Erstellt am: 10. 5. 2013 - 15:46 Uhr
Star Trek: Licht ins Dunkel
Ich sag's gleich: Ich bin kein Trekkie. Vielleicht liegt es daran, dass ich es aufgrund feinmotorischer Unfähigkeit und/oder wegen einer Unzulänglichkeit meines Nervensystems nie geschafft habe, den Vulkaniergruß zu erwidern. Vermutlich ist meine Star Trek-Wurschtigkeit aber eher dem Umstand zu verdanken, dass ich weder als Kind noch als Jugendlicher eine der vielen Serien-Inkarnationen wirklich verfolgt habe. Die drei Originalstaffeln habe ich schließlich als Erwachsener nachgeholt und konnte ihnen durchaus einen edlen Unterhaltungswert attestieren; allerdings bin ich dabei nie in die andächtige Starre verfallen, die ich bei vielen Freunden beobachtet habe.
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Insofern befinde ich mich in jener überwältigenden Mehrheit, für die die neuen Star Trek-Kinofilme gemacht worden sind. Ich kann mich noch sehr gut an den Shitstorm (bei dem Wort muss ich übrigens unweigerlich daran denken, wie so ein Sturm aus Scheiße in den unendlichen Weiten des Weltraums aussehen und wie Captain Kirk damit umgehen würde) erinnern, der durch das Internet flog, als bekannt wurde, dass der damals noch längst nicht derart unantastbare J.J. Abrams auf dem Captain's Chair eines neuen Star Trek-Kinofilms Platz nehmen würde. Der Lost-Erfinder hatte nämlich nichts Besseres zu tun, als in diversen Medien zu verkünden, dass er der Originalserie nicht wirklich viel abgewinnen kann; ein gewaltiger Affront für die Millionen orthodoxer Trekkies, die sich durch dieses Manöver von der Unterhaltungsindustrie letztgültig verraten gesehen haben.
Back to Basics
Wie sich herausgestellt hat, waren alle Sorgen unbegründet. J.J. Abrams' Star Trek machte das angeschlagene Raumschiff startklar für eine neue Generation von potenziellen Franchise-Fans und schaffte sogar den Coup, all jene älteren Semester, die das Original immerzu skeptisch beäugten, ins Kino zu locken. Der Grund dafür ist schnell erklärt: gerade aufgrund seiner Außenperspektive ist es Abrams gelungen, einerseits die Grundfesten der Star Trek-Mythologie zu beschützen und zu modernisieren und den angeschlagenen Karren andererseits mit beinahe frevelhafter Lust umzukrempeln. Star Trek wurde so zur perfekten Einstiegsdroge, zu einer aufregenden und unterhaltungsökonomisch perfekten Vereinfachung dieses so einschüchternd und unüberblickbar erscheinenden Universums.
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Abrams ist ein Perfektionist. Menschen, die zu seinem engsten Kreativ-Kreis zählen berichten oft davon, wie manisch der Regisseur an seinen Projekten arbeitet. Auch deshalb dürfte es fünf Jahre gedauert haben bis zu seinem zweiten Star Trek-Film. War der erste eine Origin-Story, rückt "Into Darkness" den beinahe schon irritierend komplex angelegten James T. Kirk (Chris Pine, der zeitweise tatsächlich wie ein William Shatner-Klon aussieht) stärker ins Zentrum. Als Kapitän der Enterprise steuert er seine Crew durch die Weiten des Alls, um Informationen zu fremden Zivilisationen zusammenzutragen. Im Gegensatz zum martialisch gestimmten Star Wars sind das Friedens- und Forschungsmissionen.
Wichtigste Prämisse ist, mit Bewohnern anderer Planten nicht zu interagieren: als Spock (Zachary Quinto) im Krater eines ausbrechenden Vulkans verunfallt und gemäß der hyper-rationalen Gestimmtheit seines Volks selbstlos auf den Tod wartet, entscheidet Kirk sich für einen Rettungseinsatz und gibt sein Raumschiff damit den Blicken der Fremden Preis. Für seine moralische Integrität und freundschaftliche Verbundenheit wird er zur Rechenschaft gezogen: Kirk wird zum ersten Offizier degradiert. Als aber eine Reihe von Anschlägen die Starfleet Academy erschüttert, überzeugt er seine Vorgesetzten davon, dass er sich mit seiner alten Enterprise-Crew auf die Suche nach dem Urheber macht.
Und dann schlägt die Stunde von Benedict Cumberbatch: der britische Schauspieler mit dem kantigen, in die Länge gezogenen Gesicht verströmt eine physische Andersweltlichkeit, die sich mit seinem konzentrierten Schauspiel und den emotionslos, aber druckvoll ausgestoßenen Sätzen seines Khan zu einer der enigmatischsten Figuren verdichtet, die es im letzten Jahrzehnt in einen Hollywood-Film geschafft haben. Überhaupt ist "Into Darkness" ein dem Titel gemäßes dunkles Vexierspiel: Vertrauensverhältnisse erodieren, dahinter klaffen Abgründe.
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Super 8-Familie
J.J. Abrams ist, trotzdem er uns als zeitgenössischer Visionär verkauft wird, eigentlich ein sehr altmodischer Filmemacher. In jeder Sekunde seiner Arbeit spürt man den Einfluss und die Faszination, den die klassische Blockbuster-Kultur auf ihn ausgeübt hat. Als jugendlicher Hobby-Regisseur durfte er irgendwann sogar die Super 8-Filme von Steven Spielberg archivieren: es war eine Begegnung, die im Rückblick nicht nur sinnstiftend, sondern zwingend logisch erscheint.
Abrams beweist sich wie Spielberg zu seinen besten Zeiten als Kommerz-Künstler, der sämtliche Fäden seiner Projekte kontrolliert: im Gegensatz etwa zu George Lucas, dessen eigene Regie-Arbeiten im Star Wars-Universum ihm sowohl tricktechnisch als auch erzählökonomisch vollkommen entglitten sind, geht Abrams den Spielberg-Weg der Vereinfachung und Reduktion.
Barock wirkt in "Star Trek: Into Darkness" nichts: selbst der im ersten Akt andersweltlich schimmernde Planet, der gigantische Vulkanausbruch und die folgende Rettungsaktion sind jeweils so übersichtlich geformt, dass man als Zuseher einfach durchsurft, durchdrungen von der intelligenten Dramaturgie des Stoffs. Abrams kanalisiert die Action durch seine Figuren; eines der grundlegenden Axiome des klassischen Spektakelfilms. Erst wenn all das Rambazamba auch etwas bedeutet, erst wenn die Fallhöhe spürbar wird, zieht der Zuschauer mit.
Das soll aber nicht heißen, dass Abrams' Action-Sequenzen unterwältigen: ganz im Gegenteil. Wenn am Ende des schwachen, weil so dialogintensiven zweiten Akts Kirk und Khan durch einen Weltall-Geröllhaufen fliegen, um von einem Schiff auf das andere zu gelangen, dann ist dieser Ride so dermaßen penibel durchchoreografiert und dramaturgisch raffiniert geschliffen, dass man ihn als Apotheose der Akzelerationsmontage in Filmschnitt-Lehrbücher schreiben will.
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Star Trek Wars
Star Trek: Into Darkness wird J.J. Abrams' Ruf als einzig möglicher Erbe des Spielberg'schen Spektakeluniversums zementieren – und gibt auch einen Vorgeschmack darauf, wie der 2015 in den Kinos anlaufende "Star Wars – Episode VII" aussehen könnte. Wenn man davon absieht, dass es doch ein wenig grotesk erscheint, dass die zukünftigen Erscheinungsformen der zwei wichtigsten Franchises der SF-Fantasy in den Händen und im Hirn eines einzigen Mannes zusammenlaufen, dann kann man sich zurücklehnen, in der Sicherheit, dass Abrams jene Domäne exzellent beherrscht, in der seine Mentoren Spielberg und Lucas aktuell kontinuierlich scheitern: gutes Unterhaltungskino zu machen.