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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

23. 5. 2013 - 13:39

EU-Ministerrat zerpflückt Datenschutzpaket

Der Parlamentsentwurf wurde im Gremium der Innen- und Justizminister in entscheidenden Punkten abgeschwächt. Verpflichtungen wurden zu Optionen degradiert.

Das Lobbying rund um den legislativen Prozess für das EU-Datenschutzpaket sei "außergewöhnlich intensiv" gewesen, so der Beauftragte für Datenschutz der Europäischen Union, Peter Hustinx, in einer Aussendung am Mittwoch. Hustinx warnte "den Gesetzgeber" eindringlich davor, dem "ungebührlichen Druck von Industrie und Drittstaaten" nachzugeben. Diese Warnung an den "Gesetzgeber" aber war eher an den Ministerrat als an das Parlament gerichtet, die in dieser Sache ja gemeinsam entscheiden.

Parallel zum Parlament, wo die Debatten in den Ausschüssen in der Regel öffentlich sind, befasst sich der Ministerrat mit der Novelle zum Datenschutz. Dort aber fallen die Entscheidungen hinter verschlossenen Türen, Parlament wie allgemeine Öffentlichkeit erfahren erst davon, wenn eine Entscheidung unter den nationalen Innen- und Justizministern ausverhandelt ist.

Datenschutz unter Druck

Wie aus diplomatischen Kreisen dennoch zu erfahren war, wurde das Datenschutzpaket im Ministerrat regelrecht zerpflückt.

Staaten mit vergleichsweise hohen, bereits existierenden Datenschutzgesetzen wie Deutschland, oder auch Österreich, gerieten in den Sitzungen der betreffenden Arbeitsgruppe des Ministerrats dabei immer stärker unter Druck. Im Wesentlichen geht es dabei um dieselben Artikel des Vorschlags von Berichterstatter Jan Albrecht (Grüne), gegen die auch auf parlamentarischer Ebene massive Interventionen vor allem seitens der Internetkonzerne aus den USA gelaufen sind.

Flaggen der USA und der EU.

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Es ist dies vor allem der Artikel 38, der die Verwendung von bereits erhobenen Daten und deren Verknüpfung mit weiteren Datensätzen regelt. Allein für diesen Punkt warten 50 parlamentarische Abänderungsanträge darauf, in die neueste Fassung eingearbeitet zu werden. Insgesamt sind es 4.000, teils nur wenig abweichende Abänderungsvorschläge auf Parlamentsebene, die eingegangen sind. Parallel dazu erstellt der Ministerrat seine eigene Version, nach derzeitiger Sicht wird diese massiv davon abweichen.

Das Richtlinienpaket wird im federführenden Innenausschuss derzeit bearbeitet. Für die für Anfang Juni angesetzte Entscheidung müssen 4.000 Änderungsanträge eingearbeitet werden. Danach wird sich das Plenum des Parlaments in erster Lesung befassen. Fraglich ist nur, ob das noch vor der Sommerpause Ende Juli sein wird.

Aus Pflicht wird Option

So wurde Artikel 35, der die verpflichtende Bestellung eines Datenschutzbeauftragten in Betrieben ab 250 Mitarbeitern vorsieht, bereits im März per Ministerratsbeschluss optional gemacht. Hinter diesem Beschluss, aus einer Verpflichtung eine bloße Möglichkeit zu machen, stehen Frankreich, Großbritannien, Holland, Italien, Polen, Spanien, und mehrere kleinere Mitgliedstaaten.

Darauf beschränkte man sich jedoch nicht. Bei der letzten Sitzung in der betreffenden Ratsarbeitsgruppe am 15. Mai waltete dort regelrechte Obstruktion. Die Briten wollten außerdem noch mehrere Absätze aus dieser Kann-Bestimmung vollständig streichen, Spanien fand, ein optionales Modell brauche ohnehin nicht näher definiert werden. Den zugehörigen Artikel 36 wollten die Vertreter beider Staaten dann überhaupt streichen lassen.

Vorbehalte über Vorbehalte

Der Vertreter der Kommission meldete am 15. Mai erneut Vorbehalt gegen den gesamten Ratsbeschluss an, die Berufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten als reine Option zu formulieren. Auch in dieser Sitzung kamen zu den bereits bestehenden Prüfungsvorbehalten noch weitere dazu.

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Der weitaus größere zivilrechtliche Teil des Datenschutzpakets ist nicht in Form einer Richtlinie abgefasst, sondern als Verordnung. Während eine Richtlinie bei ihrer Umsetzung in nationales Recht zwangsläufig erheblichen Spielraum lässt, muss eine Verordnung im Wortlaut umgesetzt werden.

Mit "Drittstaaten" meint der europäische Datenschutzbeauftragte vor allem die USA, die über ihre Handelskammer bereits im Jänner erhebliche Verstimmung signalisiert hatten.

Das Fiasko der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, deren Umsetzung zu einem legislativen Fleckerlteppich geführt hatte, war einer der Gründe, warum man hier zum Instrument der Verordnung griff.

Österreich bleibt in Deckung

Tatsache ist, dass Länder mit vergleichsweise starken Datenschutzgesetzen wie Deutschland oder Österreich ziemlich in die Defensive gerieten. Österreichs Vertreter legten ebenfalls mehrere Vorbehalte ein.

Der ursprüngliche Zeitplan, der eine erste parlamentarische Lesung noch vor der Sommerpause vorsieht, wird so nicht halten. Die Arbeitsgruppe des Ministerrats wird sich erst Mitte Juni mit der zweiten Tranche der Verordnung - Artikel 40 bis 79 - zum zweiten Mal befassen können. Es ist nicht zu erwarten, dass dieser zweite Teil ohne erneute Vorbehalte abgehandelt wird.

Die irische Ratspräsidentschaft hatte zu Jahresbeginn angeregt, bei Verstößen gegen das Datenschutzgesetz sollten Geldstrafen optional sein, je nach Ermessen sollten zuerst vielmehr "Ermahnungen" oder "Rügen" ausgesprochen werden.

Weitere Änderungen unbekannt

Dabei muss erst noch eine Unzahl von bestehenden Vorbehalten gegen Passagen der ersten 39 Artikel ausverhandelt werden. Dass die konsolidierte Fassung für den Ministerrat wie vorgesehen Ende Juni auf dem Tisch liegt, ist mittlerweile sehr unwahrscheinlich.

Welche weiteren, grundlegenden Veränderungen seitens der Ratsarbeitsgruppe am Text des Berichterstatters vorgenommen wurden, ist derzeit unbekannt. Die betreffenden Sitzungen finden hinter verschlossenen Türen statt. Was veröffentlicht wird, entscheiden die nationalen Innen- und Justizminister. Auch der europäische Datenschutzbeauftragte hat in diesem Entscheidungsprozess nichts mitzureden. Er ist auf Ebene des Ministerrats nur dann eingebunden, wenn er dazu eingeladen wird.