Standort: fm4.ORF.at / Meldung: ""Ich hab mit 80 mehr Hetz als damals mit 18""

Elisabeth Scharang

Geschichten über besondere Menschen und Gedankenschrott, der für Freunde bestimmt ist.

19. 5. 2013 - 13:44

"Ich hab mit 80 mehr Hetz als damals mit 18"

Die ehemalige Osteuropakorrespondentin Barbara Coudenhove-Kalergi über ihre japanische Großmutter und den fehlenden Schmäh von Erich Honecker. In einem FM4 Doppelzimmer spezial am Pfingstmontag.

Wenn Barbara Coudenhove-Kalergi spricht, ist man als ihr Gegenüber im selben Moment nach Prag, Polen oder Ungarn versetzt. Ihre Stimme und ihre Art zu erzählen, sind unverrückbar mit der Osteuropakorrespondentin verknüpft, die im ORF 1989 über den Fall der Berliner Mauer berichtet hat. Nur, dass sie inzwischen 80 Jahre alt ist und mir gerade über Bimbi erzählt, ihren ehemals besten Freund. Zwei der Brüder ein paar Jahre älter, der Kleinste ein Nachzügler, so ist Barbara als Kind viel mit sich allein und bestreitet die großen Abenteuer ihrer Kindheit mit ihrem Lieblingsstofftier Bimbi.

Barbara Coudenhove-Kalergi im FM4 Studio

FM4

FM4 Doppelzimmer spezial am Pfingstmontag: Zu Gast bei Elisabeth Scharang ist diesmal Barbara Coudenhove-Kalergi.

Was ist ein Böhme deutscher Zunge?

Den nimmt sie auch mit, als ihre Familie 1945 Prag und das Zuhause von einem Tag auf den anderen verlassen muss, als es zu Übergriffen auf die deutsche Minderheit kommt. Nicht so einfach, das Verhältnis von Barbara Coudenhove-Kalergis Vater zum Deutschnationalismus einzuschätzen. Er sprach Deutsch und Tschechisch und hat sich von je her als "Böhme deutscher Zunge" bezeichnet. Gemeinsam mit seiner Frau, Barbaras Mutter, bewegte er sich in einem Kreis von internationalen Diplomaten und Adel in einer eigenen Blase mitten in Prag. Während seine Brüder mit ihren jüdischen Frauen meist schon vor 1938 emigrierten, wusste er sich zu arrangieren. Die Buben und Barbara kamen zur HJ und das Leben ging seinen fast gewohnten Lauf.

Wer rettet mich aus der Landhölle?!

Im Zuge der Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei ist die Familie mitgespült worden. Ohne Geld, das gesamte Hab und Gut in der Prager Villa zurückgelassen, landen die Coudenhove-Kalergis im Salzburger Lungau. Dort verbringt Barbara ihre Kindheit. Mit einem vorherrschenden Gedanken: Raus aus dieser Landhölle! Ich will in die Großstadt!!

Barbara Coudenhove-Kalergi im FM4 Studio

FM4

"Ich war in Salzburg eine Schülerin mit Migrationshintergrund. So formuliert man das heute. Die Leute waren allerdings damals gegenüber Flüchtlingen, egal aus welcher Richtung sie kamen, sehr hilfsbereit. Eigenartig, wenn man sich die Skepsis und die Ablehnung heute ansieht, wo doch ein viel größerer Wohlstand herrscht als nach dem Krieg 1945.“

Seit Barbara Coudenhove-Kalergi als Korrespondentin in Pension ist, unterrichtet sie zwei Mal die Woche Deutsch für Asylwerber und Flüchtlinge. Sie hat dafür eine Ausbildung gemacht und sich neben ihrem politischen Engagement gegen Ausländerfeindlichkeit dieser praktischen Unterstützung verschrieben.

Wie beschreibt man Antisemitismus?

Buchcover: Zweimal Barbara Coudehoven-Kalergi in derselben Lesehaltung am Schreibtisch, einmal jung, einmal heute

Zsolnay Verlag

Buchtip: Zu Hause ist überall. Erinnerungen von Barbara Coudenhove-Kalergi. Erschienen 2013 im Zsolnay Verlag. 2013

Nochmal angesprochen auf die politische Haltung ihres Vaters, erzählt Barbara Coudenhove-Kalergi von ihrer Heirat mit dem "Oberkommunisten von Wien". Sie habe ihrem Vater vorerst nicht gesagt, dass sie Franz Marek geheiratet habe: den Widerstandskämpfer, Kommunisten und Juden; den sie heute noch als die große Liebe ihres Lebens bezeichnet und der Ende der 70er Jahre viel zu früh gestorben ist.

Die nachträgliche und nicht freundliche Reaktion des Vaters war schließlich auch der Grund, dass Vater und Tochter für einige Jahre keinen Kontakt hatten.
Das ist er also, dieser tiefsitzende Antisemitismus, der vor keiner sozialen Schicht und Bildung halt macht.

Wie macht man als Frau eine Journalismuskarriere?

Wir durchstreifen Frau Coudenhove-Kalergis journalistische Laufbahn; in einer Zeit, in der Frauen in Zeitungsredaktionen meist nur fürs Kaffeekochen zuständig waren. Sie erzählt von Tiefschlägen und Höhenflügen und wir landen schließlich im Kloster. So überraschend wie das gesamte Leben dieser beeindruckenden Frau.

Das gesamte Gespräch mit der ehemaligen Osteuropakorrespondentin Barbara Coudenhove-Kalergi hört ihr am Pfingstmontag in einem Doppelzimmer spezial von 13 bis 15 Uhr und nach der Sendung an dieser Stelle für sieben Tage zum Nachhören.

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Die Playlist zur Sendung:

1. Stunde
Ruede Hagelstein &The Noblettes Berlin
Primal Scream Come Together
Exuma You Don't Know What's Goin' On
DJ Koze Ada Homesick
PJ Harvey The Words That Maketh Murder
Soap & Skin Marche Funebre (Dj Koze Rx)
Nick Cave & The Bad Seeds We No Who U R
Beirut The Vagabonds Of Old Town
2. Stunde
Sir Tralala Bound
Speech Debelle Spinnin'
Benjamin Biolay Little Darling
Lo Borges Equatorial
Sasha Kolpakov Starushka
Gustav Rivers Edge
Decemberists Sons & Daughters