Erstellt am: 4. 6. 2013 - 18:20 Uhr
Soll ich zahlen, wenn ich nicht zahlen muss?
Ich habe den saudummen Fehler gemacht, entgegen meiner Absprachen mit mir selbst, mal wieder in einem Onlinespiel aktiv zu werden. Planetside 2, stumpfe Ballerei auf fremden Planeten. Ich verbringe meine Zeit als Ingenieur damit, fremder Leute Waffen-Eigentum zu reparieren, ihnen Munitionspakete hinzulegen (gebückt) oder mein eigenes Flugzeug all zu oft wieder flugtüchtig zu machen. Das Spiel kostet nichts, es ist "free to play" - nur wenn man schneller an neue Waffen, verbesserte Fähigkeiten, Tarnungen, Klimbim oder neue Huptöne für seine Fahrzeuge kommen will, muss man zahlen.
Dieses Prinzip des Anfixens ist nicht neu (Schulhof, Drucker, Supermarkt), trotzdem wird es derzeit als große Möglichkeit für den darbenden Gamesmarkt gesehen. Erst kommen die Leute - und wenn nur ein Bruchteil von ihnen bereit ist, Geld zu zahlen, reicht das schon zum Geschäftemacher.
@planetside2.com
Ich möchte dieses Modell nicht diskutieren, ich kenn mich auch viel zu schlecht damit aus. Ich hab mich aber dabei ertappt, dass ich damit nicht umzugehen weiß - und ich wiederum nicht weiß, ob das Teil des Plans ist. Ich fühle mich zu gleichen Teilen schlecht und gut, Sony Entertainment - die Planetside 2 betreiben - quasi um die wohlverdienten Einnahmen mit mir zu bringen. Immerhin spiele ich das Spiel ja reichlich und viel und Server kosten und Online/Inline-Werbung zeigen sie auch keine an.
Zum anderen ist das ganze Spiel aber darauf angelegt, mir das Geld aus den Taschen zu ziehen und ich finde, mit gewissem Stolz, dass ich das Spiel auch ohne Booster und Extratarnung meistern kann. Die Herausforderung ist sogar noch größer, mein Ehrgeiz gepackt.
Immer wieder denke ich darüber nach, ob ich nicht wenigstens einmal fünf Euro für dies oder jenes ausgeben sollte, quasi als Trinkgeld für die Entwickler. Aber ich verwerfe diesen Gedanken auch immer wieder, weil ich ... tja ... ihm nicht traue. Free to Play erscheint mir als Vertrauens-Spiel, in dem mein schlechtes Gewissen, ein Geschenk erhalten zu haben, mit Geld beruhigt werden soll. Ich spiele also auch ein größeres Spiel: das zwischen den Vermarktungsmechanismen auf der einen und meiner Kunden-Autonomie (jaja) auf der anderen.
@planetside2.com
Ich weiß nicht, ob diese Gedanken weiterführen - aber so in etwa fühle ich mich auf Websites, die mit Werbebannern Geld machen wollen. Ich habe einen Adblocker installiert, aus guten Gründen: Mich nervt Werbung - in welcher Form auch immer. Sie verstört mich und außerdem ist sie mir im Weg, als Datenpaket und als Störfalle. Vor allem aber empfinde ich sie als einen Vorwurf, als einen Trick. Von Betreibern solcher Seiten wird vorgebracht, dass es eine Abmachung gäbe: kostenlose Inhalte gegen Werbung. Aber dieser Deal ist einseitig und legt mir eine Last auf: Ich muss zeigen, dass ich die Inhalte schätze und bereit wäre theoretisch dafür zu zahlen und nur substitutiv halt etwas meiner Aufmerksamkeit gebe.
Das ist tatsächlich vor allem ein moralisches Problem für mich. Ethisch bin ich mit mir jedenfalls im Reinen: um Schuld und Vertrauen geht es hier nicht, ich muss wenigstens nicht rechnen. Moralisch aber weiß ich nicht, wie damit umgehen. Bei Planetside 2 ist die Sache ja noch recht einfach: ich nehme eine Dienstleistung in Anspruch, deren Form aber den einzigen Zweck hat, mir Gewissensbisse zu machen, mich viel eher gleich noch reinzulegen und meine Suchtmechanismen auszunutzen oder mich zumindest durch vergeudete Spielzeit vom Kauf anderer Spiele oder sonstiger Medieninhalte abzuhalten. Von so jemandem lass ich mir nicht ins Gewissen reden.
Journalistischen Medien unterstellte ich bislang noch - immerhin bin ich ja Journalist - solche Tricks nicht, zumindest nicht denen, die ich vorwiegend lese. Aber wenn ich mir ansehe, wie immer mehr Überschriften und Vorspänne darauf abgestimmt werden, mir einen Klick und damit meine Aufmerksamkeitsenergie abzuluchsen, dann ist mein Vertrauensvorschuss aufgebraucht: Der Kunde bin nicht ich, sondern die Werbetreibenden. (Übrigens ist das auch ein Problem als Journalist, dessen Arbeit entsprechend umgebaut wird - nicht, um dem/der LeserIn zu gefallen, sondern um ihm/ihr nicht zu missfallen).
@planetside2.com
Ich weiß, das alles klingt wie Werbekritik der ersten Stunde; verkürzte Kritik darüber hinaus. Aber ich habe das Gefühl, dass ich nicht alleine bin mit dieser Haltung und ich suche noch nach einem griffigen Gefühl dafür. Ich hab das - trotz Banalität - noch nicht zu Ende gedacht.
Ich würde gerne für Inhalte zahlen - und tue es auch oft genug. Aber ich habe das Gefühl, dass diese Kaufbereitschaft gegen mich ausgelegt wird. Ich ertappe mich dabei, wie ich aus Häme oder Patzigkeit oder Trotz diese Versuche unterlaufe. Wer mir ein kostenloses Angebot macht, soll sich nicht wundern, wenn ich nichts zahle. Das ist der Deal, der mir gemacht wurde und den ich auch unterschrieben habe. Darüber hinaus: Trinkgeld.
Das Gebaren der Großen lohnt sich wenigstens - in meinem Fall - für die Kleinen. Die demütigen, sympathischen Gesten von Software-Büdchen und Solo-EntwicklerInnen belohne ich um so lieber mit Kauf oder Spende. Und rechtfertige so meinen umgeleiteten Kaufimpuls ganz neoliberal: Der Markt als Organismus, in dem Waren und Werte inhaltlich ganz entkoppelt nur Funktionen voneinander sind. Wo ich Geld ausgebe, wo ich Leistung beziehe, ist egal, solange es im System bleibt. Und mit etwas Glück gelangt es so zu denen, die nicht mit den Großen mitspielen können, aber von deren Regeln eh nicht viel halten.