Erstellt am: 27. 4. 2013 - 17:24 Uhr
Singen ohne Reue
FM4 Davidecks
Jeden Samstag von 19 bis 21 Uhr auf FM4 und danach 7 Tage on Demand
Vocoder
Militärische Erfindungen werden manchmal zum Volk durchgereicht, das ist nur gerecht, es hat via Verteidigungsetat schließlich auch dafür bezahlt. GPS Navigation sei als Beispiel genannt. Die Musik profitiert eher selten aus dieser Ecke. Der Vocoder ist eine dieser Überschneidungen. In einer Art Roboterstimme wurden Nachrichten chiffriert und gleichzeitig komprimiert. Angesichts der telefonischen Bandbreite der 1930er Jahre essenziell. Etwa vierzig Jahre später setzten experimentierfreudige KünstlerInnen extra für die Musik gebaute Vocoder relativ behutsam ein (Kraftwerk, Electric Light Orchestra, Giorgio Moroder). Avantgarde-Gigantin Laurie Anderson ("O Superman") war weniger zimperlich. Die Verfremdung war Teil des Gesamtkonzeptes, so wie auch ein ganzes Stück später bei den Mainstream-Giganten Daft Punk.
Talkbox
Aber nicht überall, wo ein Roboter rausklingt, ist auch ein Vocoder drinnen, siehe Daft Punk, die gerne plattformübergreifend arbeiten. Die Talkbox hat keinen militärischen Hintergrund und unterscheidet sich trotz ähnlichem Klangbild massiv von der Vorkriegserfindung. Ein Vocoder verändert nur die Stimme, die Talkbox hingegen kann ein ganzes Lied robotisieren. Mit einem Plastikschlauch wird Sound in den Mund gespült, mit Mundbewegungen, Keyboard und Mikrofon wird so aus 2Pacs "California Love" ganz schnell "Keeeeleforniaar Luoouuw" und der ganze Unterbau des Songs schwingt mit. Kann man übrigens selbst mit jedem Minilautsprecher (Mobiltelefon) nachmachen, einfach mit Sound eingeschaltet an die Lippen halten und mit dem Mund lang gezogene Eees und Oooos machen.
Auto Tune
Mit Vocoder und Talkbox werden Effekte generiert, zu denen die menschliche Stimme nicht fähig ist. Mit Auto Tune hingegen werden Stimmen generiert, zu denen manche Menschen nicht fähig sind. Ein bisserl danebengelegen beim Singen? Kein Problem, seit Mitte der 1990er Jahre korrigiert die Software alles, was nicht bei drei auf der Oktave ist. Die Liste jener, die Auto Tune oder verwandte Produkte nicht verwendet haben, ist kurz: Bob Dylan, zirka. Nicht nur Stimmen, auch Instrumente können mit Auto Tune im Zaum gehalten werden und das alles sogar live. Übertreibt man die Korrektur absichtlich, entsteht ein Soundeffekt ähnlich dem Vocoder. Gut zu hören bei "Believe" von Cher, deshalb auch "Cher-Effekt" genannt.
Stimmentrilogie der Musikerziehung
Auto Tune: Erstausstrahlung 20. April 2013, hier im Podcast nachzuhören.
Vocoder: Samstag Abend, exklusiv in FM4 Davidecks.
Talkbox: nur noch sieben Mal schlafen, on air am 4. Mai!
Anmerkung: Top-10-Vocoder-Songs-Listen im Netz tappen gerne in die Talkbox-Auto-Tune-Falle und listen falsch zugeordnete Musikstücke. In Foren wird meterlang darüber diskutiert, was wo verwendet wurde. Das zeigt, wie ähnlich die drei Effekte von uns wahrgenommen werden.