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Alexandra Augustin

West Coast, wahnwitzige Künste und berauschende Erlebnisse. Steht mit der FM4 Morningshow auf.

10. 5. 2013 - 13:36

Die Geister die ich rief

Der Fotograf Reiner Riedler macht Fotos ohne Fotokamera. Und schafft so Bilder direkt aus der Twillight Zone. Zu sehen in der Ausstellung "Schweiß" in der Gallery Anzenberger.

Schattenhafte Wesen, Geister aus dem Jenseits, in schwarz/weiß gehalten. Sie schweben über die Leinwand. Schaut man genau hin, erkennt man vielleicht Augen, ein Knie, Wangenknochen. Eine Nase oder Hände. Was sind das für Wesen, die sich hier tummeln? Irgendwie erinnern sie an Menschen, aber ganz sicher ist man sich nicht. Manchmal erkennt man auch nur Umrisse, manchmal sieht man nur Tropfen. Spooky!

SWEAT_Reiner Riedler_10

Reiner Riedler

"Es handelt sich um Schweißabdrücke, Porträts von Menschen. Die Idee ist mir beim Laufen gekommen, da war sie plötzlich da!", so der Künstler im FM4 Interview.

Aus Schweiß menschliche Umrisse sichtbar machen – und somit Porträts der anderen Art, ganz nahe am Körper. Reiner Riedler hat über Monate hinweg Menschen getroffen, die das freiwillig im Namen der Kunst mitgemacht haben. Die große Frage lautet natürlich – wie geht das?

Zuviel wollte er nicht verraten. Jedenfalls hat Riedler einen speziellen Stoff produzieren lassen, der in Kontakt mit Schweiß reagiert. Seine Negative bestehen aus Baumwolltüchern, die mit Sensorfarbstoffen gefärbt wurden. Bei Berührung mit Schweiß wird ein chromatischer Prozess in Gang gesetzt und der Untergrund verfärbt sich. Die Stoffe werden auf verschwitzte Menschen gelegt und mit einer Walze fährt der "Fotograf" die Körpersilhouette seiner Probanden ab. Für jede "Belichtung" gibt es nur einen Versuch.

Natürlich muss das jeweilige Fotomodell auch die nötige Portion Mut mitbringen: All das geht nämlich nur nackt. Die Tücher werden anschließend getrocknet und abfotografiert: fertig ist das geisterhafte Bild. Wobei noch eine letzte Frage zu klären wäre: Wie bekommt man Menschen dermaßen verschwitzt vor die Linse? Reiner Riedler hat einen ganz besonderen Trick auf Lager: er steckt sie einfach für eine halbe Stunde lang in einen Schwitzkasten.

Rainer Riedler Schwitzkasten

Rainer Riedler

Reiner Riedler in seinem Schwitzkasten aka "die Dunkelkammer"

"Schweiß/ Camera-Less", zu sehen noch bis 31. Juli in der Wiener Galerie Anzenberger.

ANZENBERGERGALLERY
Absberggasse 27,
1100 Wien
www.anzenbergergallery.com

"Das ist schon alles sehr schräg. Ich hab' so eine mobile Sauna. Die kann ich mir unter den Arm klemmen und wie ein Zelt überall aufstellen. An die schließe ich einen Wasserkocher an. Da setze ich meine Modelle hinein. Das ist meine Dunkelkammer."

Ein bisschen Schweiß, ein Stückchen Stoff. Natürlich rattert es da gleich im Kopf – da gibt's doch dieses eine ganz berühmte Bild. Da war doch was mit Jesus! Tatsächlich hatte Reiner Riedler im Zuge seiner Fotoarbeit ganz besondere, spirituelle, Erkenntnisse:

"Man wird mich schlagen, wenn ich das öffentlich sage, da halte ich mir jetzt lieber die Hand vor den Mund: Aber rein von der formalen Abbildung her kann dieses Jesusbild, das wir kennen, so nicht zustande gekommen sein."

Diese Behauptung wird manch gläubige Menschen wohl nicht erfreuen. Sehenswert sind die Bilder von Reiner Riedler aber allemal. Und wer will, kann auch gleich selbst "Modell stehen": Reiner Riedler ist immer auf der Suche nach Modellen, die er in den Schwitzkasten nehmen kann.