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Barbara Köppel

Durch den Dschungel auf die Bühne des Lebens.

15. 5. 2013 - 20:15

Ein Plädoyer für die Erde

Die britische Juristin Polly Higgins will ein weltweit gültiges Gesetz gegen Umweltverbrechen durchsetzen. Österreich soll ihr dabei helfen.

Öl-Bohrungen in der Arktis oder im Meer, die Abholzung des Regenwalds, Saatgut-Patente oder Pestizide in der Landwirtschaft: all das bezeichnet die britische Anwältin Polly Higgins als Ökozid (engl. Ecocide). Gemeint ist damit die Zerstörung der Umwelt durch große Konzerne.

Genau dagegen will die Umweltaktivistin nun ein international verbindliches Gesetz durchsetzen.

  • Ökozid ist laut juristischer Definition "die erhebliche Beschädigung, Zerstörung oder der Verlust von Ökosystemen eines bestimmten Gebietes durch menschliches Handeln oder andere Ursachen in einem Ausmaß, das die friedliche Nutzung dieses Gebietes durch seine Bewohner stark einschränkt oder einschränken wird".

Als Strafen für Umweltverbrechen sollen Unternehmen allerdings nicht einfach Bußgelder zahlen, die in Budgets ohnehin oft fix einkalkuliert sind, sondern - und das ist die große Neuerung - Konzernchefs, Investoren und Minister sollen für umweltschädliche Entscheidungen persönlich vor Gericht gestellt werden können.

"Die Frage, ob man im nächsten Jahr noch mit seinen Kindern auf Urlaub fahren kann, ist für CEOs und Banker oft ein besserer Anreiz, ökologisch nachhaltig zu wirtschaften", sagt Polly Higgins. Denn solange Ozeane, Böden und Wälder als rechtsfreie Räume gelten, könnte man weiterhin alles, was dort nicht dezidiert verboten ist, als juristisch zulässige Handlung auslegen.

Das Ökozid-Gesetz sieht allerdings eine Übergangsperiode vor, innerhalb derer keine Strafverfolgung zu befürchten wäre. Auf diese Weise würden die Energiewende und der Umstieg in eine grüne Wirtschaft beschleunigt.

Ökozid als Verbrechen gegen den Frieden

Polly Higgins hat nun die österreichische Bundesregierung dazu aufgefordert, ihr bei der Einführung dieses Gesetzes zu helfen.

Polly Higgins, britische Juristin, hat bei der UNO einen Antrag für ein Ökozid-Gesetz gegen Umweltverbrechen eingebracht.

http://pollyhiggins.com/

Polly Higgins ist derzeit in Österreich und spricht am Donnerstag, den 16. Mai bei den ERDgesprächen in der Wiener Hofburg.

Verbrechen gegen die Umwelt sollen neben Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) klagbar werden. Diese vier Tatbestände sind im Rom-Statut des IStGH verankert. 121 Staaten haben diesen Vertrag unterschrieben. Nur einer davon müsste einen Änderungsantrag einbringen, um über das Ökozid-Gesetz abstimmen zu können und es als fünftes Verbrechen gegen den Frieden zu etablieren.

"Österreich soll dieses Land sein und hier in der internationalen Arena die Führung übernehmen", sagt Polly Higgins. "Mit seiner Stimme gegen Atomkraft und Gentechnik hat Österreich schon mehrmals Weitblick bewiesen."

Ökozid unter Strafe zu stellen, war zudem schon Mitte der 90er-Jahre in den Vertragsentwürfen zum IStGH vorgesehen. Österreich hat diesen Vorschlag damals unterstützt. Ein entsprechender Paragraph scheiterte jedoch an der Ablehnung von nur vier Vertragsstaaten.

Einer für alle und alle für einen

Prominente Unterstützer hat Higgins in der Gründerin der Grünen Freda Meissner-Blau und in Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit gefunden.

Österreich könnte durch den Ökozid-Gesetzesantrag in der internationalen Umweltpolitik endlich wieder eine Vorreiterrolle übernehmen, sagen beide. "Nachdem unser Image in Europa in letzter Zeit etwas ramponiert wurde, sehe ich es als Verpflichtung und enorme Chance für Österreich an, hier mit dieser Initiative voranzugehen", so die Öko-Pionierin.

Sollten die Grünen nach der Nationalratswahl im Herbst in die Regierung kommen, wünscht sich Meissner-Blau sogar, dass sie das Ökozid-Gesetz zur Bedingung für eine Koalitionsbeteiligung machen.

Ein Ökozid-Gesetz kann funktionieren

Der Gesetzes-Entwurf von Polly Higgins liegt seit letztem Jahr allen
Regierungen der Welt vor.

  • Freiwillige haben die Europäische BürgerInneninitiative "Endecocide" ins Leben gerufen. Werden bis Jänner 2014 mindestens eine Million Unterschriften gesammelt, muss sich die EU-Kommission mit dem Antrag auseinandersetzen. Derzeit steht die Petition bei knapp 24.000 Stimmen.

Fiktive Verhandlungen am Obersten Gerichtshof von Großbritannien haben bereits gezeigt, dass ein Ökozid-Gesetz in der Praxis funktionieren kann. Die Vorstandsvorsitzenden der Gesellschaften, die in den kanadischen Athabasca-Ölsanden aktiv sind, wurden im Probeprozess für schuldig befunden.

Mit 54 Ländern hat die Umwelt-Aktivistin Higgins bereits Gespräche geführt. "Hinter den Kulissen gibt es für das Ökozid-Gesetz massive Unterstützung", verspricht sie. Man müsse den einzelnen Regierungen lediglich Zeit lassen, um die Vorlage zu prüfen und Verständnis und die Unterstützung in der Bevölkerung dafür zu gewinnen.

Die Frage sei auch nicht, ob jemand das Ökozid-Gesetz auf die Tagesordnung bringt, sondern, wer, ist Alexander Egit von Greenpeace überzeugt. Länder wie Dänemark oder Norwegen seien in dieser Hinsicht sehr progressiv.

Polly Higgins hat den Ball im Moment aber erst einmal Österreich zugespielt. Sollte es zur Abstimmung kommen, müssten mindestens 80 weitere Länder zustimmen.