Erstellt am: 26. 4. 2013 - 11:01 Uhr
Zurück in die Zukunft
Die Band, die am Donnerstagabend das musikalische Programm des Donaufestivals im Stadtsaal – der neuerdings sozusagen als Main Floor fungiert und der bislang als Hauptschauplatz geführten großen Halle 1 an Charme tatsächlich überlegen ist - ist so weit vorne, dass sie nun tatsächlich kaum ein Mensch kennt. Sie existiert aber wirklich und ist nicht bloß eine Erfindung, um Superauskenner und „Hipster“ zu foppen: Die Bastards of Fate. Dabei hat das Quintett aus Roanoke, Virginia vergangenes Jahr mit ihrem Album „Who’s A Fuzzy Buddy?“ eine ziemlich aufregende – im Wortsinne – Platte aufgenommen.
Captain Beefheart, whiskey-trunkener Blues-Punk, der gute, alte - meistens unerträglich "originelle" - Spaßvogel Zappa, funky No Wave und Noise und auch immer wieder Momente von Pop und echter, schöner Melodie haben sich da in einer Musik niedergeschlagen, die es kaum fünf Sekunden auf einer Stelle aushält. Als aufkratzende Einstimmung für einen munteren Abend eignet sich dieses überdrehte Gezappel und das zickige, immer wieder cartoonhaft überzeichnete Gerocke, das die Bastards of Fate da auf die Bühne stellen, ziemlich gut - selbst wenn das behautptete Weirde in dieser Band – die abrupten Tempowechsel, die Stimmungsschwankungen und die Kracherruptionen – immer etwas allzu gesucht wirkt. Craziness als mit bürokratischer Pflicht erfüllte Hausaufgabe. Geschmacksexplosion, die leise Nuance ist nicht die Sache der Bastards of Fate.
Ungleich Lieblicheres geschieht im Schaffen von Buke and Gase, die danach die Halle 2 bespielen. Langweilig ist das aber nicht. Reduzierter, konzentrierter, dabei interessanter als der davor praktizierte unbedingte Wille zum Informations-Overkill. Das Duo aus New York poltert im Sitzen gar putzig und gleichermaßen krachig durch einen mit einer ordentlichen Dosis Bierdosen- und Räudigkeits-Charme angereicherten Antifolk. Eine einsame Bassdrum steht auf der Bühne.
Ein Alleinstellungsmerkmal von Buke and Gase ist Sängerin Arone Dyer, die scheinbar mühelos – dabei aber nie ausgestellt „virtuos“ – zwischen kurzen ange-punkten Schreien und weich fließendem, melancholischem Schmelz aber ganz locker zu changieren im Stande ist. Gut aus den Instrumenten geklopfte Rockmusik mit nie zu dick aufgetragenem Niedlichkeits-Faktor, höflich dargereicht in Zweier-Besetzung. Musik, jaja, die viel lauter und zwingender tönt als die Summe der ganz wenigen Teile. Falls man sie denn je vermisst hat: Man kann sich jetzt anstelle der White Stripes auch Buke and Gase anhören.

Christian Wind
Was danach folgt, ist ein erster kleiner Höhepunkt des Eröffnungstages des Donaufestivals und nimmt schon ein bisschen vorweg, was darauf folgen wird und dann zu späterer Stunde – rückblickend, zurück in die Zukunft – genauer vormachen wird, wo diese Musik denn eigentlich herkommt: Krautrock. Es ist ein weiter Begriff, der vieles meint und kaum irgendwo festzumachen ist. Geoff Barrow jedenfalls scheint immerhin darauf – über die Autobahn? - abgefahren zu sein. Der Mann, der – auch wenn er’s sicherlich nicht gerne andauernd hören mag – ein Mastermind hinter Portishead ist, widmet sich mit seiner Gruppe BEAK> sehr genau und akribisch den Sounds, die sich Bands wie Can, Faust oder – nicht zuletzt – NEU! da so im Deutschland der 70er-Jahre ausgedacht haben.
An Schlagzeug, Gitarre und Synthesizern reiten BEAK> hier so hauptsächlich im Dienste des Rhythmus, dem oft eher klinisch angelegten Sound der Originale aus der Vergangenheit werden nicht selten kleine Lärmspuren, Rauschen und elektronisches Zwitschern entgegengesetzt. Das ist sehr schön - wenn auch der auf Tonträger gut vorhandene Hall und fast schon dubbige schwere Nebel im Stadtsaal ein wenig verlorengeht - und kann einer altbekannten Ästhetik einige neu Facetten abgewinnen. Es brummt bei all der zweifellos vorhandenen hypnotischer Kraft bisweilen dann aber eben doch oft wie ein bloße Verbeugung vor den Erfindern.

Christian Wind
Der Hauptact des Abends ist Michael Rother: Er präsentiert mit drei unterstützenden Musikern Stücke seiner Bands NEU! und Harmonia, sowie kleine Momente seines Solowerks – dem grundsätzlich ohnehin in der Geschichtsschreibung der Musik viel zu wenig Beachtung geschenkt wird, vor allem die ersten beiden Alben, „Flammende Herzen“ und „Sterntaler“ sind wunderbare Fußnoten des Krautrock.
So gibt es bei dem Auftritt von Michael Rother also kaum Neues zu erwarten. In Nostalgie getunkte Verwaltung einer zu Recht kanonisierten Kunst – mitunter eben mit modernen Spritzern aus zum Beispiel dem Laptop frischverfeinert. Es ist halt auch ein bisschen eine Krux: Musik, die irgendwann einmal ganz anders war als alles andere, und der in grauer Vorzeit schon die Vorboten von Techno, Postrock, Shoegaze und allem anderen möglichen Kram, der nicht bloß Love Song sein wollte, eingeschrieben war, wird wieder einmal der Musealisierung zugeführt. Musik, die zu Teilen schon gut 40 Jahre alt ist, die damals zurecht nach schöner Zukunft klang und heute zwar nach wie vor fantastisch summt, aber einzig deshalb nun nicht mehr so weltentrückt daherkommt, weil sie ohnehin schon in so vielen, vielen sehr guten und noch viel mehr schlechten Bands nachhallt. Sie ist Standard geworden. Macht nach wie vor schwindlig. Wunderbare Jahre.

Christian Wind
Katharina Seidler ist down mit Skweee:
Es ist wirklich schwierig, tatsächlich vielleicht nur für Menschen mit fast ohne Herz möglich, sich dem zu entziehen, was Skweee ganz drinnen im Bauch auslösen kann. Man muss wie Fritz Ostermayer schon sehr große Angst haben, dass ein, wenn das auch ein berechtigter Einwand ist, Slap-Bass um die nächste Ecke biegt, um nicht mitzuwippen, wenn der Funk, der hier aus den Synthesizern ausqueezed wird (aha!), aus den Boxen tropft. „We call it Skweee“ lautet der Titel jener Doku von Iacopo Patierno und David Giese, die als Einstiegsdroge ins Skweee-Genre dienen kann. Entstanden aus einer sowohl technischen als auch soundästhetischen Notwendigkeit irgendwo zwischen skandinavischen Wäldern, ist das erst vor einer Handvoll Jahren entdeckte und also begründete und weitergedachte Genre Skweee ein ursprünglich Lo-Fi-zusammengeschusterter Bastard aus Bass Music, Funk, Juke und jenen elektrischen Rave-Neonfarben, die etwa auch Rustie in einem der vergangenen Sommer für sich entdeckt hat. Das Tempo bleibt, wenn die Anzeige es auch unterschiedlich anzeigt, gefühlt gedrosselt, die passenden Tanzbewegungen holt man sich am ehesten im Hip Hop ab, aber popkulturelle Jugendbewegung inklusive Sprach- oder Stylecodes ist Skweee deswegen noch lange keine.
Auch wenn die Musikrichtung in der jüngeren Vergangenheit immer mehr Anhänger gesammelt hat – es soll mitunter schon vereinzelte Skweee-Produzenten in Japan und Australien geben - , bleibt es ein Stil der Nische. Anna Ceeh und Franz Pomassl, Skweee-Anhänger der ersten und also erst ein paar Jahre alten Stunde, haben diesen Frühling mit ihrem Label Laton nach einigen äußert erfolgreichen, einschlägigen Partys in der Wiener Sezession die praktisch gesamte Speerspitze des Skweee nach Krems geladen. Eero Johannes, Mesak, Daniel Savio und Sprutbass dürfen sich neben der Genrebegründung auch die Erfindung des dazugehörigen Namens auf die Fahnen schreiben und haben mit SkweeRRL, Rigas de Andre und leider nicht Baba Stiltz, ein verpasster Flug aus dem hohen Norden ist leider nicht so schnell nachzuholen, auch eine Riege Gleichgesinnter mitgebracht. „This is how we do it“, rufen sie bei ihren heute durch-, gegen- und miteinander angelegten Livesets immer wieder ins Mikrofon, und auch, wenn es vielleicht nicht die bisher allerzündendste Idee des Festivals war, die Party in der hintersten Halle und parallel zum Set von Michael Rother anzusetzen, ist der Raum on fire. Man kann es spüren.