Erstellt am: 28. 4. 2013 - 19:41 Uhr
The Most Amazing Indie-Game
Die Gemeinschaft der unabhängigen Spieleentwickler/innen hatte ein großes Familientreffen in Berlin, gänzlich ohne Monetarisierungsstrategien, Marketing-Buzzwords und schlecht sitzende Anzügen. Stattdessen beherbergte die zweite A MAZE. Indie Connect jede Menge Vollbärte, bunte Schuhe und eine uneingeschränkte Liebe für unkonventionelle Spiele.
Das die meiste Zeit über von der Frühlingssonne bestrahlte Industriegebäude "Urban Spree" mit seiner rohen und kreativen Anmutung war der perfekte Ort, um genau diese besonderen Spiele zu präsentieren. Ausgestellt waren sie vor allem in der loftartigen Halle im Inneren des Gebäudes, auf alten und neuen Bildschirmen, Leinwänden und selbstgebastelten Arcade-Automaten. Nach Sonnenuntergang wurde auch draußen auf Fassadenwänden gespielt, und manchmal hat man die Bildebene sogar komplett weggelassen. Die Gemeinschaft der unabhängigen Spielemacher/innen legt seit ein, zwei Jahren besonderen Wert darauf, keine Spielform auszuschließen. Klar, Computerspiele stehen im Mittelpunkt. Aber wenn es zwischendurch auch mal ein Brettspiel, ein Kartenspiel, ein Gesellschaftsspiel ist, wird das gleichwertig in den zeitgenössischen Indie-Games-Kanon aufgenommen und bereichert die Vielfalt.
Robert Glashüttner
Für die Indies unter den Indies
Die "Indie Connect" ist so sehr auf die kleinen, kreativen Games ausgerichtet, dass man innerhalb der präsentierten Bandbreite an Spielen und ihren Entwickler/innen wiederum die Stars und die Newcomer erkennt. Das wurde auch bei den elf Nominierungen für den hauseigenen "Most Amazing Indie-Game" sichtbar. Nominiert waren - bis auf wenige etablierte Ausnahmen wie "Dear Esther" oder "The Bridge" - vorwiegend Projekte, die auch innerhalb der Szene noch wenig bekannt sind. Die populäreren Indies, wie Rami Ismail, Ed Key, Sos Sosowski oder Michael Brough, waren in Berlin mehr die ideologischen Schirmherren. Dementsprechend haben sie eher in der Jury mitgewirkt und viele Gespräche mit Newcomern geführt anstatt selbst ihre eigenen Games einzureichen.
Robert Glashüttner
Aufmerksamkeit erregt haben bei den diesjährigen Finalisten naturgemäß jene Spiele, die entweder mit ungewöhnlichen Interfaces punkten oder klassische Spielkonzepte komplett hinter sich lassen. Das gilt etwa für "The Gaudy Woods", ein Spiel, auf dem man ein rollendes Fass steuert - allerdings nicht mit einem handelsüblichen Game-Controller sondern mit einem riesigen Gestell, das aus Eisenstangen, Autoreifen und Befestigungsgummiseilen besteht. Ein Heidenspaß - wenn auch eine recht hektische Angelegenheit - ist das Zurufspiel "Spaceteam", bei dem zwei Spieler/innen auf ihren iOS-Geräten abstruse Steuerungen betätigen und Knöpfe drücken müssen. Problem: Oft wird die Anweisung, die man ausführen muss, nur am Gerät der anderen Person angezeigt. Teamarbeit ist alles!
Fast etwas versteckt war das aufwändige Augmented-Reality-Projekt "O.R.pheus", an dem die Gestalterin Evelyn Hribersek drei Jahre gearbeitet hat. Man geht damit mit dem Smarthphone in Räume mit merkwürdigen Dingen. Über eigens modifizierte QR-Codes werden Audio-Logs, seltsame Videos und Objekte in die Räume gebracht, die nur nach und nach die Geschichte dahinter erkennbar machen.
Award, Award, Award!
Wie fast alle Underground-Veranstaltungen, die etwas auf sich halten, gönnt man sich auch auf der "Indie Connect" künstlerische Freiheit, was die Anfangszeiten der jeweiligen Programmpunkte betrifft. An den zwei Konferenztagen haben sich die Vortragszeiten manchmal wild verschoben, was manchmal ein wenig ärgerlich war, aber auch für positive Überraschungseffekte gesorgt hat. Auch die Award-Show - die Schlussveranstaltung der Konferenz - hatte ihren tatsächlichen Startschuss nicht um 20 Uhr, wie geplant, sondern irgendwann gut eine Stunde später. Macht nichts, spielen wir halt noch ein bisschen.
Als es soweit war, gab es hinsichtlich guter Stimmung absolut keine Probleme. Moderator Nils Bokelberg brachte zwar nur gefährliches Spielehalbwissen in die Show mit, punktete dafür mit humorvollem Englisch und launigen Ansagen. Worauf alle warteten, ist aber selbstverständlich A MAZE.-Mastermind und "Indie Connect"-Kurator Thorsten S. Wiedemann, der mit seinem unverwechselbaren Mix aus Herzlichkeit, Enthusiasmus und sympathischer Schusseligkeit in jedes Gesicht ein zufriedenes Lächeln zaubert. Die Sponsoren wurden genannt, dem Veranstaltungsort gedankt - und ansonsten blieb nur Freude und Feierlichkeit. "Thorsten!"-Rufe und ständiges Zwischenklatschen machten die Award-Show zu einer euphorischen Jubel-, Lach- und Kicherveranstaltung und schafften ein einzigartiges Zusammengehörigkeitgefühl, das auf Games-Konferenzen in dieser Intensität sonst nur sehr selten aufkommt.
Robert Glashüttner
Most amazing
Als es endlich daran ging, den pinken, quadratischen, jellyartigen Preis für das "Most Amazing Indie-Game 2013" zu vergeben, wurde der schwedische "Knytt Underground"-Entwickler Nicklas "Nifflas" Nygren auf die Bühne geholt. Er hatte bereits am ersten Tag der Konferenz über Geheimnisse in Games eine Keynote gehalten. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde klar, dass Nygren nicht nur ein talentierter Spieledesigner sondern auch eine unterhaltsame Persönlichkeit ist. Sein schwarzer Vollbart bei sehr schlaksiger Statur gepaart mit einem wundervoll singenden schwedischen Englisch-Akzent lässt in jede, eigentlich ernst gemeinte Ausführung immer auch ein bisschen Klamauk hinein. Als Nifflas den Gewinner verlesen durfte, kostete er den Moment gebührend aus, ließ das Publikum Trommelwirbel machen, nur um danach zu fragen, wie denn der Preis nun eigentlich heißt und warum die Trophäe so lustig aussieht.
Robert Glashüttner
Gewonnen hat schließlich das Spiel für alle angehenden Bruchpilot/innen: "Spaceteam" von Henry Smith aus Kanada, dessen Selbstbeschreibung fast so gut wie das Spielerlebnis selbst ist: "Spaceteam is a cooperative party game for 2 to 4 players who shout technobabble at each other until their ship explodes."
Tanzen mit Nifflas
Siehe auch: Rainer Sigl über die inhaltliche Verortung der "Indie Connect" in ihrem zweiten Jahr.
Schon aus? Nicht ganz. Bevor alle glücklich in die letzte Partynacht der "Indie Connect" entlassen wurden, gab es noch eine Tanzeinlage, die ebenfalls vom gut gelaunten Herrn Nifflas vollzogen wurde. Allerdings nicht freiwillig, wie er betonte - Szenevernetzerin und Jury-Mitglied Julie Heydes hätte ihn angeblich mit Gewaltandrohung dazu "überredet". Das wäre natürlich nicht nett, aber irgendwie wollte da niemand so richtig dran glauben. Vor allem, weil Nicklas Nygren in seiner eigenen Art ein wirklich guter Tänzer ist!