Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "How I found The Knife - Wahnsinnig gut"

Felix Knoke Berlin

Verwirrungen zwischen Langeweile und Nerdstuff

30. 4. 2013 - 12:51

How I found The Knife - Wahnsinnig gut

Mit Shaking The Habitual ist The Knife etwas gelungen, das erst in der Performance klar wird: Eine magische Transformation auf dem Dancefloor. Ich kam als neuer Mensch vom Konzert.

Zu meiner Kritik der Bierernsthaftigkeit empfehle ich das Knife-Porträt in der Spex, in dem der Interviewer Karin und Olof gleich mal auslacht für ihren Erstsemester-schwung und den Tipp gibt: Weniger Transparenz!

Als Olof Dreijer und Karin Dreijer-Andersson ankündigten, ein neues Album als The Knife aufzunehmen, hatte meine - eigentlich unbedingte - Liebe zu dem Pop-Geschwisterduo längst Schaden genommen. Karins Projekte ließen mich kalt, Fever Ray verstand ich als falschen Weg in die richtige und Olofs Oni-Ayhun-Projekt als richtigen in die falsche Richtung. So viel Größe Silent Shout auch hatte, meine The Knife waren die Knife von Deep Cuts: Pop als Anmaßung an ein anderes, trashigeres Leben und nicht als ein Hipster-Soundtrack, der retrohaft pseudo-tribalistische Mystik ins urbane Leben bringen sollte. Schlimmer noch: Als ich die Manifeste zu Shaking The Habitual las, bahnte sich neues Grauen an: Je mehr The Knife ihre Machtposition und ihr Scheitern an der Freiheit durch Musik erklärten, je mehr sie sich zur Plattform bekannten und Abstand zu sich und ihrem gesellschaftlichen Umfeld und Erfolg nahmen, desto mehr entfremdet fühlte auch ich mich. In Interviews mit The Knife klang dann auch noch so ein Erstsemester-Erkenntnisschwung mit: bierernste Bekundungen, mit Pop nicht die Welt erklären, sondern der Welt gleich den Krieg erklären zu wollen. Und so klang dann auch der Preview-Stream, den ich zu Shaking The Habitual eineinhalb Mal durchhören konnte: angestrengt, ungebrochen düster, sperrig um unzugänglich zu sein... die meinen das tatsächlich alles ernst!

Ich empfehle dringend: Hände weg von Live-Videos von der neuen Show. Die sind allesamt weder aufschlussreich noch irgendwie gut

Hochmut und Gefühle

Ach, wie falsch konnte ich nur liegen. Wie sehr musste meine Liebe einem Abgrenzungsbedürfnis weichen; wie sehr unterschätzte ich doch Karin und Olof. Bei ihrem Konzert im Bremer Pier 2 am Freitag blühte meine Liebe erneut auf der Asche meiner Selbstgerechtigkeit auf. Ich war so glücklich, ich machte Geräusche. Um es klipp und klar und dringend zu sagen: Wenn ihr eine Chance habt, The Knife live zu sehen, dann tut das! Das Album ist nur der Schatten eines Gebildes, dessen Form erst in der Performance vollständig wird. All das hat nichts mehr mit den Knife von vor ein paar Jahren zu tun - und es wird oberflächliches Fantum (im Gegensatz zu meinem natürlich viel echteren, tiefgründigeren Fantum) auf Dauer vergrätzen. Hoffentlich!

Mein Hochmut hat Gründe: Der Erfolg von The Knife seit Silent Shout - oder natürlich viel eher, wie ich zornerfüllt flüsterte und jedem, der es nicht hören wollte unter Party-Ausschluss-Gefahr drohend herunterbetete, José Gonzales' Wurstversion von Heartbeats - machte mir Sorgen. Leute die The Knife mochten, mochte ich oft nicht. Shaking The Habitual verstand ich als eine ganz ähnliche Ansage. Was ich mir aber erlaubte, erlaubte ich The Knife nicht: Zur Schau getragenes Bescheidwissertum und Arroganz. Ihre Haltung erschien mir nicht ausreichend reflektiert und - tja, anmaßend; mit Shaking The Habitual die Fans und mich zu verschrecken, war für mich ein billiger Zug.

Nach dem Konzert hörte ich mehrmals folgenden Vorwurf, der meine Publikumsverachtung nur schärfte: War ja ganz gut, aber dafür, dass sie sieben Leute auf der Bühne hatten, hätten sie ja auch ihre Instrumente live spielen können. Versteht ihr, was ich greine?

Pinkes Cover von "Shaking The Habitual" von The Knife

The Knife

Genugtuung und Hass

Dass sich The Knife sehr verhoben hatten, befürchtete ich noch in den ersten Minuten des Konzerts, als als Warmmacher ein Dancefloor-Diktator mit "Death-Aerobics" das Publikum erst zu "One Body" gleichschalten und seinem Gefühlsdiktat unterwerfen wollte. Ja, hatten denn The Knife gar nichts, und noch nicht mal sich selbst verstanden? Wie können die da einen geschminkten Rainbow-Tours-Animator hinstellen, der die neue Knife-Kritik von Machtposition und Identität so dermaßen doof unterläuft? Genugtuung und Hass machten es sich in meinem Herzen (kalt) gemütlich, als das Bremen-Publikum seinen Anweisungen folgte und sich so dumm stellte, wie es wohl auch war usw. usf. "Strengt euch an, The Knife schauen euch zu und kommen erst auf die Bühne, wenn ihr begeistert genug mitmacht." Ich hätte kotzen können.

Als The Knife in Kluft und Schwarzlicht auf die mit selbstgeschweißten Instrumenten geschmückte Bühne kamen, spürte ich noch den eiskalt nachglühenden Hass der Aufwärmphase - doch der sollte schnell einer überraschenden Tanzwärme weichen: Klingt zwar alles wie auf der Platte, aber man kann total gut dazu tanzen, dachte ich - und dann streckte die siebenköpfige Band die Hände in die Höhe, das Playback lief weiter und meine Welt zerfiel in Glitter. Ich schrie, als die Band die Instrumente hinter sich ließ und fürderhin The Knife als Tanzperformance aufführte. Und plötzlich waren sie alle weg, die Grenzen zwischen Publikum und Bühne, zwischen mir und Publikum und Band. Alles tanzte zum CD-Playback. Oh, und wie wir tanzten. All die Sperrigkeit des Albums war transformiert: was düster klang, war zwingend; was krachig war, musste getanzt werden; was für mich zuvor nur dumpfe Sound Art war, war leuchtendes Tänzerparadies. Diese Musik durch eine Tanzperformance wirklich ganz neu zu begreifen, war ein erhabener Moment, magisch. Ich gluckste und griente, schmatzte und stöhnte vor Glück. Mein Herz war voller Feuer und auch mein Geist entbrannt.

The Knife shaking the habitual

The Knife

Karin und Olof im Glück

Und ganz offensichtlich hatten auch die Personen auf der Bühne alle Hände voll zu tun, ihre Glücksgefühle in den Griff zu bekommen. Der neue Musikentwurf von The Knife ist tatsächlich ein großer Wurf und ich wüßte nicht, wie - zum Beispiel auch für The Knife selbst - der ohne Performance zu begreifen wäre. Diese ungeheure Tanzbarkeit, diese ungeheuer gutgelaunte, bewegende Energie - das alles steckt irgendwo in der Musik und ich war völlig blind dafür, bis ich sie mir ertanzte. Oh, Tanz, du von mir so unterschätzter Weg zum Frieden.

Dass vielleicht auch für The Knife da etwas unvorhergesehenes passierte - Karin und Olof im Glück - erkläre ich mir auch durch den wohl allgemein als etwas unglücklich empfunden Versuch, The Knife 2006 auf die Bühne zu bringen. Freude war damals nur am Rande zu spüren (wörtlich etwa, als Karin am Bühnenrand, vermeintlich verborgen, zu Tanzen begann; direkt in mein Herz hinein, wie ich damals geschrieben habe. Dieses Mal: Verzücktheit. Was sie draufhaben mit Bühne, Publikum und Augenhöhe, erkannte ich dann am Höhepunkt des Abends: Silent Shout als Endlosversion vor Lasertunnel, nahtlos übergehend in ein DJ-Set. Ich hab noch nie so getanzt. (Außer das eine Mal im Golden Pudel, als Rüftata die Touristengruppe erst mit einem Monster-Set verjagte und den Kleckerrest dann wieder glücklich machen wollte).

Magischer Komplex

Also, weil es sich im Hochhaus so gut aus dem Fenster lehnen lässt: Mit Shaking The Habitual ist The Knife etwas gelungen, was mir bis dahin nicht bekannt war, eine ganz komische Tiefgründigkeit, die über reine Musikrezeption nicht erfahrbar ist. Dieses Album transformiert sich in der Disko. Irgendeine Dancefloor-Interface-Magie, die nur durch Tanz erfahrbar ist. Und das ist dann für mich tatsächlich ein urbaner Mystizismus, der mir gefällt - einer, der aus der Zukunft kommt. Ich glaube, der Shaking-The-Habitual/Live-Show-Komplex wird die Clubkultur verändern. Mich jedenfalls hat er bereits durcheinander gebracht.