Erstellt am: 17. 5. 2013 - 10:22 Uhr
The Cabin in the Woods
CHRISTIAN: Da sitzen wir wieder einmal zusammen und parlieren, Sebastian Selig und meine Wenigkeit, diesmal mit Dr. Nachtstrom als Drittem im Bunde. Drei Filmbesessene, die aus unterschiedlichen Richtungen kommen, lassen ihren Assoziationen zu diversen Streifen freien Lauf und driften dabei schon mal ins fantechnische Delirium. Alles mit voller Absicht natürlich.
DOC: Diesmal haben wir den virtuellen Kamin aber gegen einen echten getauscht und uns für diese Dialogprotokolle in eine Hütte im Wald zurückgezogen. Was uns diesmal zusammenbringt, ist nämlich ein Film, auf den Splatterfans in letzter Zeit mehr als auf alles andere gewartet haben.
DOKTOR NACHTSTROM comoderiert das FM4 House of Pain, ist Journalist, Musiker, Autor und begeisterter Blogger - und verbringt seit Jahrzehnten seine Freizeit mit seinem Lieblingsgenre Horror - in literarischen und filmischen Dosen.
CHRISTIAN: Die Rede ist natürlich vom Remake des legendären Schockers „Evil Dead“. Mit billigsten Mitteln inszenierte Regisseur Sam Raimi 1981 das Original und schrieb damit Horrorgeschichte. Dem bis heute umstrittenen Film folgten zwei Fortsetzungen, in denen der schwarze Humor forciert wurde. Sam Raimi, spätestens seit den "Spider-Man"-Filmen einer der erfolgreichsten Regisseure der Gegenwart, saß beim Remake nur im Produzentensessel. Regie bei „Evil Dead“ anno 2013 führt der Newcomer Fede Alvarez. Ähnlich geblieben ist die Story um eine Gruppe Twentysomethings, die in einer Hütte im Wald die Hölle erleben.
SEBASTIAN SELIG lebt im Kino und schreibt darüber in Magazinen wie Hard Sensations, NEGATIV, Splatting Image oder der Deadline. Im Juli erscheint das Buch „Dario Argento – Anatomie der Angst“ in welchem er von seiner Reise zu den Drehorten von „Suspiria“ berichtet.
Anchor Bay
Klatuu Verata Nektu!
SEBASTIAN: Wie kein zweiter Film war „Evil Dead“ oder „Tanz der Teufel“, wie er bei uns hieß, Gesprächsstoff auf beinahe jedem Pausenhof. Kurz nach seinem Erscheinen in Deutschland von der bevormundenden Erwachsenenwelt „bundesweit beschlagnahmt“, sprich: absolut und mit Nachdruck verboten, galt er damit quasi per amtlichem Attest als der „schlimmste Horrorfilm“ von allen. Also als der Film, den jeder zwischen 13 und 18 gesehen haben musste, die ultimative cineastische Mutprobe. Selbst Schüler, die sonst eigentlich keine Horrorfilme sahen, kamen an dem nun nicht mehr vorbei, war er doch spätestens nach dem Verbot filmisches Gesprächsthema, wie in dieser Aufgeregtheit sonst vielleicht nur noch ein neuer „Krieg der Sterne“. Eine grieselige, fast schon schwarz/weiße Videokassette mit gewaltig dramatischen Dropouts, wurden da mit einer Ehrfurcht rumgereicht, wie man das so heute vielleicht fast nicht mehr nachvollziehen kann. Doc, Christian, wie habt ihr euer erstes Mal mit dem Teufel tanzen erlebt?
DOC: Da in Österreich die Sittenwächter ja eher milde walten, durfte ich “Tanz der Teufel” damals nahezu ungeschnitten erleben - zwar nicht im Kino, sondern aus der Videothek ausgeliehen. Da meine damals streng katholischen Eltern nur einen kleinen Schwarzweiß-Fernseher besaßen, der noch dazu in einem Kasten im Schlafzimmer eingesperrt war und nur zu “ausgewählten Filmen” hervorgeholt werden durfte, war das die Zeit, in der ich mir immer einen dieser ominösen “Videoplayer” in der Videothek ausborgen musste. Plus Farbfernseher! Dafür musste man damals 1000 Schilling Einsatz zahlen!
CHRISTIAN: Klingt nach einem schönen Nachtrag zur Plauderei über das Videothekenzeitalter unlängst hier an dieser Stelle…
Im Frühjahr 1979 zieht sich eine Gruppe von Freunden in die Wälder von Michigan zurück. Im Gepäck: Eine Super-8-Kamera und jede Menge Kunstblut. Eine kleine Horrorkomödie namens "Within The Woods" entsteht, die ausreicht um eine Handvoll Investoren von dem Projekt zu überzeugen. Das Team bricht noch einmal auf, diesmal nach Tennessee und mit großen Ambitionen. Der Regisseur ohne irgendeine Ausbildung hört auf den Namen Sam Raimi.
Unter schwierigsten Bedingungen dreht Raimi mit seinen Kumpels einen Low Budget-Schocker namens „The Evil Dead“. Die simple Geschichte kreist um eine Gruppe von Jugendlichen, die in einer einsamen Waldhütte auf das Grauen stößt. Die Hauptrolle des armen Ash, der von Dämonen verfolgt, verletzt und verwandelt wird, übernimmt ein Typ aus Sam Raimis Freundeskreis, der noch nie eine Schauspielschule von innen gesehen hat: Bruce Campbell.
„Evil Dead“ kommt zur richtigen Zeit. 1981 ist der Hunger nach Horrorfilmen im Kino groß, auch im deutschen Sprachraum. Der „Tanz der Teufel“ wird zum Gänsehaut-Mythos, trotz billigster Effekte und eindeutigem Schundfilmflair.
DOC: Ich borgte mir wirklich über die Wochenenden immer einen Farbfernseher, einen Videoplayer und ungefähr 10 Videokassetten aus und bei einer dieser “Lieferungen” war auch “Tanz der Teufel” dabei. Ich muss gestehen, dass ich den Film sehr gruselig fand, vor allem das “Wir kriegen dich”-Gekreische der Hexen ging mir lange nicht aus dem Kopf. Aber kurz vor “Tanz der Teufel” erlebte ich “Der Exorzist” im Kino - damals wurden in meiner Heimatstadt Graz Filme ja noch so Programmkino-mäßig wieder aufgeführt - und diesem Schrecken, den ich dabei erlebte, hatte auch “Tanz der Teufel” nichts mehr entgegenzusetzen. Die Genialität der Kameraeinstellungen erkannte ich damals noch nicht.
Anchor Bay
Slime’s No Crime
CHRISTIAN: Ich habe den originalen „Evil Dead“ tatsächlich noch auf der Leinwand gesehen, im heimatlichen steirischen Provinzkino, dem ich den Großteil meiner Exploitationfilm-Bildung verdanke. Das muss so Mitte der 80er gewesen sein und ich hatte da schon „Dawn Of The Dead“ und die dazugehörige italienische Zombiefilmwelle jeweils mit einem Packerl Sportgummi verschlungen. Der okkulte Aspekt des Films, dieses Buch Necronomicon Ex-Mortis, dass da im Keller der Hütte lauert, erwischte meine sich ach- so-abgebrüht gebende Teenagerseele aber dennoch massiv. Der größte Triumph dabei: Dass nie klar wurde, wer oder was hinter dem Terror im Wald und den dazugehörigen subjektiven Kamerafahrten steckte. Das kurbelte die juvenile Fantasie erst richtig an.
SEBASTIAN: Neben all dem grenzüberschreitenden Schrecken war der alte „Evil Dead“ ja immer auch ein geradezu einzigartiger Triumph des: Du kannst da mit deinen Freunden einfach mit einer Kamera in den Wald gehen und du brauchst nicht viel mehr als brennenden Enthusiasmus um deinen eigenen, verdammt schönen, ersten Kinofilm zu drehen, der dann auf der ganzen Welt gleichsam gefürchtet, wie geliebt werden wird. Deshalb ist es natürlich auch nur gerecht, dass Sam Raimi heute in 200 Mio. $ teuren Disneyfilmen James Franco in großen Seifenblasen über gigantische Märchenwälder fliegen lässt. „Evil Dead“ selbst schlug ja dann in seinen beiden direkten, ebenfalls noch von Raimi inszenierten Fortsetzungen, völlig in die ironische überspitzte Richtung. Deutete sogar noch einmal alles ganz aufgedreht um. Wie kamt ihr damit klar?
Anchor Bay
DOC: Auch “Tanz der Teufel 2 - Jetzt wird noch mehr getanzt” - Was für ein grandioser deutscher Verleihtitel by the way - sowie die “Armee der Finsternis” waren aus meiner damaligen Stammvideothek. Ich weiß noch, dass ich das Sequel total irre fand, den Film dabei aber nicht als Splatstick wahrnahm, wie ihn /slash-Festivalintendant Markus Keuschnigg kürzlich einmal so treffend charakterisiert hat. Szenen, wie die, in denen die Hauptfigur Ash sich den eigenen Arm entfernt und durch eine Motorsäge ersetzt, wirkten ziemlich heftig, vielleicht, weil das schon ein prophetischer Hinweis auf die viel später folgende Welle an Torture-Porn-Streifen war, wer weiß?
CHRISTIAN: Mich hat „Evil Dead 2“ so richtig umgeblasen und hinweggefegt. Der Film kam 1987 ja an einem geschichtlichen Punkt, wo die brutale Härte des Erstlings nicht mehr möglich war, weil auf der ganzen Welt Zensurinstanzen gegen das Horrorfilmkino arbeiteten. Sam Raimi umging die Schere im Kopf beim Dreh mit dem Motto: „Slime’s No Crime!“ Soll heißen: Hektoliter grüner Schleim, der über den armen Bruce Campbell gekippt wurde, war kein Problem für MPAA und FSK, nur Blut war in der Form nicht erlaubt. Aus der Beschränkung heraus schuf Raimi ein irrwitziges, absurdes Stück Körperkino, in dem die grausamen Cartoons von Tex Avery plötzlich im Realfilm auflebten. Für mich das Kernstück aller „Evil Dead“ Filme und vielleicht Sam Raimis bester Streifen.
Anchor Bay
"We needed a cabin in the woods and thought we had one, but at the last moment the owner denied us use of the cabin. We quickly found a new one; however, when we arrived for the shooting, we found 4 inches of cow manure on the floor. There was also no heat, no water, no phone...but it was in a valley and was real nice, so we used it anyway. Problem was when it rained, which was often, the crew had to wade through enormous mud puddles to get to work." (Sam Raimi)
In den Wäldern der Postmoderne
DOC: Den dritten Teil, “Armee der Finsternis” nahm ich eher als lustigen Fantasystreifen wahr, aber ehrlich gesagt erinnere ich mich da heute nur noch an die beeindruckende Armee von Skeletten.
CHRISTIAN: Für mich hatte Teil 2 genau die richtige Mischung aus schundigen Schocks und einem völlig übersteuertem und im besten Sinne krankem Humor. Ich erinnere mich, wie mich danach im Gegenzug das Fantasyepos „Army Of Darkness“ völlig enttäuscht und auch genervt aus dem Kinosaal entlassen hat. Vielleicht funktioniert der Film bei einer Neusichtung besser, als liebevolle Hommage an das Stop-Motion-Kino des unlängst verstorbenen Monstermachers Ray Harryhausen. Aber damals hatte ich Raimi als infantil abgeschrieben und bin erst mit den „Spider-Man“ Filmen wieder in sein Schaffen reingekippt.
SEBASTIAN: Mir ging es da wie Dir Christian. „Evil Dead 2“ war die pure ausgelassene Beglückung, während mir all der Mittelalter-Mumpitz der „Army of Darkness“ dann deutlich zuviel wurde. Jetzt, heute, gibt es sowieso wenig, was derart nervt, wie all die unzähligen „Splatter-Komödien“, die diesem ausgelassenen zweiten Meisterwerk von Raimi ja niemals auch nur ansatzweise das Wasser reichen konnten. Einzig „The Cabin in the Woods“ schien da nochmal in all seinem verschachtelten Exzess ein paar hochprozentige Tropfen auswringen zu können.
DOC: Gerade der postmoderne Zitate-Wahnsinn im Horrorgenre birgt halt so viele Stolperfallen: Von den ungeschickten und ungeschlachten bisherigen Rob-Zombie-Versuchen, die leider mehr im Fanboytum steckenblieben, als es seine sicherlich ehrbare Absicht war bis zu dem anämischen Nerdgegquatsche in Ti Wests “The Innkeepers” - wo man förmlich den bebrillten, hippen Jungregisseur mit all seiner überbordenden Gescheitheit hinter jeder Szene des Streifens wahrnimmt - klappt das mit der postmodernen Würdigung an die Klassiker oftmals nicht so ganz. Die Ausnahme natürlich auch für mich: “The Cabin in the Woods”: Vielschichtig, klug ohne zu nerven, unterhaltsam und auch scary.
constantin film
Zurück in der Hütte
SEBASTIAN: Höchste Zeit endlich über Fede Alvarez 2013 Remake zu sprechen. Wie konnte das nach von Triers „Antichrist“ und Goddards „Cabin in the Woods“ überhaupt noch einmal mit solcher Wucht gelingen?
"The Fly was an awesome movie. I didn’t know for a long time it was a remake. And Cronenberg is an amazing filmmaker. He didn’t give a fuck about the original, right? And, without being too disrespectful to the original, and I’d say this to Sam, I tried to make my own movie. I don’t want to try to remake it. That’s the mistake. You have to take whatever you think is the best things about the original and do a new one." (Fede Alvarez im Interview mit Collider.com)
CHRISTIAN: Wenn ich jetzt ein wenig schwadronierend ausholen darf – Wir haben es ja derzeit oft mit den Phänomen zu tun, dass die Gesetze der Postmoderne einfach frech ignoriert werden. Soll heißen: Auch wenn jetzt schon alles punkto Songwriting gesagt ist, jede Romanstory erzählt wurde und es kaum mehr möglich scheint, im Genrekino noch etwas wirklich Neues zu liefern, wenn wir uns also in einem popkulturellen Stadium des Danach befinden, wo das Ende der konventionellen Formen bereits hinter uns liegt, kommen immer wieder junge Leute daher und pfeifen auf diese Entwicklung. Sie fangen wieder ganz von vorne zu erzählen an. Im Fall von „Evil Dead“ 2013 heißt das: Einfach so zu tun, als ob die Idee der Hütte im Wald brandneu wäre und niemals zu Tode zitiert oder parodiert.
DOC: Nach dem postmodernen Wahnsinn von “Cabin In The Woods” wäre jeglicher ironische Unterton bei diesem Remake auch vermutlich ein fataler Fehltritt gewesen. Und wenn ich da noch einmal Markus Keuschnigg zitieren darf, ist natürlich auch dieses Remake streng zielgruppenorientiert in dem Sinne, dass jedes nach 2000 gedrehtes Remake eines Horrorklassikers natürlich zehnmal so brutal und ernst sein muss wie das Original.
CHRISTIAN: Auf eine andere Weise scheint ein Neustart auch kommerziell nicht möglich, weil die Aufmerksamkeitsspannen einfach ganz andere sind heute.
Sony
DOC: Michael Bay hat mit seinen unzähligen, sinnlosen Versuchen in dieser Richtung aber gezeigt, dass dieses Rezept meist künstlerisch nicht aufgeht und nur Millionen von Dollar an uninteressierte junge Kinokids verschwendet werden, während das Ansehen der ehrwürdigen Originale darunter leidet. Ob das Remake von “Evil Dead” auch in diese bedenkliche Richtung geht, vermag ich aber gar nicht zu sagen, denn ich habe den Film ja noch gar nicht gesehen, haha! Also spoilert mir da ja nix, meine Herren!
CHRISTIAN: Ich darf ganz spoilerfrei bemerken: Der Film rockte für mich. Das Schlimmste an den Bay’schen Remakes ist ja die Ästhetik, diese im wahrsten Sinne grauenhafte Bildsprache, die aus der Werbung entliehen ist. Da werden die Visionen unterschiedlicher Horrorserien, von „Friday The 13th“ bis „Texas Chainsaw Massacre“, visuell gleichgebügelt und gerade der Kontrast aus aalglatter Ausleuchtung und extremer Gewalt lässt das ganze besonders zynisch wirken. Der neue „Evil Dead“ wirkt diesbezüglich entschieden ambitionierter und auch die Tatsache, dass die Gore-Effekte fast vollständig analog erzeugt wurden, dass hier echtes Filmblut spritzt, erhöht den Sympathiefaktor sehr. Nur ein paar unnötige Wendungen und Twists im Finale ernüchterten mich ein wenig und rissen mich aus dem hysterischen Filmrausch hinaus.
SEBASTIAN: Hach, was für Bilder. Märchenwälder, aus deren torf-schwarzem Boden das Blut dampft. Liebevollst bis in die kleinste Ecke rot und schwarz verschlierte Räume, in denen an allen Ecke und enden der Schmerz lauert. Die Hysterie, das kleinteilig durch die Tonspur knarzende Grauen. All die Spritzen, scharfkantigen Ecken, rostigen Klingen. Der neue „Evil Dead“ rockt fürwahr.
Sony
Zum Lachen (nicht) in den Keller gehen
SEBASTIAN: Erst Ende vergangenen Jahres erschien Franck Khalfouns künstlerisch, wie auch überhaupt gewaltig intensiver „Maniac“ bei uns, jetzt dieses kleine Filmwunder auf scheinbar weit ausgetretenen Waldpfaden...Kommt da vielleicht endlich auch im Hollywood-Horror die lang herbeigesehnte Ernsthaftigkeit zurück?
DOC: Die Ernsthaftigkeit sehe ich schon seit einiger Zeit als wieder zurückgekehrt an im derzeitigen Hollywood-Horror. Das sind allerdings Filme, denen ich milder gegenüberstehe als ihr, vermute ich mal, ich denke an Werke wie “Sinister”, “The Possession” oder “Mama”. Da ich einfach ein Junkie dieser atmosphärischen Geschichten bin, macht es mir dann nicht so viel aus, wenn die Story schlussendlich in die Hose geht. Was ja leider fast immer passiert.
"I mean, the Evil Dead movies are not going to disappear, right? They are there, they’re always there, a remake doesn’t have to kill the original at any level. I mean, worst case scenario, people that love the original and don’t like this are just going to go “Aw no, that’s not the one I like, fuck it.” Okay, that’s all right. But the other movies are always going to be there. There are the horror fans that love the Evil Dead because of the humor, but I’m sure it’s not all of them. Not all horror fans love Evil Dead because of the humor, at least not me". (Fede Alvarez im Interview mit Collider.com)
CHRISTIAN: Für mich waren ja die Neunziger das ironische, postmoderne Jahrzehnt schlechthin, auch was das Horrorkino betroffen hat. Mit „Scream“, den dazugehörigen Sequels und der ganzen Highschool-Slasher-Welle rund um Kevin Williamson war da ein Punkt erreicht, wo nur mehr selbstreferentiell geschmunzelt werden konnte. In den Nullerjahren kam im Gefolge von 9/11 und den Folterimages rund um die Golfkriege ein bitterer Ernst zurück, der im Torture Porn seine extremste Ausführung fand. „Evil Dead“ 2013 wäre in dieser Drastik ohne das Folterhorror-Phänomen auch gar nicht denkbar, da wurden die Grenzen des Mainstreams schon vorher gedehnt.
Sony
SEBASTIAN: Der neue „Evil Dead“ löst ja tatsächlich in vielerlei Hinsicht den Werbespruch seines Kinoplakats ein, „The most terrifying film you will ever experience“ zu sein, sprich: das alte Pausenhof-Versprechen wird in intensivstem Rot geradezu übererfüllt. Noch mehr Rot, Schrecken und zauberhaft intensiver Waldhütten-Stress ist doch fast nicht mehr vorstellbar. Was kann dem jetzt überhaupt noch nachfolgen?
DOC: Wahnsinn, dass da eine Steigerung überhaupt noch möglich ist! Natürlich wird dieser neue Härtegrad wieder unzählige Copycats nach sich ziehen - Raimi selbst hat ja bereits mehrere Sequels angekündigt, also denke ich mir die blutige Milch dieser Kuh wird jetzt wieder ordentlich gemolken. Ich aber giere sehr nach weiteren experimentellen Großtaten, bloß werden die nicht aus Hollywood zu erwarten sein! Die Franzosen müssen wieder in der irrlichternden “Livide”-Richtung weiterdrehen und weitere Geeks werden aus ihren Schlafzimmern kriechen und großartig verstörendes wie “Beyond The Black Rainbow” drehen. Ich freue mich auf das, was da noch kommen mag in den nächsten Jahren!
CHRISTIAN: Dass mit den experimentelle Großtaten unterschreiben wir wohl alle. Ich hatte diesbezüglich einen enormen Flash, als ich zuletzt „The ABC’s Of Death“ auf der Leinwand des Filmcasinos erleben durfte. 26 kurze Episoden zum Thema Tod gab es darin zu sehen, in Szene gesetzt von den aktuellen Genre-Shootingstars und Bilderstürmern. Mitten drin in etwas Durchschnittlichkeit blitzen da echt visionäre Momente auf. Manche todernst, andere grotesk komisch, beides funktionierte. Ich bin also guter Dinge.
Sony
SEBASTIAN: Von Rob Zombie ist uns ja mit seinen „Lords of Salem“ in diesem Jahr noch so etwas, wie ein in schwarzem Hexenblut gebadeter Stanley Kubrick versprochen worden. Noch mehr freue ich mich aber auf den kathedralen Rausch von „The Strange Colour of Your Body’s Tears“, dem neuen Film von Hélène Cattet & Bruno Forzani, deren „Amer“ in mir immer noch wie mit dem Vorschlaghammer angestoßen nachhallt. VorfreudeDeluxe.
CHRISTIAN: Tatsächlich plant Sam Raimi, wie du Herr Doktor schon erwähnt hast, ja nicht nur ein Sequel zum „Evil Dead“ Remake zu produzieren, also einen neuen zweiten Teil sozusagen. Sondern er will auch eine Fortsetzung zur Originaltrilogie in Angriff nehmen. Und irgendwann, so die Gerüchteküche, sollen die beiden Filmreihen sogar kollidieren, also Bruce „Ash“ Campbell in den neuen Filmen vorbeischauen. Die Hütte im Wald wird uns also auch in Zukunft nicht loslassen, soviel ist sicher.
Sony