Erstellt am: 4. 5. 2013 - 06:34 Uhr
Der Extremismus der Mitte
In den letzten Wochen gab es ja jede Menge schlechter Nachrichten aus Berlin: die Blamage mit dem Flughafen, der amtsmüde Bürgermeister, alles wird teurer, Gentrification wohin man guckt und überhaupt ist Berlin nicht mehr das, was es mal war.
Umso wohltuender, wenn in der letzten Woche zwei berühmte Berliner Persönlichkeiten wieder einmal Schlagzeilen machen und als Berliner ihre Stadt ins bessere Licht rücken konnten. Diese beiden prominenten Berliner sind durch ihr bisheriges Wirken auch längst über Berlin hinaus bekannt: Der Rapper Bushido und der Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin.
Nina Gerlach
Fangen wir mit dem Älteren an. An dieser Stelle berichteten wir ja schon mehrfach über den agilen Schockpolitiker, der durch seine markigen Sprüche und den kulturpessimistischen Erfolgsroman "Deutschland schafft sich ab" berühmt wurde. Allerdings war es in letzter Zeit ein wenig ruhiger um ihn geworden. Sein 2012 veröffentlichtes Buch "Deutschland braucht den Euro nicht" hat viel weniger Aufmerksamkeit erregt, als seine Hetzschrift. Nun haben die Vereinten Nationen, genauer gesagt der Anti-Rassismus-Ausschuss (Cerd) Deutschland wegen Thilo Sarrazin gerügt. Der Ausschuss kritisiert das Verhalten deutscher Behörden im Fall Sarrazin als Verstoß gegen die Rassendiskriminierungs-Konvention und empfiehlt der Bundesregierung, ihr Strafrecht zu überprüfen.
Aufstachelung
Ein Interview in der Zeitschrift "Lettre International " im Jahr 2009 hatte hohe Wellen geschlagen: Thilo Sarrazin, damals noch im Vorstand der Bundesbank, behauptete dort, dass ein Großteil der türkischen Bevölkerung keine produktive Funktion außer dem Obst- und Gemüsehandel erfülle. Er unterstellte ihnen, eine kollektive, aggressive Mentalität zu fördern und Deutschland durch eine höhere Geburtenrate erobern zu wollen.
Unter anderem in diesen Aussagen sieht der Cerd die Vorstellung rassischer Überlegenheit und eine Aufstachelung zur Rassendiskriminierung.
Was von der deutschen Staatsanwaltschaft als Ausdruck freier Meinungsäußerung gewertet worden war, ist auf völkerrechtlicher Ebene als Rassismus eingestuft worden.
Dass Sarrazins Bücher millionenfach verkauft wurden und seine rassistischen Auslassungen den Nerv vieler Bundesbürger getroffen hat, macht seine Auslassungen nicht besser oder weniger rassistisch. Es belegt nur die fremdenfeindliche Grundhaltung vieler Deutschen, den "Extremismus der Mitte".
Der Bestsellerautor Bushido wiederum ist nicht nur als Rapper bekannt, sondern auch Vorbild der Jugend und Musterbeispiel für gelungene Integration. Der Liebling der Politiker und Bambipreisträger hat sich nun mit seinen Verbindungen zur Mafia ins Gespräch gebracht. Er ziert sogar das Cover des Stern.
Seine homophoben sexistischen Texte haben da für weit weniger Diskussionsstoff gesorgt. Auch das sagt einiges über den Zustand der deutschen Gesellschaft und ihrer Medien.