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Alexandra Augustin

West Coast, wahnwitzige Künste und berauschende Erlebnisse. Steht mit der FM4 Morningshow auf.

27. 5. 2013 - 19:18

Otto Muehl

Der umstrittene Aktionskünstler und Maler Otto Muehl ist „friedlich im Kreis seiner Freunde in Portugal“ an Parkinson gestorben. So steht es in den Nachrufen - die sich oft kaum kritisch und teilweise beinahe schmeichelhaft mit der Person auseinandersetzen.

Er war einer der Mitbegründer des Aktionismus und Herr über die Friedrichshof-Kommune. Sechseinhalb Jahre lang saß er wegen Kindesmissbrauchs und Drogendelikten in Haft. Während sein Kommunenprojekt gescheitert war, erlangte Otto Muehl in späteren Jahren Anerkennung als Maler. Nun ist er tot und überall sind Nachrufe zu lesen - die sich oft kaum kritisch und teilweise beinahe schmeichelhaft mit der Figur Otto Muehl auseinandersetzen.

Otto Muehl

APA/HERBERT PFARRHOFER

Man kann hier aber Kunst und Leben, Künstler und Autokrat, die Kommune als Kunstwerk und die Kommune als Ort des Schreckens nicht getrennt voneinander betrachten. Otto Muehl war oberster Gesetzgeber einer Gemeinschaft mit brutalen Regeln und hatte als solcher auch das jus primae noctis: Auf Mädchen wurde so lange Druck durch die Gemeinschaft ausgeübt, bis sie mit ihm ins Bett gingen. 1991 wurde er wegen Kindesmissbrauchs und Vergewaltigung zu sieben Jahren Haft verteilt. Muehl sagte noch nach seiner Haft: „Ich bin kein Kinderschänder. Das ist doch Blödsinn. Das waren alles entwickelte Mädchen.“

In ihrer Blütezeit Ende der 1970er Jahre umfasste die Kommune unter der Herrschaft Muehls an den Standorten Friedrichshof und La Gomera sowie in zahlreichen Stadt-Dependancen über 600 Personen – und war ein Wirtschaftsimperium, das von Entrümpelungsarbeiten über „Kurse“ bis zu Warentermingeschäften – also Spekulationen – jede Menge Geld eingenommen hat, die nach Medienberichten oft an der Steuer vorbei auf Muehls Konten im Ausland gelandet sind.

Für die KommunardInnen gab es rationierten Tabak und eine straffe Hierarchie unter dem Führer Muehl: mit Denunziationssystem und „Schwangerschafts-Erlaubnissen“, Ficklisten und demütigenden „Selbstdarstellungen“, bei denen Kommunenmitglieder ihre Verfehlungen öffentlich eingestehen mussten. Otto Muehl schuf eine Dystopie aus sexueller, emotionaler und körperlicher Gewalt, damit seine Kommunaden „frei von der Krankheit der Zweierbeziehung aufwachsen“.

Vor Kurzem ist ein Film in den Kinos zu sehen gewesen, „Meine keine Familie“ von Paul Julien Robert, der sich mit dem Menschen Otto Muehl befasst hat. Der Filmemacher Paul Julien Robert kam 1979 in der Kommune in Burgenland auf die Welt. In diesem Film setzt er sich mit seiner Vergangenheit auseinander. Und er sucht Antworten bei seiner Mutter, die in der ehemaligen Friedrichshof-Kommune Freiheit gesucht hat.

Man sollte meinen, spätestens nach seiner Verurteilung hätte auch die Kunstszene begonnen, die Figur Muehl kritisch zu betrachten. Aber Fehlanzeige. 2004 gab es im MAK eine Ausstellung: „Otto Muehl. Leben / Kunst / Werk“. Damals ist auch seinen ehemaligen Kunstkollegen wie Günther Brus der Kragen geplatzt: "So geht es nicht, seit wann ist eine Vergewaltigung ein Kunstwerk?".

Das bedenkliche ist, dass Muehl damals – wie auch nach der Verurteilung – derartig als Künstler hofiert und auch gut von Fördergeldern leben konnte. Das Burgtheater stellte ihm nach seiner Entlassung 1998 eine Bühne zur Selbstdarstellung zur Verfügung. Nachdem das damals kulturpolitisch diskutiert worden ist, hat sich Muehl nach Portugal zurückgezogen, wo er gemeinsam mit einigen Künstlerfamilien in der „Art & Life Family“-Kommune gelebt hat.

Und heute?

Schaut man heute ins Netz, wird dort mehr darüber diskutiert, wie viel seine Bilder nun nach seinem Ableben wohl Wert sein werden, als darüber, was für ein Mensch Otto Muehl war.

Manche möchten Jahrzehnte später die Kunstaktionen der Aktionisten zu denen Muehl gehört hat wegbereitend finden. Provokation ist ein gängiges Mittel in der Kunst und hat natürlich eine wichtige Berechtigung. Aber der Grat zwischen Kunst und Wahnsinn ist bekanntlich ein schmaler und Otto Muehl hat eben unter dem Denkmantel der "freien Liebe" nichts anderes gemacht, als sich am Friedrichshof ein kleines Reich aufzubauen, in dem er der Alleinherrscher war.

Er hat Menschen getäuscht, ausgebeutet und missbraucht. Da muss man nichts schön reden. Und das ist die Kehrseite der Kunstmedaille – dass auch so ein offensichtlich kaputtes und auf andere Menschen zerstörerisch wirkendes Leben wie das von Otto Muehl als Gesamtkunstwerk verkauft werden kann.