Erstellt am: 11. 5. 2013 - 06:00 Uhr
Vorfahrt für Female Shredders
Wahrscheinlich ist es egal, zu welchem Skatepark oder Streetspot man geht, meist sieht man ein paar alteingesessene Skateboardern rumkurven und zwischen ihnen auch ein paar BMX-Fahrer. Frauen sieht man unter ihnen selten. So wundert es nicht, dass die sogenannten Action Sportarten fast ausschließlich als "Jungs-Sportarten" wahrgenommen werden.
Eine der wenigen Frauen, die man unter ihnen antreffen kann ist Stephanie Posch. Die 31-jährige Web-Developerin ist begeistere Sportlerin, ob auf dem BMX, dem Longboard, dem Wakeboard oder im Winter beim Freeriden, wo sie in der letzten Saison der Austrian Freeride Serie sogar den sechsten Platz in der Gesamtwertung belegt hat. So experimentierfreudig wie sie sind in Sachen Action-Sports allerdings nur wenige Frauen. Warum das so ist, darüber kann Stephanie nur Vermutungen anstellen.

Aris Krautwaschl
Zurückhaltung, Vorsicht, Verletzungen
Skateboarden und BMX-fahren sind auf den Straßen dieser Städte zu Hause, wo ihnen der Platz ständig streitig gemacht wird und es Verbote hagelt. Frauen würden hier eher respektieren, wenn sie nicht erwünscht sind und sich zurückziehen, nennt Stephanie einen ersten Punkt, der Frauen in Action-Sports oft unsichtbar macht. Dann führt sie die Verletzungen an, ohne die man nicht auskommt, wenn man Tricks übt, und blaue Flecken gelten nicht gerade als chic. Resultate der Sozialisierung von Frauen.
Von Kindheit an werden die meisten Mädchen dazu erzogen, aufzupassen und sich ja nicht zu verletzen, während Jungs ruhig ihre Grenzen ausreizen sollen und Risiken eingehen. Da sich das über die Kindheit und Jugend hinaus auswirkt fehlen für Mädchen auch später die Anreize was auszuprobieren, besonders wenn sie nur vor Kraft strotzende Burschen in den "coolen" Sportarten sehen.

Johanna Rauch
It's a man's world
Denn nicht nur auf den Straßen und Parks, auch auf den Online-Portalen ist die Welt der Action-Sports von Männern dominiert. Da hauptsächlich Männer gesponsert werden, werden hauptsächlich Videos mit männlichen Sportlern produziert. Deren Sponsoren zahlen wiederum Werbeeinschaltungen auf den Seiten der Webportale um die zu spielen und da es fast nur Videos von Männern gibt werden auch nur diese angeklickt. Ein Teufelskreis für die Sportlerinnen.
Selbstermächtigung
Die Inspiration zum Blognamen kommt von der Grazerin Mitzi Albl. Die hat 1893 den "Damen-Bicycle-Club" in Graz mitbegründet und hat damals für Frauen die Tür zur Männerdomäne Radfahren aufgemacht.
Um aus diesem selbstreferentiellen Zirkel auszubrechen hat Stephanie Posch vor sieben Jahren den Blog mizzi.at gegründet, eine Plattform für weibliche Sportlerinnen in der Extremsportszene. Dort finden sich ausschließlich Videos und Geschichten von Frauen auf Snowboards, Skateboards, Wakeboards, Rädern etc.
Ich möchte gern so skaten können wie Julia Brückler.
Mit dem Blog verfolgt Stephanie ein doppeltes Ziel: Einerseits will sie die Sportlerinnen pushen und ihnen und ihren Videos zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Andererseits will sie anderen Frauen in der Szene damit zu Vorbildern verhelfen und ihnen zeigen, dass auch Frauen beim Shredden rocken können, und zwar auf jedem Leistungslevel. Neben Videos von Profis stellt sie auch welche von Anfängerinnen rein, weil man auch da den Spaß am Sport sehen kann.
Probleme auch im Profi-Bereich
So beeindruckend die Videos auch sind, die Stephanie Posch regelmäßig postet, auch im Profi-Bereich haben die Fahrerinnen mit Problemen zu kämpfen. Im Vergleich zu den Männern ist kaum Geld vorhanden, bei vielen Wettbewerben gibt es nur Männerklassen. Wenn es Frauenklassen gibt, wird dort meist weniger Preisgeld vergeben, obwohl die Fahrerinnen die selben Kosten haben und das selbe Risiko eingehen wie die Männer.
Zwar gibt es eigene Contests für Frauen, im Freeski-Bereich etwa den Nine Queens Contest, aber für Stephanie sollte das nur eine Übergangslösung sein. Und bei Bekleidungsmarken aus dem Action-Sports-Bereich, die sich nur auf Frauen spezialisieren heißt es auch aufpassen, ob diese nicht nur wieder Klischees festschreiben. Etwa in dem sie nicht den Sport pushen, sondern sich "auf das Optische versteifen und das Mädchen- und Püppchenhafte in den Vordergrund stellen" meint Stephanie. "Wenn es um Sport geht, dann sollte es um den Sport gehen."
Rechtfertigungsdruck
Was aber am meisten stört und was in vielen Videos auf mizzi.at angesprochen wird ist der Rechtfertigungsdruck, mit dem Frauen in diesen Sportarten konfrontiert werden. Wieso sie denn überhaupt antreten wollten, wenn tausende Jungs eine bessere Show abliefern könnten, und was sie sich einbilden würden, mit ihrer Leistung auch noch Sponsorgelder lukrieren zu wollen.
Die Sister Session, das erste Mal, dass es eine Frauenklasse bei einem großen BMX-Contest gibt. Viel Selbstreflexion und schöne Backflips.
In kaum einer anderen Sportart wird der Leistungsunterschied zwischen Frauen und Männern so thematisiert wie im Action-Sport-Bereich. In der Leichtathletik fragt keiner, wieso die Siegerin des 100m Laufs ein Preisgeld bekommen sollte, wenn doch 1.000 Männer schneller sein können als sie. Im Skaten, BMX-fahren und Snowboarden hängt das vielleicht noch mit der geringen Dichte an Spitzenfahrerinnen zusammen, aber das wird sich in den nächsten Jahren hoffentlich ändern. Mizzi.at leistet hier Grundlagenarbeit.