Alexander Gerndt (Young Boys/SUI), Stefan Ishizaki (Elfsborg), Samuel Armenteros (Anderlecht/ BEL), Daniel Larsson (Valladolid/SPA), Simon Thern (Malmö), Rade Prica (Maccabi Tel Aviv/ISR).

Drei Finger halte ich hoch, als die kleine Gruppe in den gelb-blauen Trikots vorbeiflaniert: "drei - null, three - nill" sage ich, und sie lachen und winken ab, "jo jo!", die freundlichen Schweden.

Klar, es ist ein bisschen Pfeifen im Wald - andererseits, wann wenn nicht bei diesem vorentscheidenden Heimspiel gegen den Gegner, den es zu besiegen gilt, will man bei der WM in Brasilien dabei sein?
Denkt sich scheinbar auch Andreas Herzog, aktuell Co-Trainer des Vierten in den Concacaf-Quali-Gruppe. Er liegt damit hinter Costa Rica und Panama, weiß aber wie es gegen Schweden geht und setzt mit seinen "Das muss jetzt klappen, Burschen!"-Sprüchen das Team unter Druck. Er, der einstige Schweden-Killer.

Es wäre schön, wenn diese markigen Ansagen ohne Eigennutz daherkommen würden. Allerdings bringt sich Herzog (nachdem er - wenig überraschend - nicht einmal ansatzweise als Schaaf-Nachfolger bei Werder im Gespräch war) nur in Stellung für seinen nächsten Anlauf ÖFB-Teamchef zu werden. Denn er weiß: verliert Koller gegen Schweden, ist die WM-Quali so gut wie futsch, dann gibt's bei der ÖFB-Hauptversammlung am 16. Juni prompt die Chance, sich als Nachfolger ab 2014 zu positionieren. Denn eine Verlängerung mit Koller ist alles andere als in trockenen Tüchern.

Herzog fordert Sieg ein und will endlich Teamchef werden

Herzogs "Des Muaß jetzt Hinhaun!" ist also nichts anderes als ein selbstsüchtiges Eigeninserat.

Von jemandem, der bis auf die Gnadenjobs des ÖFB (für die verdienten Altstars) und den Freundschaftsdienst von Klinsmann noch nirgendwo war, als Trainer nichts geleistet, nichts aufgebaut und nichts verantwortet hat - schlicht der optimale Kandidat für die Stammtische: der sprücheklopfende Altstar, das Antidot der Reaktion zum Konzepttrainer.

Das Gegenstück zu diesem instrumentalisierten Optimismus (der auf der Basis von Allgemeinplätzen über die Unberechenbarkeit von Ibrahimovic, dem körperbetonten Spiel, der taktisch-systemisch guten Ausbildung und dem Hinweis, dass sich das alles seit Herzogs Zeiten eh nicht geändert habe, daherkommt wie die Erzählungen Opas vom Krieg) ist seine übervorsichtige, überbeschützende Variante.

Die wurde bei der Kaderbekanntgabe-PK von Marcel Koller so oft eingesetzt, dass ich nach der dritten Erwähnung von Begriffen wie "immense Erfahrung" nicht anders konnte, als in den Begleitunterlagen durchzuzählen.

Koller kolportiert die Mär vom supererfahrenen Gegner

Da wurde nämlich die letzte Begegnung, ein Test unter Brückner aus dem Jahr 2009 angeführt.

Bei Österreich sind von damals mit Garics, Prödl, Pogatetz, Ivanschitz, Arnautovic, Janko, Schiemer (plus Okotie, Ulmer) nämlich noch mehr Akteure immer noch dabei als bei den Schweden. Dort spielen nur noch Isaksson, Rasmus Elm, Källström, Granquist, Holmen und Sebastian Larsson mit.

Neun zu Sechs.
Von wegen "Erfahrung", "junge Mannschaft", noch nicht so gut eingespielt etc.

Gut, Ibrahimovic war damals nicht dabei (der verweigerte eine Zeitlang Freundschaftsspiele) und Elmander sicher verletzt. Aber: die gesamte schwedische Abwehr vom Länderspiel 2009 ist in Team-Pension. Kacaniklic, Durmaz, Zengin oder Ekdal sind ganz frisch eingebaute Youngsters.

Die immense Eingespieltheit der Schweden, ihre enorme Erfahrung, das ist schon auch ein Mythos, eine Fabel. Die ist zwar im Kern wahr, der Rest besteht jedoch aus Überhöhung. Die auszubauen und öffentlich so deutlich anzusprechen kann zwei Gründe haben: zum einen in relativierender Absicht einem nicht so guten Resultat vorzubauen, zum anderen tatsächliche Furcht.

Beides ist, im Vorfeld eines entscheidenden Spiels, nicht so günstig.

Die richtige Balance zu finden wird ein Höllenjob

Bedeuten tut weder das eine (Herzogs Allgemeingeschwätze und seine "Sieg jetzt!"-Forderung) noch das andere (Kollers übertriebener Verweis auf die übermenschlich große Erfahrung dieses eingespielten Gegners) nichts. Wichtiger ist/wäre es sich so wie es hier und hier die Kollegen von abseits.at tun sich mit dem Gegner seriös auseinanderzusetzen, Schwächen aufzuspüren, Gefahren zu erkennen (wie es im Fall des scharfen schwedischen Pressings auf das ÖFB-Team zukommen kann) und darauf aufbauende Strategien zu entwerfen.

Das wird mühsam genug: Es könnte nämlich zu einem Pressing-Kräftemessen kommen, das enorme Substanz fordert; und es wird Außenspieler brauchen, die nicht nur effiziente Dreiecke bilden werden müssen, sondern in jeder Sekunde taktisch auch nach hinten mitdenken müssen (und da wäre womöglich Ivanschitz eine bessere Wahl als Harnik/Arnautovic).

Kann es sein, dass ich Marcel Koller, seiner eh schon länger eingemahnten zögerlichen Vorsicht zum Trotz, die Erledigung dieser Hausaufgaben deutlich stärker zutraue als einem Andreas Herzog? Kann.

PS: Im Test gegen Mazedonien (1:0-Sieg durch ein Tor von Kacaniklic) war folgende Aufstellung zu sehen: Isaksson; Lustig (46. Per Nilsson), Granqvist (75 Pierre Bengtsson), Olsson (89. Rasmus Bengtsson), Wendt; Sebastian Larsson (75. Zengin), Ekdal, Källström, Kacaniklic (80. Durmaz); Elmander (60. Toivonen), Ibrahimovic.

Schweden, in Gestalt von Spion Reine Almqvist erwartet Österreich übrigens so: Hans Lindner; Garics, Dragovic, Pogatetz, Fuchs; Baumgartlinger, Alaba; Harnik, Junuzovic, Arnautovic; Hosiner.