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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

30. 5. 2013 - 12:26

Artist of the Week: Tricky

Für mich gibt es bei Tricky kein gut oder schlecht. Du fühlst es - oder du fühlst es nicht. Plus: Modern Talking mit Tricky für 7 Tage on Demand.

Die Diskussion, ob es ein gewisses Maß von Leid braucht, um emotional tief gehende Musik zu produzieren, ist ein Thema bei dem ich mich eigentlich sofort ausklinke, da es für meinen Geschmack oft zynisch, voyeuristisch, respektlos wird. Aber dennoch gibt es MusikerInnen, bei denen die jeweils aktuellen Werke ein guter Indikator für die Stürme sind, die in ihrem Innern wüten.

Sinistre düstere Dubs, deren dunkle Wärme und Schönheit uns umhüllt, dafür wird Tricky seit seinem ersten Album "Maxinquaye" verehrt. Tricky hat nie Musik gemacht, bei der es ums Verstehen geht, sondern immer ums Fühlen, um ein intuitives Erfassen, und auch um ein Loslassen, auf dass man ihm in die "Twilight Zone" folgt, in der sich die eigene Geschichte und der Schmerz auflöst. Tricky stammt aus Bristol und war, als sein erstes Soloalbum erschien, Teil des Kollektivs "Wild Bunch", aus dem Massive Attack entstanden ist.

"Maxinquaye" war für mich eine neue Welt des Sounds und auch das Artwork knüpfte an nichts an, was ich zu diesem Zeitpunkt kannte. Es war völlig alleinstehend in der Größe und Schönheit und auch Tiefe. Tricky und Martina Topley Bird als Liebespaar im Innencover, er als Braut, sie als Bräutigam. Nicht schlecht für einen MC, der seine Nähe zu Gangsta Rap und jamaikanischer Yardie-Kultur immer wieder betont, Gendergrenzen schon bei seinem ersten künstlerischen "Hallo Welt" derart aufzulösen.

tricky

Alles, was er seit 1995 veröffentlicht hat, wird an diesem Debüt gemessen, das Tricky seiner Mutter gewidmet hat. "False Idols" wird von Tricky als direkte Fortführung von "Maxinquaye" gesehen. Textfragmente aus "Maxinquaye" tauchen auf, in "Does it" liegt ein Echo der Public-Enemy-Coverversion "Black Steel".

So steht jetzt auch in vielen Reviews, "False Idols" sei Trickys bestes Werk seit "Maxinquaye". Ich kann mich dem nicht anschließen, für mich gibt es bei Tricky kein Gut oder Schlecht. Du fühlst es oder du fühlst es nicht.

"I'm doing what I want to do, which is what I did with my first record. That's what made me who I was in the beginning."

Wenn man Trickys Schaffen verfolgt, dann weiß man sehr viel über seine Biographie und die seiner Familie. Maxine Quaye, Trickys Mutter, hat sich das Leben genommen und er ist ist von seinen Onkeln und seiner Großmutter in Bristol aufgezogen worden. Einen Vater gab es nie. "Maxinquaye", "Knowle West Boy", "Mixed Race" - es ist immer die Geschichte seiner Familie und seines Aufwachsens.

Schönheit, Liebe und Zärtlichkeit in Bereichen, wo man sie nicht vermutet und die Nähe zu einem Leben in der Illegalität sind Themen, die immer wieder auftauchen. Ein Geniestreich war die Platte "Product Of The Environment", auf der britische Gangster über Beats von Tricky ihre Lebensgeschichte erzählen.

Tricky

Tricky

"Dort, wo ich herkomme, hast du nicht viele Möglichkeiten, zu etwas zu werden, du wirst stereotypisiert. Ok, du kannst vielleicht Sportler werden, aber nicht viele kommen aus meiner Gegend. Deshalb habe ich begonnen, Musik zu machen - nicht um rauszukommen, sondern um zu transzendieren. Wenn ich Musik mache, bin ich weder Mann noch Frau, ich habe kein Alter, es ist wie Meditation für mich.”

Deshalb auch die verschiedenen Stimmen in seinen Nummern, erklärt mir Tricky; es sind keine Duette oder Dialoge - er ist all diese Stimmen.

Ich habe mit Religion, New-Age-Spiritualität wenig zu tun, ich habe drei Konzerte von Tricky gesehen, bei denen er in eine andere Sphäre geglitten ist und auch die Kraft hatte, Menschen im Publikum mitzunehmen. Das kann niemand außer Tricky.

tricky

Modern Talking mit Tricky: Am 30. Mai 2013 in der Homebase (19-22 Uhr)

Ich habe Tricky vor einiger Zeit in Berlin getroffen und es war ein strahlender, fröhlicher Tricky, der von seiner Verehrung für N.W.A und Eazy E gesprochen hat und darüber, dass er sich im Moment sehr für politische Theorie interessiert, die sich mit der Masseninhaftierung von schwarzen US-amerikanischen Jugendlichen beschäftigt; wie seine Freunde und Familie nicht nur über Text und Geschichte, sondern auch über den Sound in seinen Alben präsent sind und wie sehr es ihm am Arsch geht, wenn seine Teenagertochter mit Typen ankommt, die Justin Timberlake gut finden.

Modern Talking mit Tricky

Für 7 Tage als Stream on Demand zum Nachhören.

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