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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

5. 6. 2013 - 15:53

Fußball-Journal '13. Eintrag 20.

Ned-Wuascht-Sein. Der Konzept-Trainer hat sich durch die Hintertür eingeschlichen. Der Saison-Rückblick, Teil 2.

Das ist das Journal '13, meine regelmäßige Web-Äußerung in ungeraden Jahren. Im Gegensatz zu 2003, '05, '07, 2009 und 2011 heuer nicht täglich.

Heute wieder mit einem Eintrag ins Fußball-Journal 13: Teil 2 einer Bundesliga-Bilanz der Saison 2012/13 - das war Teil 1: Ein Orden für Julius Perstaller. Wie Österreichs Fußball vor der totalen Provinzialisierung bewahrt wurde.

Und, for the spass of it, ein All-Star-Team der Saison:

H. Lindner; Sollbauer, Vujadinovic, Ortlechner (Sekagya), Suttner; Ziegl/Madl, Mader (Wydra); Gorgon (Kampl), A. Grünwald, Mane/Meilinger/ Jun; Hosiner (Soriano).
Der Ersatztormann bereitet mir Probleme.

Die Saison ist zwar noch nicht ganz vorbei, aber nach dem Schwedenspiel am Freitag wird das Interesse an einem finalen Fazit abgeflaut sein - deshalb jetzt, noch bevor eine ganz wichtige Entscheidung gefallen ist, Teil 2 der Saison-Bilanz.

Noch ausständig: die Entscheidung ob (und in welcher Stärke) die Stadt Linz im Profi-Fußball vertreten sein wird, ob sich der Vormarsch der Provinzialisierung (Haupt-Thema in Teil 1) der Bilanz) verstärken und ob die bewusste, von Verband und Liga bewusst nicht verhinderte bewusste Regel-Umgehung des Oligarchen Red Bull (die mit Liefering ihr Amateur-Team in den Profi-Fußball einschleusen könnten) Erfolg haben wird.

Die Struktur-Probleme des österreichischen Fußballs waren noch nie so offensichtlich. Fastabsteiger Innsbruck leidet immer noch unter dem Betrugs-Fall FC Tirol, der GAK hat sich zum gefühlten fünftenmal aufgelöst, der Standort Klagenfurt wurde von Haider & Freunderln für die nächsten Jahre verbrannt, große Ballungszentren (Linz-Wels-Steyr) drohen (auch wegen unzureichender innerer Strukturen) unterzugehen, selbst im ökonomisch halbwegs sicher geführten Vorarlberg sind die Profi-Vereine in der Peripherie beheimatet.

Struktur-Probleme und Provinz wohin man schaut

Und das zieht alles einen Rattenschwanz nach sich: schlechte Infrastruktur, wenige Zuschauer, kaum Sponsoren, keine Investitionen, kein sportlicher Aufschwung.

Mit Grödig steigt nach Wolfsberg (und vormals Wiener Neustadt) wieder ein Verein ohne jeglichen Unterbau, geschweige denn funktionierender Nachwuchs-Strukturen, in die Bundesliga auf, mit Mattersburg ein Standort mit einer vorbildlichen Akademie ab. Über der Europacup-Teilnahme von Cupsieger Pasching hängt noch das Damoklesschwert einer UEFA-Regel, die verbietet, was der ÖFB erlaubt: inoffizielle Farmteams, die Eigenständigkeit vortäuschen.

Der FC Pasching und seine Cup-Erfolge gegen den 1.Liga.Herbstmeister Austria Lustenau (im Herbst) und gegen die großen Drei (im Frühjahr: Rapid, Salzburg, Austria) sind es auch, die der gesamten Saison nachträglich das Geschmäckle der Drittklassigkeit überstülpen.

All das hat die große Frage, die vor Beginn der Saison im Fokus stand, deutlich zurückgedrängt. Ich bin vorigen Juli davon ausgegangen dass der heraufdräuende Kampf zwischen (meist deutschen) Konzepttrainern und heimischen Eh-Wuascht-Coaches die Zukunft des österreichischen Fußballs entscheiden wird.

Die Frage vor der Saison war: Konzept-Trainer or not?

Abgesehen davon, dass der Rückfall in ganz basale Struktur-Probleme alles in den Hintergrund rücken ließ, ist auch die Trenn/Kampflinie anders verlaufen als ich damals dachte. Es ging nicht um Deutschland gegen Österreich, das Match spielte tatsächlich an der Frontlinie zwischen Konzept (nenn es auch Philosophie/Idee) und Herumgewurtschel (in Person von Coaches, denen ihre erfolgreiche Vergangenheit genügt).

Das Ergebnis ist recht klar.
Meister wurde Konzept-Trainer Stöger und Konzept-Coach Hütter; auch wegen ihrer Fähigkeit intelligent zu adaptieren.
Die Piefke-Zwillinge Schmidt und Hyballa wurden (zurecht, wenn auch die Salzburger Grundbefindlichkeit mehr für die Versager der Saison kann als der Coach und auch wenn Hyballa sportlich selbst von Gegnern gelobt wurde) ordentlich zerzaust, führten ihre Mannschaften aber nach Europa (auch wenn Markus Schopp mit dem letzten Platz in der Schopp-Tabelle alles dransetzte das zu verhindern). Eh-Wurscht-Coach Peter Schöttel brachte Rapid in Gefahr, Nachdenker Barisic festigte Platz 3.
Konzept-Trainer Gerhard Schweitzer (als Co noch mehr als Manfred Schmid bei der Austria der taktische Chef seiner Truppe) brachte Ried sicher nach Hause. In der zweiten Liga konnten Damir Canadi (zuerst mit dem FCL, dann mit Altach und Martin Scherb (der deutlich länger als erwartet vorne mitspielte) ihre Konzepte durchsetzen. Mehr als nur eine Idee hatte Klaus Schmidt, vormaliger Physio und Jugendcoach mit Auslandserfahrung, der den KSV rettete und zum Dank heute entlassen wurde (damit John Peels Liebling Kurt Russ übernehmen kann) - überhaupt wurde die 1.Liga meinen Vorschuß-Lorbeeren gerecht.

Die Hegemonie der Wuascht-Coaches: gebrochen!

Hinten herumwurtscheln mussten die Wuascht-Coaches Kühbauer, Kirchler und Pfeifenberger. Ehren-Österreicher Kolvidsson vergab mit Austria Lustenau gefühlte zehn Matchbälle, und die BW Linz-Mannschaft, die ihren Coach Weissenböck absetzte, weil er ihr zu intelligent agierte, bestrafte sich mit dem letzten Platz eh selber.

Nicht funkioniert hat Thomas von Heesen, der allerdings kein Konzept-Trainer a la Klopp/Tuchel-Slomka, sondern ein Deutscher älterer Schule ist. Streiten kann man über Hyballa und seine Herangehensweise. Dass allerdings die Wickel breitgetreten wurden um vom vereinsinternen Kasperltheater abzulenken ist ebenso unstrittig wie die vergleichsweise sportliche Verbesserung.

Einzig mit Rainer Scharinger hat ein echter Konzept-Coach echten Schiffbruch erlitten; bei Altach waren die Voraussetzungen günstig, aber es klappte irgendwie gar nix.

So gesehen ist die Bilanz nicht so schlecht.
Bei den Vereinen, die vorne mitspielen können und wollen, hat sich die Einsicht durchgesetzt dass der Wuascht-Coach, der Showtrainer, der Hudriwusch nichts bringt - stattdessen ist der seriöse, trockene Akribiker gefragt: Stöger, Schmidt, Barisic, Milanic, Schweitzer, Hütter, Scherb, Canadi...

Die Vereine am Rande des Nervenzusammenbruchs werden weiter mit großen Ex-Stars, die schon in der ersten Krise kein Rezept finden vor sich hin scheitern.

Vielleicht die Geburt des Ned-Wuascht-Trainertums

So gesehen hat sich diese Saison schon etwas entschieden: der Konzept-Trainer hat sich, ganz österreichisch, durch die Hintertür eingeschlichen. Unmerklich. Sie werden dich, wenn du sie drauf ansprichst, bitten den Begriff nicht oft zu verwenden: er wäre bei Teilen des Publikums und vor allem den Mainstream-Medien verrufen. Und in Österreich, einem Land, in dem es besser ist nichts von seiner Intelligenz zu zeigen (das gilt dem flächendeckend noch genetisch ausgestreuten Blockwart-Denken hierzulande als verdächtig, als meldepflichtig), wäre das ein Klotz am Bein.

Ich habe Verständnis.
Und plädiere daher für einen eigenen, neuen Begriff, der den Konzept-Trainer österreichischer Prägung in einem gemütlicheren, heurigenklischeemäßigem Bild erscheinen lässt. Damit sich Medienvertreter, Publikum und Funktionäre, die noch im alten Denken verhaftet sind, nicht so erschrecken.

Wie wärs also mit einem Gegensatz_Begriff zum hier schon öfter erwähnten Is-Eh-Wuascht-Coach, vielleicht dem (Des is mir) Ned-Wuascht!-Trainer?