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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

30. 4. 2013 - 17:38

Der wahre Schrecken

"Scary Movie 5" und "Pieta": Zwei Filme, die auf höchst unterschiedliche Weise vom Grauen erzählen.

Kann man sich gegen die totale, alles beherrschende Dumpfheit wappnen? Gibt es Möglichkeiten, eine Kritik an der Dumpfheit zu formulieren, ohne wie ein humorloser Spielverderber dazustehen? Existieren gar probate Waffen, um gegen die Dumpfheit zurückzuschlagen?

Georg Seeßlen, der fiebrige Vielschreiber unter den deutschen Intellektuellen, hat über diese Fragen zwar ein ganzes Buch (mit-)verfasst. Aber auch ihm und seinem Coautor Markus Metz ist im Megawälzer "Blödmaschinen" keine wirklich befriedigende Antwort eingefallen.

Einfach nur die Dumpfheit zu verdrängen, um sie einen Bogen zu machen, ihr konsequent auszuweichen, funktioniert aber auf Dauer auch nicht. Denn sie holt einen ein, spätestens wenn an sich moralisch noch nicht vollkommen korrupte Menschen mit leuchtenden Augen von Castingshows und Dschungelcamps zu erzählen beginnen. Also lieber sich ab und zu dem Dumpfen stellen, nichts wie rein in die Pressevorführung von "Scary Movie 5", am besten gleich in die deutschsprachige Fassung, die den dumpfen US-Witz noch bewusst in die Bereiche von Privat-TV-Comedyshow-Humor verflacht.

Scary Movie 5

constantin film

Scary Movie 5

Nullgesichter und Minimal-Plot

Weitere Kinorezensionen

Das Kino ist eindeutig voll von Pressemenschen, die sämtliche Vorurteile bestätigen, die über uns verbitterte, arrogante und elitäte Dumpfheitsskeptiker herumschwirren. Keiner lacht während des ganzen Films, es ist gespenstisch still im Saal, die dumpfen Leinwanddialoge hallen ins Leere. Gerade mal bei der Eingangssequenz ist ein dezentes Kichern zu vernehmen. Einige Minuten lang dürfen wir da nämlich Charlie Sheen und Lindsey Lohan im gemeinsamen Ehebett beobachten, inklusive wirklich sämtlicher erwartungsgemäßer semischlüpfriger Anspielungen.

Die Macher von "Scary Movie 5" setzen aber nicht nur diese Szene bald witzetechnisch in den Sand. Nachdem Geister im Schlafzimmer auftauchen und das sleazy Celebrity-Couple killen, ist wirklich Schluss mit lustig.

Der Rest? Die übliche parodistische Fließband-Collage, die sich diesmal auf "Paranormal Activity", "Black Swan", "Mama", "Inception" und sogar schon "Evil Dead" bezieht, gewürzt mit den üblichen Furz- und Fäkaleinlagen. Statt der charmanten Anna Faris, die mich sozusagen an der Hand durch die ersten Teile führte, spötteln sich Nullgesichter durch den Minimal-Plot, die man beim Sehen vergisst. Ach ja, Snoop Dogg darf auch kurz als Verkörperung des verkifften Hip-Hop-Homies durch das Bild wackeln, in der Vergangenheit eine Spezialität der Wayans-Brothers.

Scary Movie 5

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Scary Movie 5

Reaktionäre Unterwanderung

Was wirklich scary an diesem Film ist: Zum einen, dass man gerade in der Ära des derben, knalligen und irrwitzigen Komödiantismus der Frat-Pack-Liga mit solchen extrem laschen Drehbüchern durchkommt.

Furchterregend mutet auch die Karriere von David Zucker an, dem Produzenten der Saga, der im Vorgängerteil noch Regie führte. Der Held meiner Kindheit - ich habe keinen Film in meinem Leben öfter gesehen als die geniale Blödelorgie "Airplane! - Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug" - verwandelte sich nämlich in der letzten Dekade in einen knochenharten Republikaner, der den Knallköpfen von der Tea-Party-Fraktion ganz nahe steht.

Seinen Hass gegen das liberale Hollywood versuchte David Zucker in den geflopptem Michael-Moore-Spoof "An American Carol" zu verpacken, in "Scary Movie 5" sind es eher nur kleine und gemeine Gags, die den Sozialstaat geißeln, von dem Obama vergeblich träumt. Mehr als diese reaktionäre Unterwanderung macht aber eine schlichte Erkenntnis Angst: Es hört nie auf. Die bisherigen Teile der Franchise haben weit über 800 Mio. Dollar eingespielt, auch das dumpfe fünfte Kapitel bewährte sich an den US-Kinokassen.

Scary Movie 5

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Scary Movie 5

Berichte aus der Hölle

Ich möchte jetzt den Bogen nicht überspannen, aber ein paar Verbindungen zwischen "Scary Movie 5" und dem neuen Film des Ausnahmeregisseurs Kim Ki-Duk gibt es tatsächlich. In beiden Werken regiert eine drastische Körperlichkeit, ein sich Suhlen in Blut, Kotze, Sperma und Ausscheidungen. Allerdings dürften bei "Pieta" nur die Zyniker und Soziopathen im Publikum auf ihre humortechnischen Kosten kommen.

Mit Filmen wie "The Isle", "Adress Unknown" oder "Bad Guy" schockte Kim Ki-Duk am Anfang der Nuller Jahre die Kritiker und das Publikum. Um physische und psychische Gewalt, Missbrauch und Tod kreisten diese Werke, die wie Berichte aus der Hölle der Armen und Unterprivilegierten wirkten. Danach wandelte sich der Südkoreaner mit subtileren und meditativen Arbeiten zum Regiestar seines Landes und Liebling der Filmfestivals.

Nach einer schöpferische Pause, ausgelöst von einer handfesten Lebenskrise, meldet sich Kim Ki-Duk nun mit voller Wucht zurück. "Pieta" ist vieles zugleich: Brutales Body Cinema, desolate Sozialstudie, vor allem aber beinharte Gegenwartskritik.

Pieta

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Seltsame, inzestiöse und kaputte Liebe

Willkommen im Fegefeuer des Raubtierkapitalismus. Das Inferno, das ist in Kim Ki-Duks neuem Film ein grindiges Industrieviertel in der koreanischen Hauptstadt Seoul. In kleinen stickigen Werkstätten arbeiten hier Handwerker für einen Hungerlohn. Wie ein Aasgeier umkreist der Geldeintreiber Kang-Do die Gegend. Wer seine Schulden bei einem lokalen Kredithai nicht begleichen kann, der wird von dem jungen Handlanger verstümmelt.

Eines Tages taucht eine geheimnisvolle Frau aus dem Nichts auf. Die Fremde behauptet, Kang-Do’s Mutter zu sein, die ihn als Kind sich selbst überlassen hat. Der Kleinganove versucht die Frau mit Gewalt zu vertreiben, aber irgendwann resigniert er. Und mitten im Horror erblüht eine seltsame, inzestiöse und kaputte Liebe.

Schon bald ist klar: In diesem Film wird niemand geschont. Weder Männer noch Frauen oder Tiere. Die geballte Finsternis erinnert tatsächlich an das stürmerische und drängende Frühwerk des Regisseurs. Mit einem zentralen Unterschied: Damals wirkte Kim Ki-Duk noch verstörend unberechenbar. Mittlerweile ist sein Name ein Trademark für absolute Hoffnungslosigkeit. "Pieta", dessen Heftigkeit oft an das Absurde grenzt, bestätigt also eher düstere Erwartungshaltungen als Überraschungen zu bieten.

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