Erstellt am: 8. 5. 2013 - 18:58 Uhr
Re:publica13: Das Großevent der Netzgemeinde
Als Besucherin der re:publica war mir schon beim Studieren des Programmes im Vorfeld schwindelig. Bei fast 500 Vorträgen und Workshops von denen bis zu acht parallel laufen. Nach drei Tagen brummt mir jetzt der Kopf. Nicht nur weil 5000 Menschen die sich gern zwischen den Sessions zu „Meet and Greets“ treffen einen ziemlichen Geräuschpegel produzieren. Nicht nur weil ich von Vortrag zu Vortrag, von Interview zu Interview gehetzt bin. Im Nacken sitzt auch die Angst etwas zu verpassen.
IN/SIDE/OUT war heuer der Titel der Konferenz, von der die Organisatoren etwas selbstherrlich lieber als dem Ereignis sprechen. Unter das ziemlich nichtssagende Motto kann man viel, sehr viel Verschiedenes zusammenfassen.
Die Themen reichen deshalb von Datenjournalismus über Open Data, Youtube als Fernsehkonkurrenz, das Urheberrecht oder Arbeit in der digitalen Welt bis hin zur Netzneutralität und deren Verletzung. Dass die deutsche Telekom das Netz für Neukunden extrem drosseln will, sorgt für sehr viel Aufregung und Diskussionsstoff.
Schwerpunkt Afrika
Seit dem die re:publica vor sieben Jahren als Real-Life-Treffen für die deutsche Blogosphäre entstanden ist, wollte man auch über den digitalen deutschen Tellerrand hinausschauen. Speziell die Netz- und Techszene in Afrika liegt den Organisatoren und Organisatorinnen am Herzen. So war heuer der kenianische Blogger und Techaktivist Erik Hersman zu Gast. Er hat in Nairobi unter anderem den Tech-Inkubator Ihub mitgegründet und das Krisenmappingtool Ushahidi mit entwickelt. Auf der re:publica präsentierte er unter anderem einen ausfallsicheren „Internetgenerator“ mit Namen BRCK.
Patrick Dax
Start-Up Gründung unter erschwerten Bedingungen
Die Internetversorgung sei in Ostafrika schon viel besser als noch vor ein paar Jahren, erzählt Erik Hersman in seinem Vortrag. Der Blogger, der sich selbst als „white african“ bezeichnet, wuchs im Sudan auf. Heute vernetzt er in Kenia die boomende Start-Up Szene. Wie aber arbeiten Programmierer und Unternehmer in einem Land, in dem der Strom und Festnetzverbindung mindestens dreimal am Tag ausfällt? Hersman hat für diese Fälle ein neues Gerät parat, das er mitentwickelt hat.
Der ungefähr Ziegelstein-große „BRCK“ kann sich auf mehrere Arten mit dem Internet verbinden – entweder per LAN-Anschluss, über WLAN oder eine Mobilverbindung. Fällt eine Verbindung aus, schaltet das Gerät auf eine andere um. Um Stromausfälle zu überbrücken, ist ein Akku integriert, der den Internet-Ziegel acht Stunden lang unabhängig vom Stromnetz online halten kann.
Bisher gibt es nur einen Prototypen. Mit einer Crowdfunding Kampagne wollen die Entwickler derzeit das Geld für die Serienproduktion sammeln. Es soll dann 100 Dollar kosten. Dass das Gerät Abnehmer findet, steht für Hersman fest. „Wir befinden uns gerade an einem sehr interessanten Punkt, an dem die Kosten für neue Geräte und Services, ob Mobiltelefon, Computer oder Internetverbindung sinken. Gleichzeitig steigt das Durchschnittseinkommen in Afrika. Das heißt wenn neue nützliche Geräte oder Services in Afrika entwickelt werden, gibt es dort auch einen Markt dafür.“
„Wir brauchen andere Afrika-Erzählungen“
In Berlin ist Erik Hersman und andere Start-Up Gründer auch um ein anderes Afrika-Bild zu zeigen. Keines der entwicklungshilfe-bedürftigen Kinder und Frauen, sondern ein selbstbewusstes Bild. So zeigte er beim Vortrag auch ein Werbevideo von „Moebius Motors“.
Die kenianische Autofirma hat für den Markt in Schwellenländer einen robusten kostengünstigen Geländewagen entwickelt.
Zu lange hätten westliche Medien Geschichten über Korruption, Armut, Krankheit und Krieg erzählt. Das sei aber nur eine Seite der Medaille. Und so liefert Erik Hersman eine andere Erzählung: „Ich glaube, dass Mobilfunkbetreiber, in den vergangenen fünfzehn Jahren einen größeren Einfluss auf das Leben und den Alltag der Menschen hatten, als all die Milliarden Entwicklungsgelder, die je auf den Kontinent geflossen sind“.
Das klingt zwar ein bisschen dick aufgetragen und sehr technikfixiert. Das Bild von Afrika wird durch solche Sätze aber durchaus facettenreicher.
Auf der re:publica13 war Erik Hersman einer der überzeugendsten Redner, wahrscheinlich weil er sehr konkret über sehr greifbare Dinge gesprochen hat. Für das überhitzte re:publica-Besucherinnen-Hirn war das eine Wohltat.