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Rainer Sigl

Spiel, Kultur, Pop im Assoziationsblaster.

26. 5. 2013 - 10:34

Fight at the End of the Tunnel

"Metro: Last Light" schickt Spieler erneut in die Tunnel unter dem postapokalyptischen Moskau.

THQ/4A

Pilzsuppe. Jeden Tag Pilzsuppe. Beengte, stinkende Quartiere, tief unter der verstrahlten Erdoberfläche, und in den U-Bahn-Tunneln, die die wenigen Inseln menschlichen Lebens verbinden, lauern Geister, Mutanten und Riesenspinnen. Hier, in den letzten Taschen menschlicher Zivilisation, haben sich aber auch die alten Animositäten gehalten: Militante Nazis kämpfen gegen neu erstarkte Sowjets, während kaltblütige Kapitalisten mit allen Geschäfte treiben.

Das Leben unter der Erde ist hart in der postapokalyptischen Horrorwelt, die der junge russische SF-Autor Dmitri Gluchowski mit seiner "Metro"-Reihe erschaffen hat, und "Metro: Last Light", der soeben erschienene zweite Teil der Spielumsetzung dieses Bestsellers, gibt sich alle Mühe, uns die Klaustrophobie, Atmosphäre und Melancholie dieses trostlosen Settings nahezubringen.

Im Guckkasten-Polydram

In der Gestalt des jungen Artyom setzen wir die Story des ersten Teils nahtlos fort und werden wieder, wie in einer Achterbahnfahrt, abwechselnd tief unter die Erde und nach ganz oben, ans verstrahlte Moskau der Oberwelt geführt. Wie schon der Vorgänger führt uns unsere Reise dabei zu den verschiedenen Fraktionen unter Tage, und trotz aller mutierten Fauna bleibt auch hier der Mensch des Menschen Wolf. Dank überarbeiteter Stealth-Mechanismen bleibt uns diesmal aber öfter die Wahl zwischen direkter Konfrontation und vorsichtigem Schleichen - und angesichts der unzähligen Dialogzeilen, die der ukrainische Entwickler 4A-Games seinen in den Tunneln patrouillierenden Endzeitbewohnern gegönnt hat, fällt einem kaltblütiges Vorgehen doppelt schwer.

Denn "Metro: Last Light" erschlägt seine Spieler fast mit verschwenderisch ausgebreiteter Atmosphäre. Besonders in den bewohnten Metrostationen, in denen man zum Großteil ganz ohne Waffeneinsatz unterwegs ist, reihen sich liebevoll gestaltete kleinere, aber durchaus auch größere geskriptete Szenen aneinander, als deren Zeuge man zwangsläufig tief in die Endzeitwelt gezogen wird.

THQ/4A

Beinahe fühlt man sich dabei wie der Besucher einer jener Theater-Performances, die sich ihren Besuchern in großen Locations zum Selbst-Durchwandern präsentieren: Am Eingang zu einer Station lamentiert ein Bettler über den Untergang des kulturellen Lebens, weiter hinten belauscht man die Showgirls beim Ablästern über männliche Dummheit, und dazwischen hat man Gelegenheit, die kümmerlichen Reste des postapokalyptischen Showbusiness in einer mehrteiligen Nummernrevue zu bewundern - ein faszinierendes und erstaunlich dichtes Guckkasten-Polydrama, das zwar letztlich linear, aber zum Großteil völlig optional ist - wer ungeduldig durch die Bunker sprintet, verpasst somit eine der Hauptattraktionen des Spiels.

Auf Schienen unter Tage

Linearität ist ohnedies großes Thema: Gerade weil "Metro: Last Light" bei aller Atmosphäre und geskripteter Endzeitmelancholie eine Geschichte straff erzählen will, ist es ohne Zweifel, wie schon der Vorgänger, wohl eindeutig zu den linearsten First-Person-Shootern zu zählen. Unterirdisch geben ja schon die Tunnel recht eindeutig die Richtung vor, in die uns die kurzweilig erzählte Geschichte treibt, doch auch die beeindruckend gestaltete Oberwelt täuscht Offenheit nur vor: Oben wie unten ist man als Spieler letztlich fast wie auf Schienen unterwegs.

THQ/4A

Das mag all jene enttäuschen, die angesichts der ähnlichen Ästhetik auf ein offenes Spielerlebnis à la "S.T.A.L.K.E.R." gehofft hatten, den Freunden erzählender First-Persion-Shooter der "Half-Life"-Schule kann's egal sein: Von seltenen technischen Stotterern abgesehen entfaltet die zum Teil eindrucksvoll rasant geskriptete Handlung ihr Potenzial als abwechslungsreiches Action-Adventure, in dem sich Schleichpassagen und Feuergefechte vor immer neuen Schauplätzen abwechseln. Wie schon im Vorgänger vermitteln kleine Details (wie die Notwendigkeit, alle paar Minuten das Visier seiner Gasmaske zu säubern) zusätzlich atmosphärischen Eindruck.

Viel Licht, aber auch Schatten

"Metro: Last Light" ist für Windows, PlayStation 3 und Xbox 360 erschienen. Wie so oft ist der englischen Synchronfassung der Vorzug zu geben.

"Metro: Last Light" ist tatsächlich einer der gelungeneren Vertreter seiner Sparte, des narrativen Single-Player-Shooters, geworden, und das, obwohl die Produktionsbedingungen in der Ukraine allem Vernehmen nach zum Teil haarsträubend gewesen sein dürften. Umso unverständlicher ist es, dass einige wenige unschöne Details die reine Freude am Erfolg dieses Underdogs trüben: Das vereinzelte recht rustikale und stets pubertär bleibende Herumgewackle mit Pixelbrüsten etwa bringt nicht nur Radikalfeministen zum Augenrollen, und für die Schnapsidee, den vor allem von Fans herbeigesehnten höchsten "Ranger"-Schwierigkeitsgrad nur Vorbestellern kostenlos zugänglich zu machen, gebührt den Entwicklern eine Extra-Ohrfeige.

Abgesehen von diesen erwähnenswerten Makeln bleibt "Last Light" aber den Qualitäten seines ebenso sehr guten Vorgängers treu: Auch "Metro: Last Light" ist eine lineare, aber kurzweilige und vor allem atmosphärisch außergewöhnliche Achterbahnfahrt durch eine dystopische Science-Fiction-Endzeit.