Erstellt am: 28. 4. 2013 - 13:08 Uhr
Knistern, Brummen, Tanzen
Oft genug kann man es nicht sagen: So dicht und gut gebucht wie dieses Jahr war das Donaufestival noch nie. Das Programm kann mit ähnlich gelagerten, internationalen Festivals mehr als locker mithalten. Das ist durchaus gewagt, weil es sich dann eben regional doch noch nicht so ganz herumgesprochen haben könnte, dass hier Künstlerinnen und Künstler am Werk sind, denen weltweit auf nicht gerade unwichtigen Blogs, Spezialisten-Websites und teils wirklich auch gar nicht so superspeziellen Nischenseiten in der jüngeren Vergangenheit zu Recht einiges an Lob und Hype entgegengeschlagen ist.
Man muss das aber auch alles gar nicht so genau wissen: Falls man sich ein bisschen für zum Beispiel Musik interessiert, kann man beim Donaufestival neue Dinge entdecken. Man kann lauschen, grübeln und – alles andere als zuletzt – tanzen.
Alle Bilder: Christian Wind
Christian Wind
Das Berliner Label PAN – auch an dieser Stelle schon genügend abgefeiert – ist eines der spannendsten Labels der letzten paar Jahre – es ist eben bloß keine Partymusik, die Labelboss Bill Kouligas da mit ausnahmslos schön aufgemachtem Artwork in die Welt hinausschickt. Deshalb ist es eine weise Entscheidung des Donaufestivals den Showcase von PAN Records nicht des Nachts, wenn vielleicht alle bloß shaken wollen, abzuhalten, sondern am Nachmittag in der Minoritenkirche. Es ist nämlich schon auch, man muss es sagen, eine durchaus nicht ganz leichte Musik.
PAN Records lotet die beigen und grau-schwarzen Zonen zwischen Elektronik-Avantgarde, eisigen Drones, Ambient und dem Dancefloor für Fortgeschrittene aus. Beim Donaufestival vertreten in der nahezu komplett abgedunkelten Minoritenkirche vier Live-Acts das Label, Bill Kouligas verknüpft und überbrückt die Performances mit kurzen DJ-Sets.
Christian Wind
Den Anfang macht ein junger Mann namens Helm, der vergangenes Jahr mit seinem Album "Impossible Symmetry" ein im besten Sinne erschütterndes und niederschmetterndes Statement in Sachen Brummen, Rauschen und Zittern veröffentlicht hat. Auch seine Live-Performance ist unwesentlich mehr als ein ewiges, man kann es als laut bezeichnen, Dröhnen, in dem sich nur unmerklich bewusstseinserweiternde Verschiebungen auftun. Wenig geschieht, ein großartiger Stich ins Herz.
Der darauffolgende Japaner NHK’Koyxen, der zum Beispiel schon mit der Noise-Gottheit Merzbow, dem geil verpeilten New Yorker MC Sensational und vielen mehr zusammengearbeitet hat, hat seine beiden im vergangenen Jahr bei PAN erschienenen Tonträger gleich ganz ungeniert "Dance Classics Vol I" und "Dance Classics Vol II" genannt.
Aber das passt schon so. Die Musik von NHK’Koyxen ist wohl das Poppigste, was PAN im Angebot hat: Wischgeräusche und schluckaufgleiche Beats und hibbeliges Herumgezappel, das nicht selten an die frühen Mouse on Mars erinnert, und so etwas wie fast schon Melodien. Außerdem: Zärtliche Breakcore-Attacken mit Sinn für das Feine. Da tanzen gar schon ein paar Menschen am frühen Abend dazu.
Christian Wind
Das Duo SND füllt im Label-Roster von PAN sozusagen die Star- und Legenden-Position: Seit gut zwanzig Jahren schon schnitzen die zwei Engländer für unterschiedliche Labels scharfkantige Beats, metallenen Glitch-Hop und superkleinteilige Clicks’n’Cuts. Immer noch und immer wieder hart, schwierig, funky und auf gute Weise auch ein bisschen unangenehm. Diese Musik steht unantastbar wie ein Leuchtturm in der Wüste.
Ebenso wunderbar: Durchstarter Lee Gamble, der vergangenes Jahr gleich zwei sehr gute Platten bei PAN veröffentlicht hat und den Labelnachmittag beschließt. Schwundspuren von Jungle und die Echos von Techno fügen sich zu einer ganz und gar seltsamen Musik, die die Funktionsweisen von Listening- und Dance-Musik unerhört verschränkt. Menschen sollen mehr PAN hören.
Christian Wind
Was danach an musikalischen Sensationen auf dem Festivalgelände zu erleben ist, ist nahezu ausnahmeslos großartig. Die amerikanische Musikerin Holly Herndon, die, schon wieder, wirklich, 2012 wie soviele der hier Versammelten ein Album des Jahres veröffentlicht hat, manipuliert an Laptop und Mikrofon ihre eigene Stimme zu einer abstrakten Popmusik. Pete Swanson, der früher im Duo Yellow Swans sein Werk verrichtet hat, macht mit einem nahezu komplett improvisierten Set vor, wie es klingt, wenn sich in den Noise immer mehr und mehr der Techno hineinschleicht, der Produzent Container (2 sehr empfehlenswerte Alben auf Spectrum Spools) nähert sich dem Komplex von der anderen Seite und klopft gewaltig lärmenden und scheppernden Schrottplatz-Techno aus seinen Maschinen. Kurz und ziemlich überwältigend.
Die beiden jeweils ganz wunderbaren englischen Duos Raime und Demdike Stare sind die neuen Säulenheiligen der neuen Düsterkeit, die vor allem von Großbritannien aus in den Zwischenreichen von Industrial, Drone und Doom, entkerntem Jungle und bösem Rauschen im Okkulten fischt. Zu Recht: Viele mögen momentan derlei Sound praktizieren, so konzentriert und auf den Punkt formuliert ihn kaum jemand wie Raime und Demdike Stare. Auch in der Live-Darbietung. Ein Zombie hing am Glockenseil.
Christian Wind
Christian Wind
Katharina Seidler war auf dem Dancefloor des Stadtsaals:
Von den Feinden des Elektronischen, also jenen, die auch sagen, das sei ja alles immer das gleiche, wird Techno als etwas Starres, Hartes, Steifes angesehen. Wie es sich um dessen Aggregatszustand tatsächlich verhält, demonstriert heute Robert Hood aus, genau, Detroit, der mit seinem 1994 erschienenen Album "Minimal Nation" als der Godfather des Minimal Techno gilt, unter anderem heute in Krems. Die Beschaffenheit von Techno veranschaulicht er als eine elastische, federnde, als einen beweglichen Mechanismus, der atmet und pulsiert und sich rund um einzelne Scharniere dreht. Es ist eine Vorexerzierung wie aus dem von ihm selbst mitgeschriebenen Lehrbuch, dabei nie "nach Vorschrift", wenn Hood während seines einstündigen Livesets die Beats laufen lässt, Claps dazuschaltet, Synthesizerhöhen hineindreht, ein Element davon wegnimmt und durch ein anderes ablösen lässt, und auf den Zwang zum sogenannten Drop pfeift.
Robert Hood verfügt zu Recht und auch hier in Krems über zahlreiche Jünger, die seinem Ruf in den Stadtsaal gefolgt sind, und auch für die übrigen Festivalbesucher mag die Geradlinigkeit der Kickdrum, deren primäres Anliegen nicht das Hakenschlagen, die Strenge und auch nicht die Unerbittlichkeit sind, etwas vorübergehend Befreiendes haben. Nächstes Jahr steht der zwanzigste Geburtstag von Minimal Techno ins Haus, die Retrospektiven und Werkschauen seien ihm sicher.
Christian Wind
Alle Stories vom Donaufestival unter fm4.orf.at/donaufestival2013
Jas Shaw, die blonde Hälfte von Simian Mobile Disco, ist als vielleicht etwas überraschendes Booking zum Auflegen nach Krems gekommen. Das britische Produzentenduo hat sich auf seinem letzten Album "Unpatterns" aus dem Jahr 2012 weg vom radiotauglichen Popsong mit beispielsweise Beth Ditto oder Alexis Taylor an den Vocals wieder zurück auf die Clubtanzfläche bewegt und eine sehr, ja gut, solide Platte zwischen House und Techno und fast ohne Gesang aufgenommen. So ähnlich kann man sich auch sein DJ-Set vorstellen, das von den Menschen im Stadtsaal fröhlich, aber auch schon merklich erschöpft betanzt wird. Probleme mit den CD-Playern führen zu teilweise ungewohnten Pausen, die Shaw glücklicherweise schulterzuckend-lachend und nicht wütend von der Bühne stürmend hinnimmt.