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Paul Pant

Politik und Wirtschaft

29. 4. 2013 - 19:03

Es gibt eine Wahl und keiner geht hin

Die Tirolerinnen haben gewählt. Und nicht alle sind hingegangen. Voraussichtlich 40 Prozent haben etwas Besseres vorgehabt. Warum eigentlich?

In Tirol bleibt alles beim Alten: die ÖVP die Nummer eins, Günter Platter Landeshauptmann. Angekündigte Revolutionen finden bekanntlich selten statt. Platter hat zwar nach vorläufigem Auszählungstand (ohne Wahlkarten) mit 39,6 Prozent das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten eingefahren, aber die 16 Mandate für die ÖVP halten können. Die Grünen sind dafür erstmals in einer Landeshauptstadt Nummer eins geworden, sie erreichten 23,9 Prozent in Innsbruck.

Endergebnis für Tiroler Landtagswahl

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Nicht-Wähler-Partei ist Nummer eins

Eine (inoffizielle) Partei stellt jedoch beide Ergebnisse in den Schatten. Die Partei der Nicht-WählerInnen hat in Tirol einen Rekordwert erreicht. Knapp 40 Prozent sind zu Hause geblieben und haben an der Landtagswahl nicht teilgenommen. Für die Journalistin Anneliese Rohrer ist das ein schrilles Alarmsignal. Allerdings sei das Problem jenes, dass sich die Parteien nach so einem Ergebnis taub stellen. "Weil in Wahrheit müsste man jetzt anfangen zu diskutieren, wo müssen wir unsere Systeme umstellen, um für die Wähler überhaupt in ihrer demokratischen Ausübung noch attraktiv zu werden", sagt Rohrer im FM4 Reality Check.

Aber warum war die Wahlbeteiligung im speziellen Fall von Tirol so niedrig? Ist das ein ernstes Alarmsignal für ganz Österreich? In FM4 Connected haben wir dazu mit Politologin Alexandra Weiss von der Universität Innsbruck gesprochen. Das Interview führte FM4 Moderatorin Claudia Unterweger.

Interview mit Politologin Alexandra Weiss

Waren Sie überrascht von diesem Wahlergebnis?

Ja in gewisser Weise schon, weil wirklich alle einen Verlust von zumindest noch einmal drei bis vier Prozent für die ÖVP voraus gesagt haben. Die Parteien, bei denen man sich gedacht hat, die nehmen der ÖVP vielleicht auch noch etwas weg, sind teilweise sehr gescheitert in Tirol, wie zum Beispiel das Team Stronach. Was aber rückblickend nicht ganz so erstaunlich ist, wenn man bedenkt, wie die Partei im Vorfeld agiert hat und diverse Auseinandersetzungen medial sehr präsent waren.

Jetzt sind etwa 40 Prozent der TirolerInnen nicht wählen gegangen. Sind die Menschen in Tirol politikverdrossen, oder sind sie vielleicht einfach nicht hingegangen, weil sie eh zufrieden sind?

Ich glaube nicht, dass sie nicht hingegangen sind, weil sie zufrieden sind, sondern weil das Angebot sehr wenig differenziert und profiliert war. Also jenseits der ÖVP, die sicher am meisten mobilisieren konnte, wenn auch mit sehr viel Material- und Personaleinsatz. Auch die Wahlkampagne der ÖVP, die eben auf Stabilität gesetzt hat, ist immer wieder ein erfolgreiches Konzept. Hauptgrund ist aber, denke ich, dass es die Alternativen nicht wirklich gegeben hat. Weil dazu muss man eben ein eigenständiges Profil entwickeln, eine Programmatik anbieten und das haben eigentlich die meisten Parteien nicht wirklich getan.

Was bedeutet das eigentlich für unser demokratisches System, wenn so wenige Menschen zur Wahl gehen?

Es gibt unterschiedliche Einschätzungen. Ich würde es schon als sehr dramatisch bezeichnen, wenn man jetzt von 56 Prozent Wahlbeteiligung ausgehen muss. Da sind die Wahlkarten noch nicht dabei, vielleicht erhöht sich die Beteiligung noch auf ungefähr 60 Prozent. Ich denke diese Diagnosen, dass die Menschen immer weniger das Gefühl haben vertreten zu sein und dass politische Eliten für sie unerreichbar sind, da muss man sich was überlegen. Es bleibt dann immer beim Lamentieren kurz nach der Wahl, aber eine wirkliche grundlegende Überlegung, wie man mit diesem Trend umgehen soll, mit dieser Tendenz, dass sich immer mehr Menschen zurück ziehen, gibt es eigentlich von Seiten der politischen Parteien nicht.

Was würden Sie als Politologin vorschlagen, wie man dieser Situation begegnen kann?

Ich denke, dass es zum einen sehr stark um politische Bildung geht und auch darum, dass Wahlkämpfe wieder politischer werden. Denn jetzt ist es ja wirklich so, dass man sagen kann, Politik und insbesondere Wahlkämpfe sind PR-mäßige Inszenierungen, wo es in Wirklichkeit um den Verkauf eines Produktes geht. Und das durchschauen die Leute natürlich.

FM4 Stammtisch Tirol
Was sind die Themen die Tirol bewegen? Der vergangene Tiroler Wahlkampf einmal aus WählerInnen-Sicht. Die Diskussion aus der Innsbrucker Kulturbackstube zur Landtagswahl 2013 zum Nachhören.

Die Wahlergebnisse im Detail

Wie hat sich beim dem jetzigen Wahlkampf in Tirol gezeigt?

Tirol ist das Bundesland mit den geringsten Einkommen, wir sind auch das Bundesland mit den höchsten Lebenserhaltungskosten und das betrifft natürlich eine große Mehrheit in diesem Land. Jetzt haben das alle zwar in ihre Wahlprogramme hineingeschrieben, aber die Strategien, wie das verändert werden soll, sind eigentlich nicht wirklich vorhanden, oder es sind Strategien, die eigentlich nur kosmetische Veränderungen mit sich bringen würden. Das sozusagen schon immer wieder Thematiken aufgegriffen werden, die unter den Nägeln brennen, aber dann schnell wieder verschwinden.

Vielen Dank für das Gespräch