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Barbara Köppel

Durch den Dschungel auf die Bühne des Lebens.

10. 5. 2013 - 13:45

Performing Politics

Die Wiener Festwochen verstehen sich längst als Teil der Protestkultur.

Es war Luc Bondy, der Christoph Schlingensief unter der damaligen Schwarz-Blauen-Regierung seinen Ausländer-raus-Container direkt vor die Wiener Staatsoper stellen ließ. Diese nach wie vor wohl umstrittenste Aktion in der Geschichte der Wiener Festwochen, hat eine kontinuierliche Re-Politisierung des Festivals eingeleitet.

Nach 16 Jahren nimmt der Schweizer Theaterregisseur, der für die Festwochen zuerst als Schauspielchef und später als Intendant tätig war, nun zwar seinen Hut, hinterlässt aber ein Programm, das dieser Tradition würdig ist.

Die Eröffnung der Wiener Festwochen am Freitag, den 10. Mai am Rathausplatz widmet sich dem Wienerlied.

Nahezu alle der 41 Produktionen, die heuer nicht nur über die Wiener Theaterbühnen, sondern auch auf öffentliche Plätze und sogar in den historischen Sitzungssaal des Parlaments gehen werden, haben einen politischen Anspruch - von Crime-Opern über implantierte Cyberspace-Chips oder mexikanische Drogenkartelle über Stücke zu postjugoslawischer Trauma-Aufarbeitung oder feministischen Redaktionssitzungen bis hin zu Klassengesellschafts-Liebesdramen und Protesttheater von Jugendlichen aus dem 23. Bezirk.

Julia, Wr. Festwochen 2013

Marcelo Lipiani

"Julia" erzählt eine Liebesgeschichte und vom Rassismus hinter den sozialen Verhältnissen in Rio de Janeiro.

Unruhe der Form

Erstmals bei den Festwochen gibt es unter dem Motto "Unruhe der Form" auch einen Ausstellungsparcours, der nach Formen künstlerischen Widerstands fragt und mit bildender Kunst, Interventionen, Lectures, Konzerten und Performances belebt wird. Zehn österreichische AutorInnen werden dort z.B. Reden zur politischen Gegenwart halten, ein Videoprojekt beschäftigt sich mit der Darstellbarkeit von virtuellen Börsengeschäften und in "The Pixelated Revolution" untersucht der libanesische Künstler Rabih Mroué die Rolle von Social Media, SMS und Handykameras bei den aktuellen Aufständen in Syrien. In der dazugehörigen begehbaren Installation werden die BesucherInnen übrigens wie die filmenden DemonstrantInnen in Damaskus von Scharfschützen ins Visier genommen.

Spannend könnte auch die Performance "All that is wrong" werden, in der eine 18-Jährige vom Erwachsenwerden erzählt und sich fragt, was in der Welt so alles schief läuft.

All that is wrong, Wr. Festwochen 2013

Elies Van Renterghem

Die Belgierin Koba Ryckewaert hat schon früher auf offener Bühne Barbie-Puppen verbrannt oder erklärt, wie man sich auf Size Zero herunterhungert.

Unter der Regie von Nicolas Stemann wird sich eine Schar von SchauspielerInnen, MusikerInnen und DichterInnen 120 Stunden in die Halle E im Museumsquartier einsperren lassen, und sich fünf Tage lang ununterbrochen dem Nachrichtenstrom über News Channels, Twitter, Facebook etc. aussetzen. Ziel ist es, jeden Abend aus dieser Informationsflut eine Theaterperformance zu kreieren. Die Produktion nennt sich "Kommune der Wahrheit. Wirklichkeitsmaschine". Die Vermutung liegt nahe, dass der Titel zynisch gemeint ist.

Kommune der Wahrheit

Armin Smailovic

Schorsch Kamerun, Sänger der Goldenen Zitronen, wird ein Projekt präsentieren, das in eine ähnliche Richtung geht. In "Agora I + II" will er ganz nah mit Menschen zusammenrücken, weg von Gruppenbildungen auf Facebook oder in artifiziellen Flashmobs und zurück zu direkter Kommunikation an öffentlichen Orten. Dazu wird er im Garten der Secession eine Konzertinstallation aufführen. Die Lieder dafür studiert er gemeinsam mit Menschen ein, die größtenteils keine Bühnenerfahrung haben, sondern lediglich Lust, sich zu den Themen "Selbstverwirklichungsstress, Empörungsdruck und Repräsentationstaumel" zu äußern.

Into the City

Zur Eröffnung von Into the City am Samstag, den 11. Mai am Wiener Karlsplatz spielen Soultana und Ebow, Drahdiwaberl, Texta und die deutsch-französische Kombo Irie Révoltés auf.

Die Spezial-Musikreihe "Into the City" hat bei den Festwochen schon lange Tradition und läuft diesmal unter dem Motto "Music and Politics". Das Programm beschäftigt sich mit Musik, besonders Hip Hop, als Form des politischen Widerstands.

Die deutsch-türkische Rapperin Ebow macht sich auf Quebab-Tour und spielt Konzerte bei Wiener Kebab-Ständen. Bestellt man "einmal scharf mit alles", legt sie dann quasi noch ein paar sozialkritische Tracks mit aufs Sandwich. Außerdem sind viele interessante Artists aus den Ländern des Arabischen Frühlings eingeladen, die in Lectures, Workshops und natürlich Konzerten ihre Positionen zu Zensur und politischer Unterdrückung präsentieren werden.

Marokkanische Rapperin Soultana

Soultana

Soultana aus Marokko hat mit Tigresse Flows die erste Frauen-Rap-Formation Afrikas gegründet. Sie tritt bei der Into-the-City-Eröffnung am Karlsplatz auf.

Und Ehre wem Ehre gebührt - als österreichischem Parade-Anarcho ist Stefan Weber und Drahdiwaberl eine eigene Ausstellung im Wien Museum gewidmet, America's Funniest Muslim tritt auf, und beim Workshop "The Sound of Eurofighter" gibt es die Gelegenheit, Untersuchungsausschuss-Protokolle des österreichischen Parlaments zu vertonen.

Hört euch das an! Schaut euch das an! Und taucht am besten selbst in die Untiefen des Festwochen- und Into-the-City-Programms. Es zahlt sich aus!

STefan WEber

Wien Museum / Didi Sattmann