Erstellt am: 4. 5. 2013 - 12:23 Uhr
Stefan Gmünder in der FM4 Bücherei
- Die FM4 Bücherei mit Stefan Gmünder gibt es am Sonntag, 5. Mai in FM4 Connected (13-17 Uhr) zu hören.
- Alle bisherigen Gäste der FM4 Bücherei
Die FM4 Bücherei ist keine herkömmliche Bücherei, in der man Bücher ausleiht, sondern eine, in der Bücher vorgestellt werden.
Der oder die BesucherIn der FM4 Bücherei stellt seine oder ihre drei Lieblingsbücher vor bzw. Bücher, die man lesen sollte.
Diesmal zu Gast: Stefan Gmünder
Als Leiter der Literaturredaktion bei Der Standard liest Stefan Gmünder gut sechs Bücher im Monat; Bücher, die er rezensiert, übrigens immer zwei Mal. Er hat daher immer was zum Lesen dabei und ist häufig und gern in Büchereien.
Warum man lesen soll, ist für ihn klar: "Lesen kann man ja höchstens wie Schreiben – man kann es höchstens trotzdem tun. Es macht die Welt nicht besser, aber es verändert einen." Fußball könne man jemandem auch nicht nahe bringen, indem man ihm die Regeln erklärt oder die Mannschaftsaufstellung. "Das Wort heißt Begeisterung. Ich glaube, beim Lesen ist es auch so. Drum - was einer liest ist egal, aber wenn, dann mit Begeisterung."
fm4 bereuter/gmuender
Philippe Djian: Verraten und verkauft
Diogenes
Es geht, wie in vielen Büchern von Philippe Djian um das Schreiben, um das Verhältnis von Mann und Frau und um das Bestehen des Alltags und vor allem um den Glanz des Alltags.
"Verraten und Verkauft" ist eigentlich der dritte Teil einer Trilogie die anfängt mit "Erogene Zonen", deren zweiter Teil "Betty Blue" ist und der dritte Teil ist eben "Verraten und Verkauft".
Das Thema ist immer der Kampf des Schriftstellers: nicht nur mit dem Wort und der Schreibmaschine, sondern mit dem Leben und der Frau. Meistens gehen diese Boxkämpfe unentschieden aus. Manchmal endet es mit einem Niederschlag, aber im nächsten Buch jeweils steht der angezählte Autor immer wieder auf.
Wie viele männliche Jugendliche habe ich so gut wie gar nichts gelesen. Das, was ich gelesen habe, habe ich in der Schule lesen müssen und man hat mir das dort eigentlich mehr oder weniger für lange Zeit verleidet. Ich habe sehr, sehr viel Fußball gespielt und mir dann als 19jähriger mal das Bein gebrochen und lag im Spital. Da kam ein Freund und hat mir dieses Buch gebracht: "Verraten und Verkauft". Ich hab sofort gemerkt, das ist etwas anderes als alles andere, was ich bisher gelesen habe. Das hat mit meinem Leben etwas zu tun. Das hat eine gewisse Wucht. Da ist Musik drin. Da wird getrunken. Deswegen ist das Buch für mich besonders wichtig, weil es mich zum Leser gemacht hat und mich nicht nur in die Welt von Djian, sondern in die literarische Welt geführt hat.
Djian gilt nicht so als ernstzunehmender Schriftsteller. Aber mir ist es egal, was jemand liest, solange man liest. Es muss etwas mit dem eigenen Leben zu tun haben. Für mich mit dem Leben sowieso. Ich hab eher ein Problem mit dem Verkopften oder mit dem rein theoretischen und deswegen hat es mir diese Welt geöffnet.
Erich Maria Remarque: Arc de Triomphe
KiWi
Das war das zweite Buch, das mich zum Leser gemacht hat. Die Geschichte spielt in Paris. Zweiter Weltkrieg. Ein Emigrant, der durch die Straßen zieht. Der dort eine einsame Frau kennenlernt und zwischen dieser Frau und einem Auftrag steht, den er sich geschworen hat auszuführen, nämlich den Nazischlächter Haake zu finden und zu exekutieren. Und in diesem Spannungsfeld spielt dieses Buch.
Fasziniert hat mich das Setting und das Lebensgefühl, das auch in diesem Buch ist, von einer entschlossenen Verlorenheit. Die Hauptfigur heißt Ravic, der praktiziert als Arzt.
Es war damals eine humanistische Weltsicht. Remarque gilt zwar als Trivialschriftsteller, der mit "Im Westen nichts Neues" einen Riesenerfolg hatte. Sein erstes Antikriegsbuch. Er war im Ersten Weltkrieg – nicht freiwillig – und ist sehr früh emigriert. Seine Bücher wurden in Deutschland verbrannt. Er konnte in die Schweiz fliehen, weil er viel Geld hatte. Seine Schwester ist dort geblieben und geköpft worden.
All diese Dinge, diese Widersprüche und Spannungen sind auch in diesem Buch drin.
Thore D. Hansen: Silent Control
Europa Verlag
Ein Thriller. Der Autor schreibt unter einem Pseudonym, vielleicht, weil er sich mit ziemlich harten Themen auseinandersetzt. Nämlich mit öffentlicher Meinung. Stichwort "Infowar". Das bedeutet so viel wie etablierte Medien, die Propaganda verbreiten. Dabei geht es in diesem Buch auch um digitalen Stalinismus, um die Dystopie, dass vielleicht das ganze Netz kontrolliert wird, dass alles durchsucht werden kann und es geht um Gedankenmanipulation. Also jede Menge Dinge, die man gern mit "Verschwörungstheorie!" abtut. Aber dieser Typ war lange befreundet mit einem CIA-Menschen, der "Inside CIA." geschrieben hat, das habe ich komischerweise auch gelesen. Im Anhang des Buches werden auch einige neuere Technologien vorgestellt, die gerade implementiert werden. Von dem her ein nicht unbedingt erfreuliches Szenario.
Die Frage ist "Wie geht man mit Freiheit um?". Jemand hat mal gesagt, "Wenn man die Freiheit aufgibt aufgrund der Sicherheit oder um mehr Sicherheit zu gewinnen, hat man beides nicht verdient." Und das sind doch Themen, die uns anzugehen haben. Gerade uns in den Medien: Wie wird über was berichtet? Was wird verschwiegen? Was ist ganz schnell wieder weg vom Ticker und was bleibt? Das interessiert mich wahrscheinlich auch mehr als Medienschaffender.
Es wird auch thematisiert, dass vieles, was da drin ist, als Verschwörungstheorie abgetan werden kann.
Die FM4 Bücherei mit Stefan Gmünder gibt es
am Sonntag, 5. Mai in FM4 Connected (13-17 Uhr) zu hören.
Stefan Gmünder ist heuer auch Juror von Wortlaut, dem FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb. Einsendeschluss von Wortlaut ist auch am 5. Mai 2013!