Erstellt am: 31. 5. 2013 - 10:55 Uhr
Peter Fröberg Idling: "Pol Pots Lächeln"
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Von 1975 bis 1979 hieß Kambodscha "Demokratisches Kampuchea". Ein Landesname als zynische Täuschung. Das "Demokratische Kampuchea" war eine von der nationalistischen Guerillabewegung der Roten Khmer errichtete stalinistische Terror-Diktatur, nachdem sie die vom kambodschanischen Offizier und Staatschef Lon Nol geführte pro-westliche kambodschanische Regierung besiegt hatten. Der organisierte Massenmord der Roten Khmer u.a. auf den berüchtigten "Killing Fields" hatte geschätzte 1,7 bis 2,2 Millionen Tote zur Folge.
1978 lädt der autoritäre Staat eine Delegation schwedischer Kommunisten in das von der Außenwelt abgeschottete Land ein. Die Roten Khmer starten eine Propagandaoffensive um die Gerüchte um ihren Staat zu verwischen. Die Täuschung gelingt. Die schwedische Reisegruppe kehrt begeistert und geblendet in ihre Heimat zurück und publiziert optimistisch-positive Reiseberichte, in denen Massenmord, Hunger, Folter und Zwangsarbeit keine Rolle spielen. Wie schafften es die Roten Khmer derart perfekt zu täuschen? Oder sah die Reisegruppe nur was sie sehen wollte? Einer der eingeladenen Gäste namens Jan Myrdal weigert sich beispielsweise noch immer irgendeinen Fehler in seinen damals lobenden Texten nach seiner Rückkehr aus Kambodscha einzugestehen.
Atlas Förlag
Der Journalist und Autor Peter Fröberg Idling folgt in seinem Buch "Pol Pots Lächeln" (Pol Pot war der Führer der Diktatur Kampuchea) den Spuren und den Reiseetappen der schwedischen Intellektuellen um diese Fragen zu klären.
Der Spaten ist dein Stift, das Reisfeld dein Papier!
1978, einige Monate vor dem Besuch der Schweden, nahm das Tempo der Säuberungen zu. Die Zentralgewalt fiel über die Ostzone her. Hunderttausende Menschen wurden in die übrigen Landesteile deportiert und viele Tausend ermordet.
Völlig unbekannt war das Elend Kambodscha‘s der westlichen Welt in den Siebzigern nicht. Nicht wenig geflohene Kambodschaner legten schreckliche Zeugnisse über den Terror in ihrer Heimat ab. Allerdings kam es damals zu einem ähnlichen Phänomen, wie man es aus dem zweiten Weltkrieg kennt. Der Holocaust war damals mitnichten ein völlig unbekanntes Geheimnis. Aber derart grotesk-bizarre Gräueltaten zu glauben und zu akzeptieren ist eben eine andere Sache. Die Motive für solch eine Ignoranz sind natürlich mannigfaltig. Wie auch im Fall Kambodscha. Man darf nicht vergessen, 1975 hatte es durchaus den Anschein, als hätten die kommunistischen Roten Khmer das Land endlich und endgültig von Fremdbestimmtheit und Kolonialismus befreit. Die westliche intellektuelle Linke hoffte auf eine ähnliche Emanzipation und Entwicklung wie in Vietnam mit seinem charismatischen Revolutionär Ho Chi Minh. Die Roten Khmer präsentierten sich als die radikalsten Umsetzer kommunistischer Gedanken. Die Abschaffung von Bargeld, die Abschaffung von Großstädten, dem vermeintlichen Hort von Korruption und Dekadenz, wirkte auf sympathisierende BeobachterInnen faszinierend und verführerisch.
Die schwedische Reisegruppe, die 1978 von den Roten Khmer offiziell in ihr Land eingeladen wurde, nahm die Volksrepublik Kampuchea als exotisches kommunistisches Utopia wahr. Natürlich, weil auch die Bereitschaft dafür übermäßig vorhanden war.
Lasst uns als eine einzige große Familie leben und uns den Bedürfnissen des Kollektiv unterwerfen!
Die Reise der Schweden. Ein zwei Wochen langer Korridor aus Lächeln und wohlgenährten Menschen. Aus entspannten, furchtlosen Menschen. Wie war das möglich, ohne dass es ein einziges Mal klick machte?
Edition Büchergilde
Der Autor Peter Fröberg Idling reist der schwedischen Delegation in seinem Buch „Pol Pots Lächeln“ nach, besucht dieselben Orte und trifft manchmal auch dieselben Protagonisten. Versucht aus einer neutralen Position diese seltsame Reise nachzuvollziehen und die verschiedenen Positionen zu verstehen.
Suong Sikoeun erläutert, dass das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei alle Beschlüsse zu den Schweden und deren Rundreise fasste. Sogar die Wünsche der Schweden während des Besuchs wurden weitergeschleust und an höchster Stelle entschieden. Details der Beschlüsse seien ihm jedoch nicht bekannt. Dass er sich nahe am Zentrum der Macht befand (vier Kugelschreiber in der Brusttasche), tat nichts zur Sache.
Peter Fröberg Idling bedient sich in "Pol Pots Lächeln" einem oftmals leichtfüßigen Schreibstil, wie er in der Reiseliteratur gerne verwendet wird. Wenn es notwendig ist, wird er aber auch oft unaufgeregt ernst und manchmal still und poetisch. Sensibel gelingt es dem schwedischen Autor, Kambodscha während der Roten Khmer-Diktatur wie auch das gegenwärtige Kamodscha zu porträtieren. Und das politische Engagement der westeuropäischen Linken der Siebziger Jahre.