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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

27. 5. 2013 - 14:09

Fußball-Journal '13. Eintrag 19.

Ein Orden für Julius Perstaller! Wie Österreichs Fußball vor der totalen Provinzialisierung bewahrt wurde. Saison-Rückblick, Teil 1.

Das ist das Journal '13, meine regelmäßige Web-Äußerung in ungeraden Jahren. Im Gegensatz zu 2003, '05, '07, 2009 und 2011 heuer nicht täglich.

Heute wieder mit einem Eintrag ins Fußball-Journal 13: Teil 1 einer Bundesliga-Bilanz der Saison 2012/13.

Gestern um 17 Uhr 38 drückte Julius Perstaller einen Ball, der ihm gut vor die Füße fiel, mit Nachdruck über die Torlinie und rettete so den österreichischen Fußball vor seiner totalen Provinzialisierung. Oder, falls ihr meint, dass dies bereits passiert sei: Perstaller bewahrte die Branche vor noch Schlimmerem.

Sein entscheidendes, durch keine andere Tat mehr getopptes, Tor verhinderte, dass der infrastrukturell grotesk unterausgerüstete Wolfsberger AC Österreich in Europa vertritt und sie verhinderte ebenso den Abstieg eines landeshauptstädtischen Vereins mit EM-Stadion.

Andernfalls hätte nächstes Jahr eine absolute Mehrheit von Dorf- oder kleinen Kleinstadt-Vereinen die Bundesliga beherrscht - wenn nach Linz und Klagenfurt auch noch Innsbruck die Erstklassigkeit verloren hätte. Und sowas ist nur auf dem Papier lustig: es verhindert infrastrukturelle Erweiterungen und vermindert Sponsoren-Chancen. Vom Publikumsrückgang oder der internationalen Wettbewerbsfähigkeit gar nicht erst zu reden.

Andernfalls wären zwei von Österreichs fünf europäischen Abgesandten als völlig chancenlose No Names in eine Qualifikation gegangen - so ist es nur Cupfinalist Pasching, der Österreich wichtige UEFA-Koeffizienten-Punkte kosten wird.

Der bösartige Kleingeist muss diesmal hintanstehen

Ich gebe zu: dem bösartigen Kleingeist in mir hätte es gefallen, wenn Sturm Graz und Wacker Innsbruck ihre verdiente Strafe erhalten hätten.
Die einen für das blödestmögliche Management der Post-Hyballa/Tumani-Ära, das zu einem verheerenden und vorhersehbaren Niederlagenlauf unter Trainer Schopp geführt hatte; die anderen für eine Saison voller fundamentalistischem Wahnsinn und lokalchauvinistischer Verbohrtheit.

Wacker Innsbruck war der Absteiger der Herzen.

Und Sturm Graz unter Schopp, das war die Austria (unter Vastic) dieses Jahres: die schnurstracks ins Elend Tölpelnden.

Man kann davon ausgehen, dass im Fall Innsbruck kein mögliches Szenario zu irgendeinem Erkenntnisgewinn geführt hätte. Und man kann davon ausgehen, dass im Fall Sturm nur brachiales Scheitern (wie das von Vastic im Vorjahr) die verantwortlichen Augen geöffnet hätte - jetzt liegt es an den (wissenden) Fans des Vereins, die dem aktuellen Schopp-Team zurecht jede Unterstützung verweigern.

Insofern: eh wurscht.
Da ist dann also das größere Bild von größerer Bedeutung.

Die Liga auf dem Dorfplatz, der Dorfplatz in Europa

Textausschnitt vom Juli des Vorjahres: "Trainer Hütter ist ein Fitzcarraldo, ein visionärer Opern-Direktor mitten im Dschungel, der erste, der dem seltsamen Konstrukt Grödig wirklich etwas mitgeben kann."

Und weil es mit Grödig, einer vom hervorragenden Konzepttrainer Hütter gut geführten Mannschaft, wieder ein infrastrukturell grotesk unterausgerüsteter Verein neu in die Liga geschafft hat, wo man auf Kollegen wie eben Wolfsberg, den SC Wr. Neustadt und die traditionell unterbesuchte Admira trifft und somit das nicht nur optisch schlimme Bild von Dorf-Fußball bietet, schadet es nicht, wenn mit Innsbruck ein Club mit einem echten Stadion und einer echten Fan-Kurve in der Liga bleibt.

... und da die Red Bull-Zentrale in Salzburg den Paschinger Trainer bestellt und zahlt (das sagt der auch ganz öffentlich ist die direkte Abhängigkeit wohl keine Schimäre...

Und weil es eh reicht, dass es die Tölpelhaftigkeit von Red Bull und die Dummheit von Rapid zugelassen haben, dass es der FC Pasching, aktuell Regionalliga-Zweiter, nach Europa geschafft hat (sofern die UEFA das Okay gibt; das letzte Wort ist noch nicht gesprochen - die Abhängigkeit Paschings von Red Bull noch nicht ausuntersucht ...), muss sich nicht auch noch Wolfsberg (die ihre Heimspiele in Graz austragen wollten, warum nicht gleich in Maribor?) für die EL-Vorausscheidung qualifizieren und damit für zwei sichere frühe Ausfälle sorgen.

Dieses größeren Bildes willen ist Julius Perstallers Tor ein Gewinn.

Es kann den prinzipiellen Provinzialismus des Fußballs dieses Landes nicht verdecken: gerade Sturm und Innsbruck die (recht unverdient) eine zweite Chance bekommen haben, zeigen, dass auch Landeshauptstädte mit einer gewissen Urbanität (die sich immer schon am Grünwähler-Anteil feststellen lässt) allertiefstes Provinz-Schmierentheater bieten können. Und dabei ist es egal ob man sich in bester Schützen-Manier wie der Taliban verhält oder ein gut aufgestelltes Konzept einfach nicht mit Leben bzw einem ansatzweise kompetenten Personal fällen kann.

Weiter angesagt: den Provinzialismus im Herzen tragen

Genauso wenig können sich die Großmächte Rapid (wo trotz Schöttel- und bald Edlinger-Abgangs die Kacke zurecht noch schwer am Dampfen ist) und Red Bull Salzburg (wo ein "Punkterekord" das Debakel in Cup und Europa nicht wett machen kann - schafft Rasenschlacht Leipzig nächste Woche den Aufstieg in Deutschlands Liga 3, ist dort der Durchmarsch innerhalb von 3 Jahren geplant, was Salzburg dann zum Farmteam-Standort machen wird) von der Provinziliät in ihren Herzen befreien.

Die Ausnahme bildet die Austria Wien, der absolute Sieger der Saison, in jeder möglichen Hinsicht. Ich habe meinem Text aus dem Juli des Vorjahres weiterhin nichts hinzuzufügen.

Teil 2 dieser Saison-Bilanz der öster. Profiligen, die inhaltlichen Lobpreisungen und Verdammungen, folgt in den nächsten Tagen & Stunden...

In der Zwischenzeit der Hinweis auf eine Preview aufs fünfte Meistertschafts-Viertel.

Julius Perstaller übrigens wird belohnt: er wechselt aus einem Stall, in dem er gerne ohne Plan ins Spiel geworfen wurde, zu einem Verein, der seine Fähigkeiten zu schätzen und einzusetzen weiß. Die SV Ried schätzt versatile Spieler wie Perstaller, der vorderste ebenso wie hängende Spitze spielen kann und auch am rechten Flügel gute Figur macht - das passt ins System, das Spieler fördert, die dort zwei oder drei Positionen einnehmen können, was fließende taktische Umstellungen möglich macht. Ried hat - wieder einmal - aus Nichts (dürres Budget, dünne Personaldecke) das Beste gemacht und lange vorne mitgespielt, und deshalb nicht das Schicksal des SV Mattersburg, der das ähnlich, aber schließlich immer etwas provinzieller (sei es von System oder vom Management her) angegangen ist, teilen müssen.