Erstellt am: 22. 5. 2013 - 02:14 Uhr
"Xbox, go Home!"
Das eine, ultimative Gerät fürs Wohnzimmer soll es werden. Zum Spielen, Schauen, Sprechen. Nahtlose Übergänge von einer Tätigkeit zur nächsten seien durch seine schnelle Rechenleistung garantiert, bequeme Benutzerführung wäre selbstverständlich. TV-, Film- und Gaming-Services sollen aus einer Hand kommen, das allumfassende Entertainment-Erlebnis würde keine zusätzlichen Geräte notwendig machen.
So stellt sich Microsoft die Zukunft der interaktiven Unterhaltung vor. Alles in einem, das ist das Motto der kommenden Xbox One - es steckt ja auch im Namen. Ebenso, wie zuvor Konkurrent Sony vor drei Monaten hat nun auch der IT-Riese aus Redmond seine neue Spieleplattform vorgestellt. Mit der Xbox One ist nach der Wii U von Nintendo (im November des Vorjahres erschienen) und der PlayStation 4 nun die neue Generation der klassischen drei Spielekonsolenhersteller komplett.
Alles am Fernseher
In den letzten zwei Jahren wurde viel über das langsame Sterben des Konsolen-Gaming spekuliert, doch trotz des oftmaligen Hochpreisens des PCs als offene und vielseitige Spieleplattform und des Aufwinds von Smartphone- und Tablet-Gaming sprechen die Zahlen auf den Konsolen eine andere Sprache. So hat sich etwa "Call of Duty: Black Ops 2" für PlayStation 3 und Xbox 360 im Vorjahr unfassbare 20 Millionen mal verkauft. Kein Wunder also, dass Microsoft in der Xbox One Pressekonferenz den Fernseher auch für die nächste Gerätegeneration als Zentrum des Home Entertainment sieht.
Xbox
Starke Interfaces
Xbox hat immer schon mit durchdachten Interfaces und guter Benutzerführung punkten können: Das sogenannte "Dashboard", also das Bedienmenü auf der Xbox 360, ist schon seit Jahren intuitiv, Software-Updates gehen schnell von der Hand. Der Game-Controller der Xbox 360 (auch am PC einsetzbar) gilt systemübergreifend als Referenz und ist historisch gesehen eines der besten Spiele-Interfaces überhaupt. Im Herbst 2011 hat Microsoft mit der Bewegungssteuerung Kinect einen weiteren großen Wurf geliefert, der in vielen technischen Sparten Innovationen gefördert hat und fördert. Dem gegenüber steht die Hardware: Die originale Xbox war schwer und klobig, im Wesentlichen ein PC in einem grünen Plastikgehäuse. Die Xbox 360 ist auch schwer, laut und war noch dazu lange Zeit unverlässlich - der berüchtigte "Red Ring of Death" ist in die Annalen der Gaming-Geschichte eingegangen.
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In Sachen Hardware wird bei der Xbox One Pressekonferenz dementsprechend nicht ins Detail gegangen. Man zeigt das schicke Gehäuse von allen Seiten und spricht von "8-Core-x86-Prozessor und über 5 Milliarden Transistoren", die alles unglaublich smooth machen würden - es ist nicht zu viel und nicht zu wenig Information. Weil man Xbox aber in Sachen Benutzerführung vertraut, beschäftigt sich ein Großteil der Präsentation nur damit. Der Redner auf der Bühne gibt dem Gerät unzählige Sprachbefehle à la "Siri", der kurioseste unter ihnen ist zweifellos "Xbox, go Home!" - als Anweisung, dass das Gerät wieder den jeweiligen Startbildschirm anzeigen soll. Die für die Xbox 360 zusätzlich entwickelten Technologien Kinect und SmartGlass (zur Anbindung von externen Smartphones und Tablets) sind nun werksseitig mit dabei. Kinect wurde generalüberholt und misst unsere Körper jetzt noch genauer - angeblich bis hin zum Herzschlag. Ein neues Spielfeld für hackende Hobbymediziner?
Nur die dicksten Fische
Microsoft setzt mit der Xbox One so sehr auf das Zusammenwachsen von den diversen Unterhaltungsformen im Wohnzimmer, dass auf den eigentlichen Kern der Konsole - Videospiele - im ersten Teil der Konferenz nahezu vergessen wird. Im Gegensatz zur PlayStation 4-Enthüllung wird das Spiele-Portfolio hier durchgehend stiefmütterlich behandelt. Das, was schlussendlich vorgestellt wird, ist mehr als erwartbar: ein neuer Tross an "EA Sports"-Spielen kommt auf uns zu, natürlich ein dickes, neues "Call of Duty" und der fünfte Teil der hauseigenen Autorennspielserie "Forza Motorsport". Kleine Spiele oder Indie-Games werden komplett ausgelassen. Nur ein mysteriöser Katastrophen-Trailer eines neuen Titels namens "Quantum Break" wird gezeigt, und man verspricht immerhin 15 exklusive Spiele, davon acht neue Serien für die Xbox One im ersten Jahr.
Erste Welt Konsole?
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Während der Konferenz wird auf Twitter - neben der üblichen Kritik zu den aktuellen Geschehnissen - vermehrt darüber geraunt, dass Microsoft mit seiner "All in One"-Idee quasi ein aufgeblasenes Entertainment-Monster schaffen würde, das für die weißen Kids aus reichen Haushalten mit ihren riesigen Flatscreens und geräumigen Zimmern maßgeschneidert wäre. Es stimmt schon: Schlank und zielgerichtet wirkt die Xbox One nicht, im Gegenteil. Zwar ist das Konzept dahinter stringent und die Multimedia-Idee wird offenbar konsequent durchgezogen. Aber was, wenn man mit der Konsole einfach "nur" spielen will? Sich die DVDs/Blue Rays lieber am alten Netbook ansieht und die Serien via Stream im Browser? Und es gewohnt ist, am Tablet zu telefonieren? Dann zahlt man für ein Unterhaltungs-Paket, dessen Fülle man eigentlich lieber ausdünnen würde.
Xbox One zwingt einem unter dem Vorwand der angeblich bahnbrechenden Bequemlichkeit jede Menge Firlefanz auf, den es auf lange Sicht wohl nicht oder nur selten braucht. Darüber hinaus sind die meisten der angekündigten Services rein auf die USA fokussiert - etwa eine Kooperation mit dem American Football Verband NFL (National Football League). Das war und ist schon bei der Xbox 360 ein Problem: Die meisten der von Xbox angebotenen Dienste und TV-Streaming-Angebote sind auf USA/Kanada beschränkt. In kleinen europäischen Ländern wie Österreich wird aufgrund des eingeschränkten Marktes und oftmaliger Lizenzschwierigkeiten nur ein Bruchteil der angepriesenen Möglichkeiten tatsächlich auch zur Verfügung gestellt.
Soziale Funktionen noch vage
Sony hat mit der PlayStation 4 teils sehr konkrete Anwendungsmöglichkeiten vorgeführt, wie etwa - mit einer speziellen "Share"-Taste am Controller - Spieleinhalte mit Freund/innen geteilt werden oder andere Gamer die eigene Spielesession übernehmen können. Zwar wurde auch für Xbox One eine Videoaufnahmefunktion angekündigt, ebenso wie ein Matchmaking-System und eine künstliche Intelligenz, die mit der Zeit den eigenen Spielstil imitieren soll. Wie diese Funktionen aber genau aussehen sollen, darüber ist noch nichts verraten worden.
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Nach genau einer Stunde ist die Vorstellung der dritten Xbox-Konsole auch schon wieder vorbei - Sony hat sich doppelt so viel Zeit genommen und auch eine buntere Mischung aus Menschen auf die Bühne geholt. Bei Microsoft wirkt alles eher slick und großspurig, Marketing-Leute mit geschwellter Brust und US-amerikanischem Kaugummi-Akzent verströmen nur mäßig Sympathie. In Asien wird Microsoft mit der Xbox unter anderem deshalb wohl weiterhin unattraktiv bleiben - dafür sind die Stars and Stripes und alles, was dazugehört, zu sehr in den Genen der "Äääääxxx Baaaaxxx" verhaftet.
Bis die Xbox One - rechtzeitig zum nächsten Weihnachtsgeschäft - auf den Markt kommt, werden wir noch einiges an Detailinformationen zu den kommenden Funktionen und Spielen erhalten. Hoffentlich werden die kulturellen Einflüsse und Möglichkeiten bis dahin noch heterogener und es finden unterschiedliche Videospiel-Lebenswelten Einzug in das Xbox-Gesamtwerk. Bei dem Motto wie "Alles in einem" sollte man doch eigentlich davon ausgehen können.