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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

13. 5. 2013 - 15:23

Fußball-Journal '13. Eintrag 15.

Kein Zittern, kein Mitleid. Warum mich der Bundesliga-Abstiegskampf heuer kalt lässt.

Das ist das Journal '13, meine regelmäßige Web-Äußerung in ungeraden Jahren. Im Gegensatz zu 2003, '05, '07, 2009 und 2011 heuer nicht täglich.

Heute wieder mit einem Eintrag ins Fußball-Journal 13, und zwar einem Geständnis.

Übrigens hat die Tatsache, dass ich mich heute mit den Niederungen der Bundesliga beschäftige auch damit ztun, dass zu scheinbar aktuell aufgebrochenen Höhenflügen oder Krisen bereits im Verlauf der Saison (oder wie im Fall der Langfrist-Erfolgsmodells Ried schon die Saisonen davor) alles gesagt wurde ->

... hier die frühe Heiligsprechung der Austria...
... hier die Analyse zum Seolbstzerstörungs-Mechanismus Salzburg...
... hier zur Unverbesserlichkeit von Rapid...
... hier die frühe Lobpreisung Ried...
... hier die jüngste Anmerkung zu Sturm...

Normalerweise bange ich im Frühling. Um einen oder mehrere Vereine, deren Abstieg aus der höchsten Spielklasse zwar kein offensichtliches Desaster, aber ein doch entscheidender Entwicklungs-Schritt zurück wäre; nicht nur für die Clubs, auch für die Liga. Und oft erfangen sich die Abgestiegenen dann jahrelang nicht vom Schock, der sie in all ihrer Unvorsichtigkeit ereilt hat. Wann und ob sich Kapfenberg, der LASK, der Klagenfurter Fußball, der GAK oder Bregenz je erholen - keine Ahnung.

Heuer fühle ich - ganz Eisprinz - nichts.

Das hat auch damit zu tun, dass der einzige der vier potentiellen Absteiger, dessen Klassenversetzung ich dann doch irgendwie schade finden würde, kein Problem mit einem Neuaufbau in der 2. Liga hätte: der SV Mattersburg ist strukturell (Akademie, Stadion u.a.) und ökonomisch gut abgesichert, kann locker auch auf Sparschiene fahren ohne an Substanz zu verlieren - und das obwohl man intern aufgestellt ist wie eine patriarchalische Herrenbauern-Trutzburg im 19. Jahrhundert.

Ihr Konkurrenz um den Abgang in die zweite Klasse: ein von Umfeld und Publikum zurecht nicht angenommener Retortenverein und zwei ewige Sünder, die neben sportlicher Planlosigkeit beide auch - wenig zufällig - die Lizenz in 1. Instanz nicht bekommen konnten.

Dazu kommt, dass sowohl in Neustadt als auch in Innsbruck und der Südstadt Trainer (und sie stützende Vereins-Regimes) zugange sind, die sich selber in erster Linie als von der Hand in den Mund lebende Motivatoren sehen, denen alles mit der Fußball-Moderne Zusammenhängende ein schierer Graus ist.

Und diese Rückständigkeit in Denken und Handeln ist es in erster Linie, die ihre Teams immer noch am Tabellenende fesselt. Denn ebenso wie im Vorjahr, als einfach keine Mannschaft Meister werden wollte, will diesmal keine dieser Mannschaften nicht absteigen. Nicht absichtlich, aus Unvermögen.

Kandidat 1: der Hudriwusch

Beispiel Admira: der vorjährige Höhenflug hatte, wie die Höhenflüge der Aufsteiger davor und danach (Innsbruck, Magna, WAC etc) wenig mit der tatsächlichen Stärke der Truppe und des Trainerteams zu tun ( -> siehe auch Dangerous Admiration vom 2.11.11). Qualität zeigt sich in der Fähigkeit zur Stabilisierung. Und dass es hier im Fall der Admira keinen Plan gab, zeigt allein die hektische Transferliste des letzten Winters.
Kühbauer ist zwar von seinem über ein Jahr lang gutwährenden flachen 4-4-2 abgekommen, hat sich aber für kein anderes System entschieden, sondern changiert zwischen einem 4-1-4-1 (mit Ex-Abwehrchef Windbichler als alleinigem Sechser) einem 4-4-2 mit Raute oder auch einem 4-1-3-2.
Für ein Team, dass unter Kühbauer (wie auch davor unter Schachner) nur ein System kannte/hatte, deutlich zu überfordernd.

Es ist die alte österreichische Geschichte: riskiert/probiert wird erst etwas, wenn einem das Wasser bis zum Hals steht. Egal ob man dann Junge reinwirft, Trainer auswechselt oder neue Systeme/Schmähs probiert - Dinge, die ein Verein mit Plan und ein Trainer mit Konzept eben schon in ihrer Philosophie drinhaben oder zumindest in den Trainingslagern vor Saisonbeginn einlernen, werden bei den Hudriwusch-Clubs dann nebenbei eingeschliffen. Wenn es klappt war man die erfolgreiche Feuerwehr (auf einem solchen Schmäh kann man in Österreich auch ein Image samt Karriere aufbauen), wenn nicht, waren die Schiedsrichter schuld.

Kandidat 2: das Nichts

Noch weniger Bewegung steckt im SC Wiener Neustadt. Dort konnte man auf das im Vorjahr entwickelte Konzept von Peter Stöger aufbauen, der einigen Akademie-No-Names strategische Wehrhaftigkeit beibrachte. Heimo Pfeifenberger tat gut daran nichts zu ändern und alles zu übernehmen; und fuhr damit gar nicht so schlecht wie erwartet.

Irgendwann rächt es sich aber dann, wenn man Übernommenes zwar macht/umsetzt, aber dessen Kern/Sinn nicht wirklich versteht. Irgendwann im Lauf einer eigenverantworteten Saison gilt es nämlich auch eigene Entscheidungen zu treffen, egal ob das nun Personal, Strategie, auf den Gegner zugeschnittene Taktik oder gar eine Spiel-Philosophie betrifft.

Dazu ist/war Pfeifenberger (wie auch schon in Grödig - wo sein Nachfolger, ein Mann mit Verstand und Vision alles besser machte) nicht imstande. Es geht ihm da wie Ivo Vastic: Wer nicht mit selbstkritischem Denken und dem Willen sich als Coach zu verbessern und weiterzubilden gesegnet ist, sondern sich auf seine Meriten als Spieler und seine guten Szene/Medien-Kontakte verlässt, und dann auch noch zu früh in den großen Fußball geworfen wird, hat keine Chance.

Kandidat 3: die Lokal-Chauvinisten

Das alles ist in Innsbruck in weitaus geringerem Maße auszumachen. Roland Kirchler ist immerhin so schlau, dass er das von Walter Kogler in langjähriger Aufbauarbeit entwickelte und geschickt austarierte Spielkonzept (zumindest in Grundzügen) übernommen hat. Kirchlers Problem sind seine (vorsichtig gesagt) weniger gut durchdachten personellen Umbesetzungen, etwa im zentralen Mittelfeld, die dann immer zu Spielen führen, in denen die Mannschaft ganz gut aussieht, aber nix reißt. Das ist insofern perfid, weil es den Trainer nach außen ganz gut dastehen lässt (er kann sich auf Pech, die Schiris und die Abwesenheit von aufputschenden Becherwerfern ausreden), wiewohl es natürlich genauso gut an ihm (vor allem an seinen Matchplänen) liegt, die fehlenden 10% zuzulegen.

Obwohl Kirchler mit all seinen patriarchal-reaktionären, machistischen und religiös-fundamentalistischen Ausrutschern eine der gruseligsten Figuren des österreichischen Fußballs ist - die Crux bei Wacker liegt natürlich in ersten Linie bei einer Vereinsführung, für die der Begriff "provinziell" noch deutlich zu weltoffen ist.

Ein Verein, der sich so offen und tölpelhaft auf die Scholle, Blut&Boden und die gelebte Antipathie allem Fremden gegenüber bezieht, ist wohl tatsächlich besser in einer Tiroler Liga aufgehoben. Auch weil Fußball ein Botschafter für Verständigung sein soll und keine Ausrede für billigsten Lokal-Chauvinismus.

So schade es um das Stadion, Teile der Fan-Kultur und die Mannschaft wäre, wenn es aus ökonomischen, aus sportlichen oder aus Sternderl-Gründen nicht reichen würde am Tivoli.

Aber wie gesagt: Kein Zittern, kein Mitleid, weder mit Innsbruck noch mit den anderen Genannten. Der Abstiegskampf lässt mich heuer kalt.